Denkmalschutz in Bonn Stadtkonservatorin verteidigt Foodtruck-Verlegung

Interview | Bonn · Stadtkonservatorin Katrin Bisping von der Unteren Denkmalbehörde verteidigt die Verlegung eines Foodtrucks zugunsten des Blicks auf das Poppelsdorfer Schloss. Zudem spricht sie über den umstrittenen Aire Turm und die Eisbahn am Stadtgarten.

     Muss für ihre Hilfsaktion ständig den Standort wechseln: Irini Koutziari vor ihrem Foodtruck

Muss für ihre Hilfsaktion ständig den Standort wechseln: Irini Koutziari vor ihrem Foodtruck

Foto: Martin Wein

Der Umgang städtischer Denkmalschützer mit dem öffentlichen Leben hat in den letzten Tagen wieder viel Kritik erfahren. Stadtkonservatorin Katrin Bisping stellt sich dazu den Fragen von Martin Wein. Dabei geht es nicht nur um Sichtachsen, sondern auch um das umstrittene Turmprojekt und historische Büroschilder.

Wir durchleben eine weltweite Pandemie mit ungewissem Ausgang. In dieser Zeit sorgen Sie sich um historische Blickachsen. Können Sie nachvollziehen, dass viele Bürger dafür kein Verständnis haben?

Katrin Bisping: Ich kann verstehen, wenn Bürger sich empören, weil sie denken, dass eine historische Sichtachse soziales Engagement verhindern soll. Das war aber hier gar nicht der Fall, und ich kann ja meine Arbeit nicht in der Pandemie aussetzen.

Das heißt mit anderen Worten, ein Foodtruck in der Sichtachse muss auch in Corona-Zeiten weichen?

Bisping: Wenn ich eine Anfrage mit einem denkmalrechtlichen Belang bekomme, dann muss ich diesen prüfen. In diesem Fall gab es eine Beschwerde eines Bürgers. Ich habe vorgeschlagen, dass der Truck vielleicht einfach zwei Meter weiter links stehen könnte.

Aber so ist es nicht gelaufen. Der Foodtruck musste danach wieder an eine andere Stelle jenseits der Bahnunterführung, wo er vorher bereits stand.

Bisping: Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Das ist nicht meine Entscheidung gewesen.

Aber es gibt doch sicher eine Güterabwägung. War die Reaktion auf eine Bürgerbeschwerde im Fall des Foodtrucks, der sonntags für eine Stunde Essen an Obdachlose verteilt, nicht klar überzogen?

Bisping: Ich muss natürlich abwägen: Ist es verhältnismäßig, wenn etwas für eine Stunde in der Woche in der Sichtachse steht? Da sagt die Abwägung klar: Ein Verbot wäre unverhältnismäßig. Aber es gibt eben nicht nur den Foodtruck, sondern auch ganz viele andere Anbieter, die alle dort jeweils für eine Stunde stehen. Deshalb macht es Sinn, einen anderen Standort zu suchen. Denkmalschutz ist der Respekt vor der Leistung unserer Vorfahren und damit etwas sehr Nachhaltiges. Natürlich respektiere ich genauso die Kunden des Foodtrucks. Ich finde es nicht korrekt, beides gegeneinander auszuspielen.

Der zweite aktuelle Streitfall dreht sich um die Eisbahn. Was stört Sie daran?

Bisping: Der Umgebungsschutz betrifft in erster Linie das Kurfürstliche Schloss. Hier ist vor allem das Verhältnis der Eisbahn zum Koblenzer Tor relevant. Als temporäre weiße Wand ist das Hauptzelt heute in der Abwägung akzeptabel. Wir sind aber grundsätzlich in der Situation, dass nach dem Verlust der Museumsmeile als Standort 2012 ein schlecht geeignetes Provisorium sich verstetigt. Der Stadtgarten ist für eine Eisbahn eigentlich zu klein, und sie wuchs über Jahre mit jedem Antrag. Die Anlagen hängen teils in Blumenbeeten, halb in Bäumen. Zunächst stand die Baustelle am Schloss und im Stadtgarten an. Da haben wir ein Auge zugedrückt. Wir alle wünschen uns ja eine Eisbahn für Bonn. Ich fahre selbst gerne Schlittschuh.

Aber zuerst wurde die angehängte Aluhalle im rückwärtigen Teil doch nicht genehmigt?

