Sperrung aufgehoben Rund 500 Landwirte nehmen an Demo in Bonn teil

Update | Duisdorf · In Bonn haben am Montag Hunderte Landwirte vor dem Landwirtschaftsministerium in Bonn demonstriert. Die Rochusstraße war währenddessen gesperrt. Inzwischen ist die Sperrung aufgehoben.

Demo in Bonn: Hunderte Landwirte demonstrieren mit Traktoren - Bilder
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Hunderte Landwirte demonstrieren in Bonn

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Foto: Benjamin Westhoff

Das Bild war schon beeindruckend: Die Traktoren standen auf der Rochusstraße, am Rande des Meßdorfer Felds, seitlich der Provinzialstraße: Um 2 Uhr in der Früh hatten sich manche Landwirte aus der Heimat auf den Weg nach Bonn gemacht. Aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachen, Hessen und dem Saarland kamen sie mit 40 Stundenkilometern über die Landstraßen angetuckert, um vor dem Bundeslandwirtschaftsministerium gegen einen Vorschlag der EU-Kommission zu protestieren, der im Juni öffentlich wurde.

Die Reform der Pestizidrichtlinie sieht nach diesem Papier vor, dass die Bauern den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel bis 2030 um die Hälfte reduzieren sollen. Zu lesen ist darin auch, dass in sensiblen Bereichen wie Landschaftsschutzgebieten der Einsatz künftig ganz verboten sein soll.

Was die Landwirte davon halten, ist in Plakatform auf ihren Treckern zu lesen: „Keine Versorgungssicherheit ohne Pflanzenschutz“, „Grüne Ideologie zwingt uns Bauern in die Knie“. Es sind denn auch deutlich mehr als die vom Veranstalter angemeldeten 500 Demonstranten auf 200 Traktoren, für deren Besuch die Bonner Polizei von 10 bis 15 Uhr die Rochusstraße fünf Stunden lang für Autos gesperrt hat. Wie viele genau, vermag die Polizei am Nachmittag nicht zu sagen.

Unter ihnen befindet sich auch Albert Schmitz, dessen Familie seit mehr als 300 Jahren Landwirtschaft in Wachtberg betreibt. Schmitz hat vor einem Jahrzehnt auf biologische Landwirtschaft umgestellt. Er erfüllt Standards, die über die gültigen EG-Richtlinien hinausgehen. Auch er wäre betroffen, wenn der Vorschlag der Kommission eins-zu-eins umgesetzt würde. „Wir benutzen beispielsweise biologische Pflanzenschutzmittel zur Bekämpfung von Apfelwickler-Larven“, sagt Schmitz.

„Verkauf von Bio-Waren geht zurück“

Wenn ihm der Einsatz verboten würde, könnte er weniger Ertrag erwirtschaften. Doch könne er nicht einfach die Mehrkosten an die Abnehmer weitergeben. Die derzeitigen Krisen und die damit verbundenen Teuerungen für die Konsumenten führten jetzt schon sichtbar dazu, „dass der Verkauf von Biowaren zurückgeht“, erklärt Schmitz.

„Auf unseren Flächen in Villip und Pech haben wir eigentlich eine Vielfalt, die jeder haben will. Wirtschaftlich lohnt sich das aber jetzt schon nicht mehr“, sagt er. Äpfel, Birnen und Stachelbeeren will er weiter ziehen. Aber die Produktion von Stangenbohnen in allen möglichen Varianten, Beeren und Rote Beeten will er einstellen und Flächen verpachten. Schmitz‘ Problem: Seine Äcker liegen wie der Großteil der landwirtschaftlichen Flächen in Nordrhein-Westfalen im Landschaftsschutzgebiet.

Auch Hubert Fell, Landwirt aus Heinsberg, spricht über die Kräfteverhältnisse am Markt. Der Handel und die Käufer bestimmten die Preise. Als Getreidebauer müsse er vorausschauend planen und brauche Planungssicherheit. Wenn er als heimischer Landwirt zu den Konditionen, die die Abnehmer anbieten, nicht mehr liefern könne, „bin ich ganz schnell weg vom Fenster“.

„Umweltschutz geht nur mit uns Bauern“

Auf der Bühne direkt vor dem Eingang zum Ministerium macht Ansgar Tubes seinem Ärger Luft und erntet dafür gehörig Applaus. Der Vorstand des Vereins Land sichert Versorgung NRW (LsV), das an diesem Tag zur Demonstration aufgerufen hatte, erinnert an ein Versprechen. Die Politik habe den Bauern einst vor der Ausweisung von Schutzgebieten in der Fläche zugesichert, dass sie ihre Felder weiterhin werden bewirtschaften können. Sollte der Vorschlag in der vorliegenden Form kommen, gleiche das einem Vertragsbruch. Die Erträge würden sinken, die Kosten steigen. Das werde zulasten der Ärmsten gehen, die die hohen Preise nicht mehr zahlen können. Aus seiner Rede geht deutlich hervor, dass er die Landwirte beim Natur- und Umweltschutz zu Unrecht an den Pranger gestellt sieht. „Umweltschutz geht nur mit uns Bauern und nicht ohne uns“.

Und so spricht auch Bernhard Conzen, Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes, von „unhaltbaren Forderungen“. Vorsichtig optimistisch sei er, dass die deutschen EU-Politiker und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir Vertrauen in die Landwirte haben und sich in Brüssel für einen gangbaren Kompromiss einsetzen.

Özdemir ist nicht persönlich vor Ort, lässt sich aber von seiner Staatssekretärin Silvia Bender (ebenfalls Grüne) vertreten. Bender hat keinen leichten Stand an diesem Tag. Immerhin aber sagt sie, dass über den EU-Vorschlag derzeit mit den Ländern beraten würde. Die Auflagen, in Landschaftsschutzgebieten gar keine Pestizide mehr einsetzen zu dürfen, gehe aus Sicht des Ministeriums zu weit. Das Hauptziel der Reform, einen geringeren Einsatz von Pflanzenschutzmittel, teile das Ministerium hingegen, sagt die Agrarwissenschaftlerin.

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