Urteil vor dem Landgericht Bonn Keine Sicherheitsverwahrung nach Tötungsdelikt im Müllestumpe-Haus
Bonn · Das Bonner Landgericht hat an diesem Mittwoch keine Sicherungsverwahrung für den heute 26 Jahre alten Täter im Müllestumpe-Verbrechen verhängt. Er hatte damals einen 30-jährigen Mann mit Down-Syndrom getötet. 2023 endet seine Haft.
Die grausame Tötung eines 30-jährigen Bewohners im Haus Müllestumpe gehört zu den verstörendsten Verbrechen, die am Bonner Landgericht je verhandelt worden sind. Ein ehemaliger Bundeswehrsoldat, gerade 19 Jahre alt, war in den Abendstunden des 24. April 2015 gezielt mit einem Messer losgezogen, um einen Menschen zu töten. Das Opfer war ihm egal: Dem Behinderten mit Down-Syndrom, der in der betreuten Einrichtung lebte, war er zuvor nur einmal begegnet. Freunde hatten ihm erzählt, dass er wunderbar Keyboard spielen könne. Als er an dem Abend an der Tür des nichts ahnenden Bewohners klingelte, hatte dieser keine Chance: Der Täter stach unvermittelt neunmal zu, hinterließ auf der Flucht eine Blutspur bis nach Hause: Der 30-Jährige verstarb wegen der hohen Blutverluste noch in der Nacht.
Über die Frage der Sicherungsverwahrung musste das Bonner Landgericht jetzt – sieben Jahre später – entscheiden, denn im April 2023 endet die Haft für den 26-Jährigen. Zum Hintergrund: Der Mordprozess vor dem Bonner Jugendschwurgericht konnte die Gründe für die Tat nicht aufklären: Der 19-Jährige hatte fünf Monate lang auf der Anklagebank geschwiegen. Dass er die blutige Tat begangen hatte, war keine Frage: Er hatte das Verbrechen anschließend einem Freund, dem er zuvor auch von seinen Tötungsfantasien erzählt hatte, gestanden: „Der Behinderte ist tot. Ein Tod, wie Du es wolltest“, schrieb er ihm. Der Freund war entsetzt.
Aber ein Motiv für das grausame Geschehen war nicht erkennbar. Entsprechend konnte die 8. Große Strafkammer ihn nicht wegen Mordes – wie angeklagt – zur Verantwortung ziehen. So verurteilten sie ihn im April 2016 wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu acht Jahren Jugendstrafe und drohte ihm die Sicherungsverwahrung an, falls er sich nicht dem Verbrechen stellt. „Wenn der Grund für die Tötung nicht erkannt wird, ist eine solche Tat jederzeit wieder von ihm zu erwarten“, hieß es damals im Urteil.
In dem jetzigen Prozess zur Frage der Sicherheitsverwahrung wurde ein psychiatrischer Sachverständiger gehört. Die Beurteilung eines Gefängnispsychologen wurde verlesen. Die Fachleute kamen zu dem einhelligen Ergebnis, dass der Angeklagte auf „einem guten Weg“ sei. Demnach habe der damals 19-Jährige in den Wochen vor der Tat an einer „schizoaffektiven Störung" gelitten und sich in einem psychotischen Ausnahmezustand befunden. Fünf Jahre habe es gedauert, bis der Häftling in der Lage war, über sich und das Geschehen zu sprechen: Er vertraute sich erstmals einem JVA-Therapeuten an und erarbeitete mit diesem einen Notfall-Plan, falls er je noch einmal in eine solche psychiatrische Störung geraten sollte.
Diesmal sprach der Angeklagte auch mit den Richtern: „Eine logische Erklärung für die Tat habe ich nicht“, bekannte er. Damals habe er an „massiver Selbstaggression und auch großen Leere gelitten“ und Angst gehabt, dass man ihn in die Psychiatrie einsperrt. Vor der Tat bereits hatte er Suizidversuche unternommen – oder auch aus dem Fenster mit einem Luftgewehr auf Passanten gezielt. Diese Schüsse fielen am Vorabend der tödlichen Katastrophe.
„Eine hohe Gefahr, dass er eine solche Tat erneut begehen könnte, gebe es derzeit nicht“, hieß es am Ende des Verfahrens. Eine Sicherheitsverwahrung wurde nicht verhängt. Im letzten Wort zeigte sich der 26-Jährige dankbar: „Ich freue mich, dass Sie mir eine Chance geben zu beweisen, dass ich ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft sein kann.“