SPD-Landtagskandidaten aus Bonn Möhlenkamp und Kunze fordern flexiblere Bildung

Interview | Bonn · Fünf Jahre nach der Abwahl von Rot-Grün im Düsseldorfer Landtag will die SPD wieder in die Regierung. Die beiden Bonner Landtagskandidaten der SPD, Magdalena Möhlenkamp und Gabriel Kunze, sprechen über die Politik von Schwarz-Gelb und ihre eigenen politischen Ziele.

 Magdalena Möhlenkamp und Gabriel Kunze treten als SPD-Direktkandidaten für die Landtagswahl am 15. Mai an.

Magdalena Möhlenkamp und Gabriel Kunze treten als SPD-Direktkandidaten für die Landtagswahl am 15. Mai an.

Foto: Benjamin Westhoff

Was hat aus Ihrer Sicht unter Schwarz-Gelb gut geklappt, was schlecht?

Gabriel Kunze: Es gibt schon ein paar Sachen, die auch überparteilich funktioniert haben. Ich denke an die Stärkung der Polizei mit mehr Personal. Das hat ja bereits unter der Regierung Kraft angefangen. Dass das beibehalten wurde, ist sicherlich gut. Im Bildungsbereich haben CDU und FDP das Programm Gute Schule fortgeführt, das ebenfalls unter der Vorgängerregierung begonnen hatte. Darüber hinaus ist das Ergebnis nicht erfreulich. Gut 8000 Lehrerstellen sind immer noch unbesetzt, viele Erzieherinnen und Erzieher fehlen in den Kindergärten. Auch das ständige Hin und Her mit den Corona-Vorschriften an den Schulen war unerträglich. Das müssen wir besser machen.

Was wäre Ihr wichtigstes Ziel für den Fall, dass Sie am 15. Mai gewählt werden?

Magdalena Möhlenkamp: Ich habe an der Universität Bonn angefangen, mich politisch zu engagieren. Damals wurden Studiengebühren in NRW eingeführt, und man erlebte, wie unsozial das ist und was für eine Belastung für viele Studierende. Die Studiengebühren wurden dann von der SPD-geführten Landesregierung wieder abgeschafft. Ich bin seitdem überzeugt, dass das Bildungssystem insgesamt, angefangen bei der Kita bis zur Schule, den Meister und die Universität gebührenfrei sein muss.

Kunze: Wenn wir uns anschauen, was in Sachen Klimawandel in den vergangenen Jahren passiert ist, war die Landesregierung ein Komplettausfall. Allein die Tatsache, dass wir so wenig neue Windkraftanlagen gebaut haben, weil es eben diese Abstandsregeln gibt. Das fällt uns jetzt auf die Füße. Diese Abstandsregel muss aufgehoben werden. Ich will außerdem einen Schwerpunkt in der Sozialpolitik setzen. Ich möchte starke Schulen, aber auch eine starke Jugendarbeit, eine starke Jugendhilfe.

Wir haben schon über die fehlenden Erzieherinnen gesprochen. Wie würden Sie das Problem lösen?

Möhlenkamp: Wir brauchen eine Bildungsoffensive, um mehr Fachkräfte bestens auszubilden. Speziell die Ausbildung von Erziehungs- und Lehrkräften müssen wir attraktiver machen. Aber ich würde da noch viel weiter gehen: Der Fachkräftemangel ist ja nicht nur im Bildungs- und Pflegewesen da. Bei der Polizei und in der Justiz ist es das Gleiche. In der IT-Branche und vielen weiteren zukunftsträchtigen Branchen werden ebenfalls händeringend Leute gesucht. Wir müssen Bildung viel flexibler und umfassender denken und mehr in die Menschen investieren. Es braucht die Chance für jeden jungen Menschen, sein Potenzial zu nutzen.

Stichwort Digitale Schule. Was müsste da passieren?

Kunze: Da werden große Investitionen nötig sein. Die Schulen müssen wir infrastrukturell auf die Digitalisierung vorbereiten. Was in diesem Zusammenhang gerne vergessen wird, ist der Umgang mit Medienbildung. Es ist das eine, ein Handy oder ein Tablet zu bedienen. Es ist etwas anderes, tatsächlich zu überlegen, was konsumieren wir da eigentlich. Wir müssen die jungen Menschen stärker aufklären, wie sie mit digitalen Medien kritisch umgehen.

Der Tausendfüßler soll auf sechs Spuren erweitert werden. Wie stehen Sie zu diesem Großprojekt?

Kunze: Ich persönlich möchte gerne, dass ein Radweg realisiert wird, auch wenn letztlich der Bund über den Bundesverkehrswegeplan zuständig ist. Das war immer eine Forderung der SPD. Ich glaube, dass wir künftig mit solchen Bauprojekten kritisch umgehen sollten. Wir sollten von Straßenerweiterungen Abstand nehmen und auf den Ausbau der Bahn setzen.

