Busse statt Bahnen Ersatzverkehr für Stadtbahnen in Bonn verwirrt zahlreiche Fahrgäste

Update | Bonn · Vom 2. bis zum 10. August schalten die Bonner Stadtwerke auf ihr neues digitales Stellwerk um. In dieser Zeit können mehrere Bonner Bahnen nicht fahren. Am ersten Tag läuft der Ersatzverkehr zunächst größtenteils besser als erwartet.

 Statt Bahnen fahren seit Dienstagmorgen Busse im Nahverkehr durch Bonn.

Statt Bahnen fahren seit Dienstagmorgen Busse im Nahverkehr durch Bonn.

Foto: Benjamin Westhoff

In den Sommerferien werden sowohl Bahn- als auch Autopendler Einschränkungen auf viel genutzten Strecken im Stadtgebiet hinnehmen müssen. Eine der größten Eingriffe der Bonner Stadtwerke (SWB) betrifft vom 2. bis zum 10. August sämtliche Stadtbahnlinien 16, 18, 63, 66, 67 und 68, also Verbindungen von Bonn nach Köln, nach Bad Godesberg, Tannenbusch und zum Siegburger Fernbahnhof. In dieser Zeit setzen die SWB großflächig Busse ein, die statt der Bahnen fahren.

Die neun Tage nutzen die Stadtwerke, um ihren seit zwei Jahren vorangetriebenen Austausch des elektronischen Stellwerks Hauptbahnhof zu Ende zu bringen. Über das Stellwerk lässt sich der Bahnverkehr steuern, beispielsweise schaltet es die Signale für die Fahrerinnen und Fahrer in den Tunneln. Der kommunale Verkehrsbetrieb verfügt insgesamt über drei solcher Stellwerke im Stadtgebiet: eines in Bad Godesberg, eines in Ramersdorf und ein weiteres am Bonner Hauptbahnhof.

Der Schienenersatzverkehr läuft am Dienstag, dem ersten Tag der Erneuerung der Relaisstellwerke am Bonner Hauptbahnhof, weitgehend problemlos. Mehrere SWB-Servicemitarbeiter stehen am ZOB in Bonn, um die teilweise verwirrten Fahrgäste zu den Ersatzbussen zu schicken. Einer von ihnen sagt: "Am ersten Tag ist immer Chaos." Die meisten Fahrgäste wüssten nichts vom Ersatzverkehr. Die Busse pendeln jedoch am Dienstagmorgen zuverlässig: Rund alle fünf bis zehn Minuten fahren sie zu den Ersatzhaltestellen ab, ein Verkehrschaos aufgrund des höheren Busaufkommens zeichnet sich zumindest am Morgen rund um den Hauptbahnhof und die Museumsmeile noch nicht ab.

Im Ersatzbus zwischen Dransdorf und „Bonn Hauptbahnhof“ steigt gegen 10 Uhr eine Frau aus Hürth zu: Auch sie habe nichts vom Ausfall der Bahnen gewusst: "An der Linie 18 in Hürth stand zuerst 'Bonn Hauptbahnhof' wie immer, nur auf der Anzeigentafel an der Haltestelle stand die Info, dass die Bahn nur bis Dransdorf fährt", erzählt sie. Statt der 50 Minuten bis zu ihrer Arbeitsstelle in Bonn braucht sie heute anderthalb Stunden. "Es hätte aber schlimmer kommen können."

Probleme bereitet die Umstellung oft Personen, die älter sind oder kein Deutsch sprechen. Auf Marcam Alhaddad trifft beides zu. Er ist auf eine Gehhilfe angewiesen und wollte am Dienstagmorgen aus Tannenbusch nach Bad Godesberg zu seinem Arzt fahren. Statt mit der Linie 63 nach Bad Godesberg durchfahren zu können, musste Alhaddad an der Haltestelle „Bonn West“ aussteigen. Zum Hauptbahnhof hat er es zwar geschafft, entscheidet dort aber: "Ich fahre jetzt wieder nach Hause, das kriege ich nicht hin", sagt er auf Englisch.

 Die alten Module, hier im Stellwerk Ramersdorf, tauschen die Stadtwerke gegen ein neues digitales Stellwerk aus. Nun ist das am Hauptbahnhof dran.

