Herr Sridharan, sind Sie eigentlich schon getestet worden?
Interview mit Ashok Sridharan „Die meisten Bonner halten sich ans Verbot“
Bonn · Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan spricht im GA-Interview über die Arbeit von Verwaltung und Politik, die Disziplin der Bürger in der Corona-Krise und deren finanzielle Folgen.
Die Stadt Bonn steht in der Corona-Krise vor einer Riesenherausforderung. Mit Oberbürgermeister Ashok Sridharan sprachen Helge Matthiesen, Lisa Inhoffen und Rüdiger Franz.
Ashok Sridharan: Nein. Ich habe bisher weder Symptome gehabt noch unmittelbaren Kontakt zu einer Person, die selber am Coronavirus erkrankt ist. Demnach musste ich auch noch nicht getestet werden.
Gibt es Engpässe bei Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln etwa im Gesundheitsamt und für die Stadtverwaltung allgemein?
Sridharan: Wir haben keine akuten Engpässe, allerdings sind wir auch darauf angewiesen, dass wir Nachlieferungen bekommen, die vom Land über die Bezirksregierungen organisiert werden. Wir bemühen uns aber selbst auch unmittelbar um Lieferungen. Und wir bekommen netterweise Hinweise aus der Bevölkerung, wo es Nachschub zu kaufen gibt. Dem gehen wir dann sehr schnell nach.
Wie bewerten Sie das Verhalten der Bonner nach dem Erlass des Kontaktverbots?
Sridharan: Ich möchte betonen, dass ein Kontaktverbot noch keine Ausgangssperre ist. Es ist weniger einschneidend. Ich habe die Wahrnehmung, dass die allermeisten Bonnerinnen und Bonner sich an die Vorgaben halten. Diejenigen, die ich treffe und wo ich merke, sie haben das noch nicht wahrgenommen, spreche ich an und stoße damit auf größtes Verständnis.
Das heißt, die Stadt muss mit Zwangsmitteln gar nicht so viel arbeiten, sondern man kommt mit dem Gespräch und Aufklärung auch gut weiter?
Sridharan: Nein, wir haben auch durchaus Verstöße geahndet. Es gibt Menschen , die sich daran nicht halten. Wir haben bisher insgesamt 90 kostenpflichtige Anzeigen geschrieben.
Werden die Anzeigen in angemessener Zeit abzuarbeiten sein?
Sridharan: Davon gehe ich aus. Bürgeramtsleiter Günter Dick hat zugesichert, dass die städtischen Ordnungsaußendienstkräfte sofort handeln und die Nachbearbeitung der Anzeigen im Büro sehr zeitnah erfolgen würden. Wenn es Engpässe gibt, sind wir in der Lage, zusätzliches Personal bereitzustellen. 27 Bußgeldbescheide sind bis zum Wochenende bereits verschickt worden.
Gibt es bei den städtischen Allgemeinverfügungen Regeln, die über das hinaus gehen, was das Land erlassen hat?
Sridharan: Ursprünglich nicht, das Land hat aber seine Rechtsverordnungen und Erlasse bis zum 19. April befristet. Unsere Allgemeinverfügungen, die auf diesen Erlassen basieren, sind unbefristet. Aber wir können sie von heute auf morgen ändern beziehungsweise aufheben. Wir achten genau darauf, wie sich die Situation entwickelt. Für den Fall, dass über mehrere Tage eine Entspannung eintritt und das Land seine Erlasse zurücknimmt, wäre die Stadt in der Lage, genauso schnell ihre Verfügungen zurückzunehmen.
Stadtdirektor Wolfgang Fuchs hat als Leiter des Corona-Krisenstabs die Bürger explizit ermuntert, Verstöße bei der Stadt zu melden. Ist das gut für das gesellschaftliche Klima, zu so etwas zu ermuntern?
Sridharan: Es gibt Menschen, die sich an uns wenden, weil sie Sorge vor einer weiteren Verbreitung des Virus haben. Diese Menschen, die sich bisher an uns gewandt haben, nehmen wir ernst, und wir prüfen, wie wir da weiter vorgehen müssen. Ich persönlich möchte und werde nicht dazu aufrufen, andere zu beobachten und Verstöße zu melden. Ich finde, dass wir diese Krise nur gemeinsam und mit einem hohen Maß an gegenseitiger Rücksichtnahme, Solidarität und auch Vertrauen durchstehen können.
Das war also nicht mit Ihnen abgestimmt?
Sridharan: Der General-Anzeiger hat Herrn Fuchs dazu interviewt, da war ich nicht dabei. Insofern kann das gar nicht mit mir abgestimmt sein. Im Nachgang habe ich Herrn Fuchs natürlich gesagt, dass das nicht meine Meinung ist.
