Anlieger beklagen die Verwahrlosung Diskussion über Drogenszene und Obdachlose am Kaiserplatz

Bonn · Über die Situation rund um den Kaiserplatz diskutierten am Dienstagabend rund 80 Teilnehmer in der Kreuzkirche. Anlieger beklagen die Verwahrlosung der Bahnhofsumgebung.

 Kreuzkirche und Kaiserplatz

Kreuzkirche und Kaiserplatz

Foto: Benjamin Westhoff

Die Probleme mit Drogenkranken und Obdachlosen rund um den Kaiserplatz sind es nicht allein, die den Anliegern und Gewerbetreibenden dort auf den Nägeln brennen. Es geht ihnen auch um Verwahrlosung der Umgebung, ungepflegte Grünanlagen und marode Bauten wie den Busbahnhof oder das seit Jahren leerstehende Parkhaus auf der Rückseite des Hauptbahnhofs an der Quantiusstraße. Deutlich wurde das am Dienstagabend beim öffentlichen Dialog „Soziale Situation in der Stadt rund um den Kaiserplatz“ in der Kreuzkirche.

Zum Dialog eingeladen hatte die Evangelische Kirche, nachdem es in der Vergangenheit in der Stadtgesellschaft immer wieder zu heftigen Diskussionen zur Situation rund um den Kaiserplatz gekommen war. Mehr als 80 Bürgerinnen und Bürger diskutierten mit Vertreterinnen und Vertretern von Stadt und Polizei, Einzelhandel, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und Ratspolitik. „Die Armut in Deutschland nimmt aktuell deutlich zu und das spüren wir vor allem in den Städten“, sagte der Bonner Superintendent Dietmar Pistorius, der die Veranstaltung mit Andrea Hillebrand (Diakonie) und Martin Engels (Evangelisches Forum) moderierte.

Verdrängung ist für die Kirche keine Option

Gemeinsam mit Vertretern von Caritas und Diakonie rief er dazu auf, obdachlose Menschen nicht auszugrenzen. „Unser Ansatz ist es, gemeinsam mit den Menschen auch aus diesem Milieu Lösungen zu finden, damit alle gut in der Stadt leben können“, erklärte Superintendent Pistorius. Verdrängung von einem Platz zum anderen sei keine Option.

Das hatte zuvor auch Grünen-Ratsfraktionsvorsitzende Annette Standop eindringlich gefordert. „Ich finde es schon erschreckend, was die Anwohner hier täglich erleben müssen, aber ich wünsche mir, dass der Runde Tisch zum Konsens kommt, dass eine Lösung ohne die betroffenen Personenkreise nicht infrage kommen kann. Was wir hier brauchen, ist mehr Sozialarbeit und auch Kontrollen durch die Ordnungsdienste“, sagte sie.

Über die Probleme rund um den Kaiserplatz diskutieren in der Kreuzkirche (von links) Andrea Hillebrand, Martin Gröger, Andrea Forst-Raasch, Carsten Josmann, Gerhard Roden und Martin Engels.

Über die Probleme rund um den Kaiserplatz diskutieren in der Kreuzkirche (von links) Andrea Hillebrand, Martin Gröger, Andrea Forst-Raasch, Carsten Josmann, Gerhard Roden und Martin Engels.

Foto: Benjamin Westhoff

Zuvor hatten Anlieger wie Kreuzkirchenpfarrer Martin Gröger, Apothekerin Andrea Forst-Raasch, Anwohner Carsten Josmann und Gerhard Roden, Leiter des Prälat-Schleich-Hauses der Caritas für Obdachlose an der Thomastraße, eine Beschreibung des Ist-Zustands geliefert. Gröger ist zwar mit dem Einsatz der Polizei- und Ordnungskräfte von der gemeinsamen Wache Gabi in der Innenstadt zufrieden, die täglich vor Ort seien. Dennoch berichtete er, dass es schon etwas Besonderes sei, wenn mal kein Drogenkranker im Eingang seines Pfarrhauses sitze und sich eine Spritze setze. In seiner vorherigen Gemeinde in Köln seien seine Kinder allein in die Schule gegangen. „Das geht hier nicht.“ Auch müsse stets darauf geachtet werden, dass die Türen zum Jugendtreff und den Gemeinderäumen fest verschlossen blieben, um ungebetene Gäste zu vermeiden.

Anlieger berichten von aggressiven Bettlern und Ladendiebstahl

Auch Anwohner Josmann brachte drastische Beispiele, etwa wie manche Personen ihre Notdurft in den Hauseingängen hinterließen. Apothekerin Forst-Raasch zeichnete ein ähnliches Bild und berichtete von Müllbergen am Kaiserplatz vor allem nach Wochenenden, Fäkalien in Türeingängen und Ecken, aggressiven Bettlern und Ladendiebstahl im Rahmen von Beschaffungskriminalität. „Und der Hofgarten bleibt in der Dunkelheit für viele eine No-Go-Area“, so die Apothekerin.

Als wesentlichen Grund für die Verschärfung der Probleme rund um den Kaiserplatz hat sie vor allem die vielen Kioske ausgemacht, die Billigalkohol an die Szene verkauften. Ein Problem, das auch Roden sieht. „Dazu kommt, dass aus meiner Sicht auch andere Drogen als früher auf dem Markt sind, die die Suchtkranken aufputschen und aggressiv machen“, sagte er. Roden beobachtet des Weiteren eine zunehmende Verwahrlosung der Flächen und Gebäuden im Innenstadtbereich. „Das ist inakzeptabel“, findet er.

Es entspann sich im Anschluss eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum. Unter den Gästen waren auch Stadtdechant Wolfgang Picken, Caritas-Direktor Jean-Pierre Schneider, Sozialdezernentin Carolin Krause, Anja Ramos, Leiterin des Sozialamtes, sowie Ordnungsamtsleiter Ralf Bockshecker. Alle machten deutlich, wie vielschichtig die Herausforderungen sind: Es gehe um vernachlässigte öffentliche Flächen und Leerstände in Geschäften, Drogen und Kriminalität, aber auch um eine Partyszene jüngerer Menschen, die sich ebenfalls regelmäßig am Kaiserplatz treffen.

Stadt will früheren Treffpunkt der Szene wieder öffnen

Bockshecker kündigte am Rande der Veranstaltung gegenüber dem GA an, die Stadt wolle das Rondell an der Rampe zum U-Bahnhof wieder öffnen, das im Zuge des Baus des Maximiliancenters eingezäunt worden war. Zuvor war das Rondell einer der Haupttreffpunkte der Drogen- und Alkoholszene. Seither, so bestätigt der Ordnungsamtschef, konzentriere sich die Szene rund um den Kaiserplatz und die Unterführung zur Poppelsdorfer Allee. „Wir hoffen, dass sich die Situation dort dadurch wieder entzerren wird“, sagte Bockshecker.

Zum Schluss kündigte Pistorius an, ein Runder Tisch soll ab Januar 2023 vertraulich tagen und bis zum Sommer erste Lösungsvorschläge ausarbeiten. „Wir wollen mit diesem Dialog, der unterschiedlichste Gruppen und Interessen zusammenführt, auch einen Beitrag zum Frieden in der Stadtgesellschaft leisten“, betonte der Superintendent.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
„Die Gesamtsituation ist verfahren“
Kirchenrechtler Norbert Lüdecke zur Katholischen Kirche „Die Gesamtsituation ist verfahren“
Händel im 21. Jahrhundert
Oratorium in der Kreuzkirche Bonn Händel im 21. Jahrhundert
Aus dem Ressort