Die alten Module, hier im Stellwerk Ramersdorf, tauschen die Stadtwerke gegen ein neues digitales Stellwerk aus. Nun ist das am Hauptbahnhof dran.

Foto: Martin Magunia

Altes Stellwerk in Bonn stammt aus den 70er Jahren

Die nun anstehenden Arbeiten in Bonn betreffen das zentrale Stellwerk am Hauptbahnhof, das aus den 1970er Jahren stammt und für die Sicherheit auf dem Streckenabschnitt von dort bis zur Olof-Palme-Allee zuständig ist. Es funktioniert mit elektronischen Relais, wie Angela-Maria Franken, Bereichsleiterin Verkehrsplanung bei den SWB, dem GA sagte. „Wir haben die Technik schon in den letzten beiden Jahren eingebaut, meist in den Nächten, um die Auswirkungen für die Fahrgäste möglichst gering zu halten“, erklärte Franken. Im August sei nun geplant, die fast fünfzig Jahre alte Technik ab- und das neue digitale Stellwerk anzuklemmen. Dafür bräuchten die Techniker Zeit, nicht zuletzt, um das neue System auf Herz und Nieren zu testen.

Mit dem Austausch der gesamten Technik ist laut Franken eine mittlere zweistellige Millioneninvestition verbunden. Für das alte Stellwerk gebe es kaum noch Ersatzteile, auch seien nur noch wenige Spezialisten auf dem Markt, die sich damit auskennen. Diese beiden Punkte nennt sie als Hauptgründe für die neue Anlage. Ersparnisse könnten sich auf lange Sicht ergeben, weil die digitale Technik weniger anfällig Bauteile erfordert und Änderungen in einem höheren Maß als bisher über die Fernwarte vollzogen werden können. Verbesserungen durch eine präzisere Schaltung lägen höchstens im Sekundenbereich.

Straßenbahnlinien im August nicht betroffen

Die Stellwerke steuern zuvorderst die Stadtbahnen und nicht die Straßenbahnen, die mit dem Bahnhof Ramersdorf lediglich eine unterirdische Haltestelle anfahren. Deshalb sind die Linien 61 und 62 von der Maßnahme im August nicht direkt betroffen.

Wohl aber fällt eine Großveranstaltung in der Rheinaue in die Ausfallzeit der Bahnen. Die Stadtwerke beraten den Veranstalter, wie sich die An- und Abfahrt zum Schlagerfestival Lieblingslieder, das den vielversprechenden Untertitel „Deutschlands größtes Ohrwurm-Spektakel“ führt, innerhalb dieser Zeit auf die Beine stellen lässt. Franken zufolge werden Ersatzbusse für die Stellwerkserneuerung vor allem über den Hauptbahnhof fahren. Das Festival am Samstag, 6. August, bei dem unter anderem Dieter Bohlen, Michelle, DJ Ötzi und Marianne Rosenberg erwartet werden, soll mit Bussen von der Bahnhaltestelle UN-Campus zum Festivalgelände in der Rheinaue angefahren werden. Der Veranstalter habe die Kosten für zusätzliche Fahrten zu tragen.

Überdies standen bei den Stadtwerken in den ersten drei Ferienwochen vom 25. Juni bis zum 16. Juli Gleiserneuerungen am Konrad-Adenauer-Platz, in der Sankt Augustiner Straße, an der Berliner Freiheit und in Sankt Augustin an.

Sanierung der Oxfordstraße seit 4. Juli

Vom 4. bis zum 20. Juli ist die Stadt Bonn in die zweite Bauphase auf der Oxfordstraße eingetreten, um die aufwendige Asphaltdeckensanierung vorzunehmen. Während der 17-tägigen Bauzeit richtete die Stadt im Abschnitt zwischen Wilhelmstraße und Kölnstraße eine Spur je Fahrtrichtung für den motorisierten Individualverkehr ein – und zwar über die Gleisanlagen, auf denen sonst die Bahnlinien 66 und 62 fahren. In diesem Zeitraum können keine Bahnen zwischen Bonn Hauptbahnhof und Bertha-von-Suttner-Platz fahren. Stattdessen entsenden die SWB Busse.

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