Warum leitet eigentlich der Stadtdirektor und nicht der Oberbürgermeister den Krisenstab?
Sridharan: Das ist genau in einem Runderlass des Landes zum Krisenmanagement durch Krisenstäbe geregelt. Aus dem ergibt sich, dass die politisch gesamtverantwortliche Führung beim Oberbürgermeister liegt und der Krisenstab diesem unterstellt Ist. Der Krisenstab wird vom Stadtdirektor geleitet und ist getrennt vom Oberbürgermeister tätig, damit Krisenstab und Oberbürgermeister unabhängig voneinander arbeiten können, wenn das erforderlich ist. Trotzdem halte ich es in der jetzigen Situation für eine Selbstverständlichkeit, an praktisch allen Sitzungen des Krisenstabs teilzunehmen.
Wie sind sie mit dem städtischen Krisenmanagement zufrieden? Von außen betrachtet hat man manchmal den Eindruck, es dauert, bis die Informationen ganz klar sind?
Sridharan: Den Eindruck teile ich nicht. Wir als Stadt und auch ich persönlich kommunizieren täglich. Wir laden mindestens zweimal pro Woche zur Pressekonferenz ein und beantworten zudem ganz viele Anfragen, die über die sozialen Medien eingehen. Außerdem gibt es regelmäßig Videos, die online abrufbar sind, zum Beispiel auf unserer Homepage bonn.de. Nach den Rückmeldungen, die ich bekomme, fühlen sich die Menschen gut informiert und sind auch dankbar dafür.
Bei der geplanten Allgemeinverfügung zur Schließung der Hotels holperte es aber gewaltig. Die Verfügung ist erst einmal wieder in die Schublade gewandert, nachdem einige Hoteliers gegen die Komplettschließung protestiert haben. Hat die Stadt Bonn mit der angekündigten Schließung vorschnell gehandelt?
Sridharan: Ich denke nicht, dass die Stadt Bonn vorschnell gehandelt hat. Andere Städte hatten die Schließung bereits veranlasst, aber eben nicht alle. Ich kann die Hoteliers gut verstehen, die gerne eine ordnungsbehördliche angeordnete Schließung hätten. Allerdings liegt in einer Kommune in NRW, in der die Hotels komplett geschlossen wurden, inzwischen die Klage eines Hoteliers gegen die Schließung vor. Es handelt sich um ein Eilverfahren, das wir abwarten wollen. Wir müssen uns aber unabhängig davon darum kümmern, wie wir den Hotelbetrieben wirtschaftlich helfen können. Dazu bin ich mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband im Gespräch.
Blicken wir nach vorne. Das Ganze wird die Kommune viel Geld kosten. Wie viel, kann man zurzeit noch nicht sicher sagen, weil man ja auch nicht weiß, wie lange das noch dauert.. Gibt es aber vielleicht schon eine Hochrechnung.
Sridharan: Eine Hochrechnung über alles gibt es noch nicht. Wir können höchstens etwas zu den Maßnahmen sagen, die wir schon in die Wege geleitet haben. Wir sind eine der ersten Kommunen, die mitgeteilt haben, dass wir keine Elternbeiträge für die Kitas und Offene Ganztagsschulen einziehen werden, solange die Krise andauert. Das sind rund 2,5 Millionen Euro für April, die mit Zustimmung aus dem Stadtrat zur Hälfte aus dem Haushalt gestemmt und zur anderen Hälfte vom Land übernommen werden. In anderen Bereichen, wie bei verpachteten und von der Schließung betroffenen städtischen Liegenschaften, wäre ein Erlass der Pacht für die Dauer der verfügten Schließung denkbar. Eine entsprechende Dringlichkeitsentscheidung ist bereits auf den Weg gebracht, weil das natürlich durch den Stadtrat entschieden werden muss. Das gilt auch hinsichtlich der Sondernutzungsgebühren für die Außengastronomie.
Wie begegnen Sie Unternehmen und Organisationen, die derzeit ins Schleudern geraten?
Sridharan: Erste Schritte waren beispielsweise der Solidarfonds für die freie Kulturszene oder auch die Aussetzung der Elternbeiträge für Kindergärten und Offene Ganztagsschulen sowie der Verzicht auf Pachten und Sondernutzungsgebühren für die Außengastronomie. Zusammen mit reduzierten Gewerbesteuerzahlungen gehe ich von einem siebenstelligen Betrag aus, den wir als Stadt beisteuern. Daneben haben Bundestag und Bundesrat in den vergangenen Tagen einen Maßnahmenkatalog zur Stärkung der Wirtschaft beschlossen, Landesregierung und Landtag werden in den kommenden Tagen ebenfalls über Unterstützung beraten. Ich bin zuversichtlich, dass auch von Landesseite umfangreiche Maßnahmen beschlossen werden, die dann den Unternehmen vor Ort helfen. Aber auch hier können wir uns alle solidarisch zeigen, indem wir zum Beispiel unsere Einkäufe online bei Bonner Geschäften erledigen und in der Bonner Gastronomie unser Essen bestellen und abholen oder liefern lassen.
