Streit mit der Krankenkasse Bonnerin kann seit zwei Jahren ihr Bett nicht verlassen

Bonn · Die Bonnerin Lisa von der Linden (30) benötigt aufgrund einer Behinderung einen speziellen Rollstuhl, um ihr Bett verlassen zu können. Ihre Krankenkasse verweigert die Kostenübernahme von 30 000 Euro. Der Grund: Für die Einzelanfertigung gibt es kein CE-Zeichen – und somit keinen Versicherungsschutz.

 Lisa von der Linden kann das Bett nicht verlassen und kommuniziert meist über ein Tablet, das über Ihrem Bett angebracht ist.

Lisa von der Linden kann das Bett nicht verlassen und kommuniziert meist über ein Tablet, das über Ihrem Bett angebracht ist.

Foto: Meike Böschemeyer

Seit gut zwei Jahren hat Lisa von der Linden ihr Bett nicht mehr verlassen. Dabei gäbe es für die 30-Jährige durchaus die Möglichkeit, trotz ihrer schweren Behinderung endlich mal wieder nach draußen zu kommen oder sich selbstständig in der eigenen Wohnung zu bewegen. Dafür benötigt sie allerdings einen speziellen Rollstuhl. Auf dieses dringend notwendige Hilfsmitteln wird sie wohl auch in Zukunft verzichten müssen. Denn aus „formalen Gründen“ lehnte ihre Krankenkasse die Kostenübernahme für das rund 30 000 Euro teure Gerät ab, obwohl der Medizinische Dienst die Anschaffung befürwortet, da sie „leidensgerecht“ sei. Das Schreiben liegt dem GA vor.

Wegen einer frühkindlichen Hirnschädigung leidet Lisa von der Linden unter einer spastischen Lähmung. Seit ihrer Geburt ist sie auf Hilfe angewiesen. Heute wird sie durchgehend 24 Stunden betreut. Ein Leben ohne fremde Hilfe ist nicht möglich. Zwar hatte sie in der Vergangenheit immer Hilfsmittel, um sich mit Unterstützung zu bewegen. Doch jetzt benötigt sie einen speziell für sie angefertigten Elektro-Rollstuhl. „Einen mit einem Druckentlastungssystem“, erklärt die 30-Jährige. Denn durch das derzeit genutzte Gerät wird zu viel Druck auf eine schlecht heilende Operationsnarbe am Rücken erzeugt. „Ich benötige einen Rollstuhl, der nicht nur nach vorne und hinten, sondern auch zur Seite kippen kann“, erklärt die junge Frau, die seit ihrem 19. Lebensjahr erwerbsunfähig ist.

Das automatische Rotieren des Rollstuhls zu allen Seiten würde zudem dazu beitragen, dass an ihrem Körper keine Druckstellen durch einseitige Belastungen entstehen. „Und ich könnte endlich selbst entscheiden, wie ich sitzen möchte. Ich müsste nicht immer jemanden um Hilfe bitten“, erklärt sie im GA-Gespräch. „Das wäre für mich ein enormer Vorteil. Denn seit einer Hüftoperation kann ich mich nicht mehr gezielt bewegen. Ein solcher Rollstuhl wäre ein großer Schritt hin zu einem halbwegs selbstbestimmten Leben“, erklärt die junge Frau.

Ohne CE-Zeichen kein Versicherungsschutz

Helfen würde ihr ein Gerät, das exakt nach ihren Bedürfnissen gebaut wird. Technisch ist das offenbar kein Problem. Aber da solche Hilfsmittel jeweils individuell angefertigt werden und nicht „von der Stange“ sind, fehlt das „CE-Zeichen“, mit dem nachgewiesen werden muss, dass europäische Richtlinien in Sachen „Gesundheitsschutz, Sicherheit und Umweltschutz“ eingehalten werden. Aber genau diese Kennung gibt es nicht für Einzelstücke. Fehlt diese Kennung, besteht im Schadensfall eventuell kein Versicherungsschutz.

Mit der Entscheidung ihrer Krankenkasse wollte sich die junge Frau jedoch nicht abfinden. Sie hat sich juristisch gewehrt und ist gescheitert. „Ich weiß von Behinderten in anderen Regionen, die mit der gleichen Argumentation wie ich gegen die Ablehnung vorgegangen sind, Recht bekommen haben“, reagiert sie enttäuscht.

Auf eine langwierige Auseinandersetzung kann sie sich jedoch nicht einlassen. „Ich habe einfach nicht die Zeit. Mit jedem Tag, den ich weiter ans Bett gefesselt bin, schwindet meine Beweglichkeit. Irgendwann werde ich nicht mehr aufstehen können“, sagt sie. Derzeit kann sie ihr Bett nur verlassen, wenn sie zum Arzt oder ins Krankenhaus muss und Sanitäter sie auf einer Liege transportieren.

Patienten resigniert

Die betroffene Krankenkasse will aus Gründen des Datenschutzes keine Angaben über „konkrete Versorgungsfragen“ machen. Ein Sprecher stellte hingegen die grundsätzliche Vorgehensweise vor: „Wird die medizinische Notwendigkeit für eine Versorgung bestätigt, gilt innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung das Wirtschaftlichkeitsgebot. Dieses besagt, dass – wenn es mehrere Hilfsmittel mit gleichen Eigenschaften für eine Versorgung gibt – immer das kostengünstigere Hilfsmittel zu wählen ist“, so Frank Großheimann von der BKK der Diakonie. Versicherte, die mit der Entscheidung ihrer Kasse nicht einverstanden seien, können Widerspruch einlegen und vor den Sozialgerichten klagen. „Dieser hier allgemein beschriebene Weg ist bindend und gilt für alle gesetzlichen Krankenkassen gleichermaßen“, erklärt der Sprecher weiter. Die BKK Diakonie stehe dafür, ihren Versicherten in einer transparenten Kommunikation Einblick in ihre Entscheidungen zu geben. „Diese Grundsätze sind für die BKK Diakonie genauso verpflichtend wie die Einhaltung exakt beschriebener und gesetzlich definierter Verfahrenswege“, ergänzt er.

„Mein Weg ist hier erst einmal zu Ende. Ich muss akzeptieren, dass ich keine Möglichkeiten habe, einen Rollstuhl zu bekommen, der sich genau an meinen Bedürfnissen orientiert“, sagt Lisa von der Linden und resigniert. Zur Not würde sie sich ein solches Hilfsmittel selbst kaufen. Doch die notwendigen 30 000 Euro hat sie nicht. „Es wäre mir egal, wenn der Rollstuhl keine CE-Kennung hat. Hauptsache ist, dass ich nach zwei Jahren endlich mal wieder mein Bett verlassen kann.“

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