Proteste auf Münsterplatz in Bonn Zwei Demos fordern Ende des Ukraine-Krieges - mit unterschiedlichen Ansätzen

Bonn · Bei zwei Demos in Bonn wurde am Samstag für ein Ende des Ukraine-Krieges demonstriert. Während sich Teilnehmer einer Friedensdemo gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aussprachen, befürworteten Protestler einer Gegendemo diesen Schritt.

 Die evangelische Theologin Margot Käßmann sprach bei der Friedenskundgebung des Friedensforums Bonn über die Waffenlieferungen an die Ukraine.

Die evangelische Theologin Margot Käßmann sprach bei der Friedenskundgebung des Friedensforums Bonn über die Waffenlieferungen an die Ukraine.

Foto: Meike Böschemeyer

Am Samstag hat das Friedensforum Bonn anlässlich des ein Jahr andauernden Krieges in der Ukraine zu einer Kundgebung am Münsterplatz aufgerufen. Rund 350 Menschen demonstrierten dort für ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine und für Friedensverhandlungen mit Russland. Parallel fand eine Gegendemonstration vom Forum Osteuropa Bonn mit rund 200 Teilnehmern statt. Dort wurde betont, dass Waffenlieferungen die einzige Chance für die Existenzsicherung des Landes seien.

Auf der Friedensdemonstration erklärte Margot Käßmann, ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), dass die Gegendemonstranten das gleiche Ziel verfolgen: Das Ende des Sterbens in der Ukraine. Sie sprach von einer Eskalationsspirale, die der Konflikt inzwischen angenommen habe. Diese führe nicht mit noch mehr Waffen zum Frieden. „Lasst uns Krankenwagen statt Kampfpanzer liefern, Feuerwehrautos statt Feldhaubitzen“, so Käßmann.

Es gehe in diesem Krieg nicht um „böse Russen“ oder „tapfere Ukrainer“, sondern in erster Linie um Menschenleben. „Ich beteilige mich an dieser Demonstration wohlwissend, dass ich mit dieser Haltung schuldig werden kann, aber in einer Demokratie nehme ich mir das Recht, bei meiner pazifistischen Haltung zu bleiben“, sagte Käßmann.

Wie sich die Ukraine angesichts geringer Aussichten auf erfolgreiche Verhandlungen ohne Waffenlieferungen gegen den Angriff verteidigen soll? „Ich bin Deutsche, keine Ukrainerin. Und ich kann mich fragen, was eine vertretbare deutsche Position ist. Wir haben immer gesagt, wir liefern keine Waffen in Kriegsgebiete“, sagte Käßmann. Man müsse begreifen, dass Deutschland durch die Lieferungen inzwischen mitverantwortlich für das Sterben sei und somit Teil des Konflikts. „Ich habe die Stimmen derer, die sich gegen den Krieg aussprechen, vermisst“, betonte die Theologin. Daher sei es an der Zeit, darauf aufmerksam zu machen, dass eine Vielzahl an Menschen pazifistisch sei. Diese friedliche Kraft müsse gebündelt werden, um Waffenstillstand herbeizuführen.

Auch Karin Gierszewski, Mit-Initiatorin der Veranstaltung, teilte diesen Standpunkt und hinterfragte den Eindruck der Unwilligkeit Russlands zu Verhandlungen. „Es ist nicht erwiesen, dass Russland nicht zu Verhandlungen bereit ist. Verschiedene Regierungen, etwa China und die Türkei, suchen ja auch den diplomatischen Weg.“ Jeder, der Initiative ergreift, müsse gehört werden. Um Frieden zu erreichen, müsse Deutschland seine aktuelle Position aufgeben und deutlich machen, dass ein NATO-Beitritt der Ukraine den Konflikt nur weiter zuspitzen würde, bis hin zum Atomkrieg.

Demos gegen Ukraine-Krieg in Bonn
27 Bilder

Demos gegen Ukraine-Krieg in Bonn

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„Man kann sagen, dass dieser Krieg einigen bestimmten Konzernen die Kassen füllt“, sagte Joelle Usifo, die ursprünglich aus Frankreich kommt. Es gehe um mehr als einen Konflikt zwischen zwei Nationen, betonte sie. Neben zahllosen Menschenleben leide insbesondere die Umwelt unter den verheerenden Kriegshandlungen. „Ich bin Weltbürgerin und befürworte es nicht, sich gegen andere zu verbünden“, so die 74-Jährige.

„Für Ukrainer, die heute Mittag durch die Innenstadt spazieren, und sehen, wie eine große Menschenmenge der Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung abspricht, ist das ein Schlag ins Gesicht“, sagte Vladik Novak, der die Gegendemonstration unterstützte. Teilnehmer der heutigen Antikriegsdemo sollten wissen, dass sie heute nur Verhandlungen fordern könnten, weil es dank der westlichen Waffenlieferungen noch eine Ukraine gäbe, die um ihre Existenz kämpfe.

Die Forderung zu Verhandlungen ginge laut Novak nicht genug ins Detail. „Wenn die Ukraine von Russland nicht als souveräner Staat gesehen wird, wie soll dann verhandelt werden? Und hat man es nicht schon versucht?“ Die Vergangenheit habe gezeigt, dass dabei nur Zugeständnisse resultierten, die einen erneuten Angriff ermöglichen würden. „Warum soll der Angreifer in dem Moment aufhören, in dem er die besten Chancen hat, weiter voranzuschreiten? Ein Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine bedeutet ihre Vernichtung.“

Für Ukrainer sei der Wunsch nach einem Stopp der Waffenlieferungen ein Zeichen von Naivität und Ignoranz, die keinen Frieden sicherstellen würde. Dieses Szenario bliebe auch für Europa nicht folgenlos: Größere Flüchtlingswellen, ohne Aussicht auf Rückkehr in die Heimat seien die Konsequenz, so Novak.

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