Die Ratsarbeit ruht ja derzeit weitgehend. Gibt es schon eine Perspektive, wie und wann es weitergehen kann?
Sridharan: Ja, hier gibt es zwei Alternativen, die wir in Absprache mit der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden erwägen: Zum einen besteht die Möglichkeit, mit Sitzungen des Hauptausschusses sämtliche andere Sitzungen zu ersetzen. Zum anderen ließen sich die Sitzungen mit einem deutlich verkleinerten Stadtrat durchführen. In beiden Fällen sind noch rechtliche Fragen zu klären. Wir haben die Landesregierung hier um Klärung gebeten, weil wir nach den Osterferien den Sitzungsbetrieb wieder aufnehmen wollen.
Werden die Fraktionsspitzen ausreichend in das städtische Handeln eingebunden?
Sridharan: Die Fraktionen haben von uns eine Liste mit all den Vorgängen erhalten, die wir per Dringlichkeitsentscheidung erledigen wollen. Diese Liste wird laufend aktualisiert. In den beiden vergangenen Wochen gab es je eine Besprechung mit den Fraktionsvorsitzenden, das wird auch fortgesetzt. Darüber hinaus erhalten die Fraktionen alle Pressemitteilungen, zudem gibt es den Rats-Newsletter für die Kommunalpolitik zur Kommunikation dringender Angelegenheiten.
Viele Unternehmen wechseln im Moment auf Kurzarbeit. Ist Ressourcenüberschuss auch ein Thema in der Stadtverwaltung?
Sridharan: Mitarbeiter, die derzeit nicht so viel zu tun haben, versuchen wir in Abteilungen einsetzen, die im Augenblick extrem gefordert sind. Ich meine damit nicht nur Feuerwehr, Rettungsdienst, Pflegepersonal und Diagnostikzentrum. Denken Sie auch an all jene, die die Kollegen in der vorderen Reihe unterstützen. Bei all denen, auch den Ehrenamtlern und den Menschen, die auch während der Krise für die Allgemeinheit und die Erkrankten da sind, möchte ich mich an dieser Stelle herzlich für ihre großartige Leistung bedanken.
Sie haben im Haus und darüber hinaus also die Unterstützung, die Sie sich wünschen?
Sridharan: Ein uneingeschränktes Ja.
Gibt es Dinge, bei denen Sie sagen: Hier müssen wir uns bald um Lösungen kümmern?
Sridharan: Ich kann Ihnen sagen, dass wir täglich mit Fragen konfrontiert sind, für die es dann schnell eine Lösung geben muss. Dazu gehören auch ganz persönliche Bedürfnisse, mit denen Menschen an uns herantreten. Nur ein Beispiel sind die vielen Zuschriften von werdenden Eltern, die sich nicht damit abfinden wollten, dass Väter nicht mehr bei der Geburt dabei sein dürfen. In einem Gespräch mit einer leitenden Hebamme habe ich mich dafür eingesetzt, dass Väter bei der Entbindung dabei sein können. Ich bin selbst bei der Geburt unserer drei Söhne dabei gewesen und kann die Empfindungen der Betroffenen sehr gut verstehen. Ich bin mit meiner Verwaltung und vielen ehrenamtlich Tätigen für die Bonnerinnen und Bonner da, an sieben Tagen in der Woche.
Ihr Düsseldorfer Kollege Thomas Geisel hat sich dafür ausgesprochen, die Kontaktsperren zumindest zu überdenken, unter anderem aus Sorge um den sozialen Frieden. Was sagen Sie dazu?
Sridharan: Ich finde, dass die Maßnahmen der Landesregierung schon sehr ausgewogen und angemessen sind. Wir reden hier über die Einschränkung grundgesetzlich verbürgter Grundrechte, die nur in absoluten Ausnahmesituationen und nur temporär zulässig ist. Insofern finde ich es auch richtig, dass es in Nordrhein-Westfalen keine Ausgangssperre gibt, sondern ein Kontaktverbot. Ich würde nicht so weit gehen, das jetzt schon wieder zu lockern. Wir müssen gemeinsam dafür Sorge tragen, dass sich das Virus nicht weiter ausbreitet.