Thebäer-Forscher Beat Näf "Bonn hat sich vom Münster aus entwickelt"

BONN · Was Geschichte und was Legende ist an den Bonner Stadtheiligen Cassius und Florentius, erklärt Professor Beat Näf von der Uni Zürich im Rahmen des Stadtpatronefestes. Am Donnerstag, 11. Oktober, spricht er ab 18.45 Uhr im Kreuzgang des Münsters bei einem Abend mit Musik und Schauspiel. Der GA sprach vorab mit dem Wissenschaftler.

 Bald als Referent in Bonn: der Historiker Beat Näf.

Bald als Referent in Bonn: der Historiker Beat Näf.

Foto: ga

Die beiden römischen Soldaten Cassius und Florentius werden seit 1300 Jahren als Märtyrer im Bonner Münster verehrt. Sie sind Historiker und beschäftigen sich mit den Legenden über die Heiligen der thebäischen Legion. Was ist Legende und was stimmt an der Erzählung der Bonner Stadtpatrone?
Beat Näf: Zuerst einmal möchte ich erklären, was Legenden sind. Es handelt sich um Texte, die an den Gedächtnistagen der Heiligen vorgelesen wurden und noch immer werden. Das heißt, sie sind etwas Historisches, und man weiß jeweils auch einiges über ihre Entstehungszeit und ihre Bedeutung. Die Legenden vom Martyrium der Angehörigen der Thebäischen Legion setzen im ausgehenden 4. Jahrhundert nach Christus ein. Sie knüpften unter anderem an der Erinnerung an die großen Christenverfolgungen an. Die Berichte über die Bonner Stadtpatrone sind viel jünger, nämlich mittelalterlich. Wenn man fragt, was an ihnen historisch sei, so ist als erstes zu sagen: Die Verwendung dieser Texte in den damaligen christlichen Gemeinschaften.

Wie entwickelte sich die religiöse Verehrung?
Näf: Cassius und Florentius sind in Bonn seit 691 bezeugt. Es kann sein, dass der Kult älter ist. Das heutige Münster steht an einem Ort, an dem es reiche Überreste aus römischer Zeit gibt. Ich kann im Einzelnen nicht auf das eingehen, was man bisher gefunden hat. Die Interpretation dieser Zeugnisse muss sorgfältig erfolgen. Allgemein kann man sagen, dass die Thebäerverehrung ihre Anfänge im 4. Jahrhundert hat und dann in den frühmittelalterlichen Reichen wichtig wurde. Die Soldaten der Thebäischen Legion waren berühmt und in zahlreichen Städten mit römischen Wurzeln kam man im Mittelalter zum Schluss, unter den römischen Soldaten der Vorzeit hätten sich auch Thebäer befunden, so auch in Köln.

Warum kam es zu dem Kult um die beiden Stadtpatrone?
Näf: Die römischen Soldaten Cassius und Florentius gehören zu einer Überlieferung, die zeigt, dass die Hauptaufgabe der Christen darin liegt, den Geboten Gottes zu folgen. Das ist ihr Dienst. Die Legenden um die Thebäerheiligen machten Reklame für den Dienst Christi und für ein asketisches Leben. An den Orten, wo die Thebäerheiligen verehrt wurden, entstanden Kirchen, Klöster und Pilgerorte, am frühesten in Saint-Maurice. Die Legenden halfen ebenso bei Aufbau kirchlicher Strukturen. Bischöfe waren dabei wichtig. Die neuen Einrichtungen der Kirche übernahmen zahlreiche soziale Aufgaben. Der Kult um die Bonner Stadtpatrone spiegelt solche geschichtlichen Entwicklungen.

Hatte die Verehrung auch eine gesellschaftspolitische Bedeutung?
Näf: Natürlich. Die kirchlichen Einrichtungen halfen zum Beispiel Armen und Kranken. Die Kirchen und Klöster waren auch Zentren der Bildung. Anhand unter anderem von Heiligenlegenden wurde der Umgang mit Sprache und Text eingeübt. Die Thebäerheiligen waren überdies Heilige des Deutschen Reiches. Schon die Burgunder und Franken hatten auf ihre Hilfe gehofft. Die Heiligen sind über das Mittelalter hinaus wichtig geblieben. Davon zeugen eben auch die zahlreichen Patrozinien, so auch in Bonn, aber auch in Zürich, wo ich herkomme.

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