Versuchter Totschlag und Raubüberfälle Drei Mitglieder der Bonner „Stadthausbande“ angeklagt

Bonn · Raubüberfälle, Liebesfallen und versuchter Totschlag: Die Bonner Staatsanwaltschaft klagt drei Mitglieder der sogenannten „Stadthausbande“ an. Der Prozess soll im Spätsommer starten.

 In der Nähe dieser Einfahrt in der Heerstraße ist ein Mann mutmaßlich von der „Stadthausbande“ attackiert und schwer verletzt worden.

In der Nähe dieser Einfahrt in der Heerstraße ist ein Mann mutmaßlich von der „Stadthausbande“ attackiert und schwer verletzt worden.

Foto: Niklas Schröder

Am Anfang ging es wohl ums Beutemachen: Eine Jugendgang aus dem Bonner Norden – vor allem aus Tannenbusch und Auerberg – soll seit 2020 in wechselnden Besetzungen nachts losgezogen sein, um nach passenden Raubopfern zu suchen. Später ging es der Bande, zu der die Ermittler mittlerweile 20 Mitglieder zählen, offenbar nur noch um rohe Gewalt. In größeren Gruppen suchten die Jugendlichen – meist in der Bonner Altstadt rund ums Stadthaus – demnach grundlos nach Streit, provozierten und griffen brutal an, bis ein Fall fast tödlich endete. Die Bonner Staatsanwaltschaft hat, wie Gerichtssprecherin Gerlind Keller auf Anfrage bestätigte, jetzt drei Mitglieder der Jugendgang, die heute 18 und 19 Jahre alt sind, angeklagt – wegen schweren Raubes, gefährlicher Körperverletzung, und den ältesten von ihnen sogar wegen versuchten Totschlags.

Angeklagt worden war das befreundete Trio zunächst vor dem Amtsgericht Bonn: Auf einer Dating-Plattform für Homosexuelle hatten sie sich als junge Männer ausgegeben, die nach Sexpartner suchten: Im ersten Fall meldete sich laut Anklage ein 42-jähriger Kölner, der mit einem Mietwagen zum Treff in der Bonner Altstadt erschien. Die Angeklagten empfingen ihn mit Messer und forderten Geld, dann soll ihm mit einer Holzstange gegen den Kopf geschlagen worden sein. Der Mann gab ihnen Bargeld und floh im Fahrzeug. Zum Abschied zerschlug das Trio mit einer Metallstange noch die Heckscheibe.

Bei einem zweiten Rendezvous erging es einem anderen Mann noch übler: Im August 2020, nachts um 2 Uhr, wurde ein 44-Jähriger in die Nähe des Sportpark Nord gelockt, wo er vom 19-Jährigen und einem unbekannten Mittäter derart mit einem Gegenstand geschlagen worden sein soll, dass er bewusstlos zu Boden ging. Die Täter nahmen ihm Handy und Portemonnaie ab und ließen ihn schwer verletzt liegen. Erst am nächsten Morgen, gegen 9 Uhr wurde er von Spaziergängern gefunden.

Gewalttätige Angriffe in sechs Fällen

In einem zweiten Anklagekomplex geht es um gewalttätige Angriffe in sechs Fällen. Es habe eine Weile gedauert, bestätigte Sebastian Buß, Sprecher der Staatsanwaltschaft, bis klar war, dass die Romeo-Tätergruppe mit der Stadthaus-Gang identisch ist. Bei der Aufklärung seien die Angeklagten ungewollt hilfreich gewesen: Denn bei der Durchsuchung von 20 Wohnungen im Januar wurden auf ihren Handys zahlreiche Videos gesichert. Die Täter hatten ihre brutalen Überfalle, auch mit Schlagstöcken, gefilmt – und damit unfreiwillig zahlreiche Taten aufgeklärt. In einem Fall ist das Opfer bis heute unbekannt geblieben. Gesucht wird immer noch nach einem jungen Mann mit sportlicher Statur und schwarzen Nike-Schuhen. Er wurde von einem Passanten gerettet, der gegen die prügelnden Angreifer eingriff.

Am 22. Januar dieses Jahres kam es schließlich zu dem fast tödlichen Angriff. Die Gang um das Trio war mit insgesamt rund 20 Männern in der Altstadt unterwegs, als sie laut Staatsanwaltschaft auf zwei junge Männer stießen, mit denen sie in Streit gerieten. Einer der Angeklagten soll dabei von einem der beiden Kontrahenten einen „leichten Schubser ins Gesicht bekommen“ haben. Das sollte für den 23-Jährigen ein Nachspiel haben. Als man wieder aufeinander traf, wurde er von der Gang bis zur Heerstraße verfolgt und brutal zusammengeschlagen. Während Passanten sich bereits um den Verletzten kümmerten, soll laut Anklage der 19-Jährige erschienen sein und vor den Augen aller drei Mal ein Messer in die Flanke des bereits am Boden Liegenden gestochen haben. Der Verletzte kollabierte und musste von Rettungskräften noch vor Ort intubiert werden.

Der 19-Jährige wurde eine Woche später festgenommen. Die beiden 18-jährigen Mitangeklagten folgten ihm Ende Februar in die Untersuchungshaft. Bis zu ihrem Prozess vor dem Bonner Jugendschwurgericht, der im Spätsommer starten soll, werden sie hinter Gittern bleiben. Gegen weitere Gangmitglieder wird noch gesondert ermittelt.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes war der Mann, der den Angeklagten Bargeld gab, fälschlicherweise als Freier bezeichnet worden. Wir haben diesen Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung.

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