Bisping: Der Antrag in diesem Jahr kam wieder mit Unterlagen, die eigentlich nicht prüffähig waren. Erst nach der ersten Baugenehmigung hat der Antragsteller Ende Juli einen vermaßten Plan eingereicht. Auf dieser Grundlage, und weil die Denkmaleigenschaft des Stadtgartens nicht gegeben ist, können wir dem nun zustimmen. Die hintere Eisbahn hat, wie Sie zu Recht berichtet haben, für die Sichtachse aufs Schloss keine Relevanz. Angesichts von Corona wäre ein offener Bereich aber trotzdem vielleicht nicht verkehrt.

Der Stadtgarten wird also nicht unter Schutz gestellt?

Bisping: Wir haben keine Eintragung vorgenommen. Das Gutachten des LVR-Amtes gab das inhaltlich nicht her. Die Frist zur Nachschärfung wurde verpasst.

Ist diese Entscheidung verbindlich?

Bisping: Es gibt keine gesetzliche Regelung, die ein neuerliches Verfahren ausschließt. Es ist eigentlich Konsens, einen abgeschlossenen Fall nicht erneut aufzurollen. Ich kann aber nicht vorhersagen, wie so ein Garten oder anderes mögliches Denkmal in zehn oder 20 Jahren gesehen wird.

Welche Sichtachsen in Bonn stehen sonst unter Schutz?

Bisping: Es gibt wenige Eintragungstexte, in denen die Sichtachse explizit erwähnt ist. Die Sichtbeziehungen zum Siebengebirge sind das Hauptthema, noch mehr als der Rhein. Ein Klassiker ist auch die Sicht von der Stadt auf die Godesburg und von der Burg aufs Siebengebirge. Auch die Kirchen der Stadt kommunizieren miteinander, solange die Bebauung dazwischen niedriger ist.

Bisping: Ich glaube schon, dass ein so großer Bau einen erheblichen Eingriff in die Silhouette von Bonn darstellt. Die Frage ist: Stört er die Denkmaleigenschaft beispielsweise des Bonner Münsters, der Kreuzkirche oder des Langen Eugens? Das kann ich so ohne Weiteres nicht beantworten. Für die Schönheit der Stadt sind wir dagegen nicht zuständig. Dafür gibt es die Stadtplanung.

Leserbriefschreiber bemängeln, dass an anderen Stellen wie dem Bahnhofsumfeld auf historische Bebauung etwa in der Maximilianstraße kaum Rücksicht genommen wird. Teilen Sie diese Einschätzung?

Bisping: In der Maximilianstraße stehen tatsächlich etliche Häuser ebenfalls unter Denkmalschutz. Es sind allerdings normale Gebäude, die historisch in einem geschlossenen Straßenzug standen. Daher ist hier keine Sichtachse zu beachten, da die Häuser ja auch früher ein Gegenüber hatten. Wo man eher streiten kann, ist der Blick aus der Poststraße auf den Bahnhof. Historisch ist der Bahnhof aber nicht exponiert gebaut worden wie beispielsweise das Poppelsdorfer Schloss oder die Godesburg.

Gibt es in Bonn überdurchschnittlich viele Baudenkmale, vielleicht auch durch die Zeit als Bundeshauptstadt?

Bisping: Mit über 4200 eingetragenen Denkmalen steht Bonn tatsächlich an Platz drei in Nordrhein-Westfalen. Natürlich gibt es Denkmale aus der Hauptstadt-Zeit. Ich kann aber nicht beurteilen, ob die nicht auch ohne diese Funktion eingetragen worden wären. Botschaftsgebäude ohne eine architektonische Aussage sind zum Beispiel nicht per se eingetragen worden.

Man hat das Gefühl, die halbe Stadt solle als Museum konserviert werden…

Bisping: Das Gesetz kennt keine repräsentativen Denkmale. Es reicht also nicht, fünf Häuser aus der Gründerzeit zu schützen. Jedes Gebäude muss aus sich heraus grundsätzlich den Anspruch, ein Denkmal zu sein, begründen. Bonn hat das Glück und das Pech, dass beispielsweise in der Südstadt ein großer Teil gründerzeitlicher Architektur erhalten geblieben ist und auch nicht zu stark umgestaltet wurde. In der Bonner Innenstadt ist durch die Kriegszerstörung fast nichts erhalten. Dort sind jetzt erst Nachkriegsbauten wieder potenziell interessant.

Wird sich dieser Bestand in Zukunft noch deutlich erhöhen?

