Aktion für Bedürftige in Bonn Barber Angels schneiden wohnungslosen Menschen die Haare

Bonn · Die Barber Angels haben den Hof des Vereins für Gefährdetenhilfe in Bonn in einen Open-Air-Friseursalon vewandelt und den Betreuten dort schicke Haarschnitte zum Nulltarif verpasst. Insgesamt 29 Menschen freuten sich über eine neue Frisur.

Friseur Erik schneidet einem Klienten des Vereins für Gefährdetenhilfe an der Quantiusstraße kostenlos die Haare.

Friseur Erik schneidet einem Klienten des Vereins für Gefährdetenhilfe an der Quantiusstraße kostenlos die Haare.

Foto: Benjamin Westhoff

Auf dem Hof des Betreuungszentrums des Vereins für gefährdeten Hilfe (VfG) an der Quantiusstraße geht es trubeliger zu als sonst. Zwischen den üblichen Besuchern und Mitarbeitern der Einrichtung tummeln sich noch einige schwarzgekleidete Menschen. Manche von ihnen tragen Kutten mit Badges, so heißen die Lederwesten und Aufnäher in der Motorradszene. Es ist allerdings keine Motorradclub, der dem VfG einen Besuch abstattet. Die Barber Angels Brotherhood ist ein Club von Friseuren, die regelmäßig Obdachlosen und anderen Bedürftigen ehrenamtlich die Haare schneiden.

Die Anlehnung an Motorradclubs soll den Wiedererkennungseffekt erhöhen und den Einstieg in Gespräche mit den Klienten erleichtern. Ute Ganser-Koll hat an diesem Vormittag das Oberkommando über die freiwilligen Friseure. Mit Klemmbrett und eng benähter Kutte bringt sie Ordnung in das Durcheinander. „Ich bin bereits seit 2017 dabei“, berichtet die Friseurin, die bei den Barber Angels den Rang eines Zenturios bekleidet – wie ein Badge auf ihrer Kleidung bezeugt. „Damals war ich eigentlich in der Flüchtlingshilfe aktiv. Dann habe ich aber von den Barber Angels gehört und bin eingestiegen.“

Mittlerweile hat der europaweit agierende Verein über 400 Mitglieder. Dabei können sich die Angels über mangelnden Zulauf nicht beschweren. „Wir machen in den sozialen Medien Werbung für unsere Aktionen“, so Ganser-Koll. „Aber eigentlich ist das ein Selbstläufer. Seit neuestem haben wir sogar einen Ableger in Chile.“ Neben ihr versucht sich Susanne Fredebeul vom VfG auf dem Platz Gehör zu verschaffen. Sie ruft die Namen der Personen, die sich angemeldet haben, in die Menge.

„Die Barber Angels sind jetzt zum fünften Mal bei uns“, erzählt sie. Natürlich mussten sie coronabedingt zwei Jahre aussetzen. Nun ist sie froh, dass es wieder los geht. „Die Akzeptanz ist großartig. Wir haben 29 Anmeldungen“, sagt Fredebeuel. „Inzwischen kennt man sich auch. Einige wollen nur zu ‚ihrem’ Friseur.“

In dem Stuhlkreis auf dem Hinterhof klackern die Scheren mittlerweile emsig. Auf einem der Stühle lässt sich gerade Heiko die Haare stutzen. „Mein letzter Haarschnitt liegt bestimmt secsh bis sieben Monate zurück“, sagt er. „Bisher war ich jedes Mal dabei. Ich bin sehr froh, wenn sich die Gelegenheit bietet.“ Seinen heutigen Friseur kannte er vorher allerdings nicht.

Erik hat sich eigens aus Essen auf den Weg gemacht, um in Bonn Haare zu schneiden. „Mir ist im Leben sehr viel gutes passiert“, erklärt er seine Motivation. „Ich möchte unbedingt etwas zurück geben. Hier sehe ich unmittelbar einen Effekt.“ Mit seiner Begeisterung hat er sogar seinen Chef angesteckt, der zwei Plätze weiter Kamm und Schere schwingt.

Inzwischen hat auch Ute Ganser-Koll das Klemmbrett gegen die Schere gewechselt. Ihre erste Klientin ist Lisa. Sie ist ebenfalls schon von Anfang an dabei. „Ute ist ein Engel. Ich lasse mir nur von ihr die Haare schneiden.“ Während sie sich die Haare schneiden lässt, sind die beiden Frauen ins Gespräch vertieft. Plötzlich muss Lisa mit den Tränen kämpfen.

Ganser-Koll legt die Schere bei Seite, nimmt sie in den Arm und flüstert ihr beruhigende Worte zu. Seinem Friseur vertraut man sich an. „Das gehört auch dazu. Wir bekommen manchmal Sachen zu hören, die andere nicht so ohne weiteres zu hören bekommen. Lisa hat es nicht leicht gehabt“, erklärt sie hinterher. Und natürlich ist das Anvertraute bei ihr sicher. „Es ist unsere Herzensangelegenheit, etwas zurück zu geben“, sagt die Friseurin.

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