Bisping: Als das Denkmalschutzgesetz in den 1980er Jahren in Kraft trat, hat man vorläufige Listen möglicher Denkmale angelegt und daraus eine Benehmensliste für die Abstimmung mit dem LVR-Landesamt angelegt. Aus dieser vorläufigen Liste sind noch immer rund 600 Objekte nicht bearbeitet. Inzwischen sind neue Zeitschichten hinzugekommen – so etwa die Reutersiedlung für junge Bundesbeschäftigte oder die Hicog-Siedlung. Und die Kommune wächst mit einem hohen Baudruck. Wir sind in dieser Gemengelage bemüht, die bestehende Liste abzuarbeiten. Nicht alles, was damals vorläufig registriert wurde, hat ja Denkmaleigenschaften oder ist 40 Jahre später noch erhaltenswert. Allerdings liegt unsere Priorität bei Anfragen von Bewohnern von Baudenkmalen, die etwas sanieren oder reparieren müssen. Die sollen möglichst schnell ihre Genehmigung erhalten. Zur systematischen Erfassung neuer Denkmale fehlt uns derzeit das Personal.

Für den Schutz gründerzeitlicher Häuser gibt es eine hohe Akzeptanz, weil sie als schön empfunden werden. Andererseits wird von der Sanierung der Kreuzbauten berichtet, dass dort nicht einmal die Namensschilder aus Plexiglas in den Fluren verändert werden durften. Das stößt auf Unverständnis.

Bisping: Landes- und Bundesimmobilien werden nicht von der städtischen Denkmalbehörde bearbeitet, sondern von der Bezirksregierung. Daher kenne ich den Fall nicht. Aber grundsätzlich soll ein Denkmal Aussagen treffen zur Bautechnik, zur Gesamtgestaltung oder zu Lebens- und Arbeitsbedingungen. Wenn wir einen Bürobau aus den 1960er Jahren unter Schutz stellen, weil alle Elemente noch vorhanden sind, die den damaligen Aufbruch und Gestaltungswillen repräsentieren, dann ist auch ein Türschild relevant. Vielleicht ist es eigens von einem Designer entwickelt worden und repräsentiert eine Büroausstattung in einer Qualität, die heute niemand mehr bezahlt. Da können Sie auch hier ins Stadthaus schauen, wo ebenfalls mit einer sehr hochwertigen Ausstattung bis zu den Türschildern geplant wurde.

Muss man doch noch damit rechnen, dass das Stadthaus ein Denkmal wird?

Bisping: Ich glaube, das Thema ist durch. Hier sind zu viele Veränderungen passiert.

Auch die Bonner Beethovenhalle steht unter Schutz. Dort werden auch Bauteile wie Armierungen geschützt, die gar nicht nach außen sichtbar sind. Wofür ist das gut? Historische Bautechniken könnte man doch auch anders dokumentieren.

Bisping: Intention ist grundsätzlich Überlieferung und Erhaltung des kompletten Baukomplexes inklusive der Bautechnik. Die ändert sich ja rasant. Wie soll denn in zehn oder 50 Jahren noch jemand wissen, wie man 1950 gebaut hat, wenn er es nicht ansehen kann? Wenn das aus Gründen der statischen Sicherheit oder einer unvertretbaren Unwirtschaftlichkeit nicht möglich ist, muss es zumindest gut dokumentiert werden. Wir haben zum Beispiel den Kompromiss gefunden, die Natursteinfassade der Halle nach heutiger Technik neu zu verankern. Ein kleines Feld, das keinen stört, bleibt aber im Original erhalten.

Von der CDU-Ratsfraktion gab es vor einem Jahr einen Auftrag zu ermitteln, wie hoch die zusätzlichen Kosten beim Umbau der Beethovenhalle durch Denkmalschutz-Auflagen ausfallen. Gibt es da eigentlich inzwischen Ergebnisse?

Bisping: Nein.

Einerseits ist Denkmalschutz zweifellos wichtig für das Gedächtnis einer Gesellschaft. Andererseits stört er regelmäßig vor allem die Bauherren. Fühlen Sie sich und Ihre Arbeit ausreichend wertgeschätzt?

Bisping: Das kommt ganz auf den Tag und die Person an, mit der ich zu tun habe. Gut läuft es, wenn Eigentümer sich frühzeitig melden und nach den Bedingungen etwa einer Sanierung fragen. Ich kann dann wertvolle Hinweise geben. Viele bedanken sich hinterher dafür, dass ich ihnen die Augen für den Wert ihres Baudenkmals geöffnet habe. Das ist der Moment, wenn ich denke, wir machen doch das Richtige.

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