Möhlenkamp: Alle Regierungen haben jahrzehntelang verschlafen, in große Mobilitätsprojekte zur Daseinsvorsorge ausreichend zu investieren. Das fängt an beim ÖPNV, dem Erhalt von Straßen, das geht über Radwege bis zu Fahrradverleihsystemen, Park&Ride. Die in Bonn geplante Seilbahn ist ein großartiges Beispiel für emissionsarmen Verkehr der Zukunft. Ich setze mich dafür ein, dass sie realisiert wird.

Die Nahverkehrspreise sind recht hoch in Bonn und dem Verkehrsverbund Rhein-Sieg. Müsste das Land stärker in die Finanzierung einsteigen, um die Fahrgäste zu entlasten?

Möhlenkamp: Da ist die öffentliche Hand, auch das Land gefragt. Nicht nur bei den Preisen, auch bei der Taktung und der Infrastruktur. Die Organisation über die Verkehrsverbünde ist nicht mehr zeitgemäß. Ich pendele mit dem ÖPNV nach Düsseldorf zur Arbeit. Ich fahre mit dem öffentlichen Nahverkehr über den VRS in den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, also über Verbundsgrenzen. Das wirkt sich direkt auf den Preis aus. Im Jahr 2022 ist das für mich weder hinnehmbar noch erklärbar. Neben dem Bund ist auch das Land gefragt, einerseits den Betrieb des Nahverkehrs stärker mitzufinanzieren und die Kommunen zu entlasten und andererseits unkomplizierte Lösungen zu finden, wo Fahrten über die Grenzen von Verkehrsverbünden hinausgehen.

Kommen wir zur aktuellen Pandemie-Lage: Hätten Sie NRW zum Hotspot erklärt?

Kunze: Ich kriege gerade von Schülerinnen und Schülern und von Lehrerinnen und Lehrern und deren Eltern mit, dass es Unsicherheiten gibt. Ich hätte mir gewünscht, dass Schülerinnen und Schüler Masken umsonst bekommen in den Schulen. Und ich hätte mir auch gewünscht, dass wir beispielsweise den Schulen überlassen, ob sie eine Maskenpflicht vor Ort für sinnvoll halten oder nicht. Das ist ja wie bei Privatleuten auch. Ob man jetzt im Gebäude Maske trägt oder nicht, entscheiden der Eigentümer des Hauses und der Mieter. Und warum soll das nicht auch bei Schulen so sein? Wir haben da demokratische Gremien wie die Schulkonferenz, und die kann das über ihr Hausrecht aus meiner Sicht klar regeln. Dann hätte man Diskussionen in den betroffenen Schulen gehabt und dort eine Entscheidung getroffen. Das ist aber nicht erlaubt, weil es eine einheitliche Regelung für ganz NRW gibt. Das halte ich nicht für adäquat.

Was kann das Land tun, um die die horrenden hohen Mieten in einigen Städten effektiv zu senken?

Möhlenkamp: Schwarz-Gelb hat damals die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft privatisiert. Das müssen wir rückgängig machen. Die Landes-Wohnungsbaugesellschaft muss Bonn dabei unterstützen, Wohnungen vor Ort zu bauen. In Bonn fehlen in den nächsten Jahren 20.000 Wohnungen aufgrund des steigenden Bedarfs! Das Land muss auch seinen Beitrag zum bezahlbaren Wohnen leisten, indem es Bonn die leer stehenden Gebäude wie das Gelände der alten Poliklinik kostengünstig zur Verfügung stellen. Wohnen darf kein Luxusgut sein.

Kunze: Jährlich fallen Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung. Wir brauchen ein Landesprogramm, das ganz klar darauf ausgerichtet ist, diese Wohnungen in der Mietpreisbindung zu verlängern. Planungsrechtlich gibt es weitere Möglichkeiten für Städte wie Bonn mit angespanntem Wohnungsmarkt, um neuen Wohnraum zu schaffen. Die Landesregierung weigert sich bisher, die entsprechende Verordnung zu erlassen.

In der zurückliegenden Wahlperiode hat die SPD ihren Parteichef Sebastian Hartmann nach einem in NRW beispiellosen, in der Öffentlichkeit ausgetragenen Machtkampf abgesägt. Wie stehen Sie zu diesem Vorgang?

Kunze: Sebastian Hartmann hat nicht noch mal kandidiert. Thomas Kutschaty hat es getan, und das ist jetzt das Ergebnis. Sicherlich ist das nicht alles harmonisch abgelaufen. Ich finde den Vorgang aber auch nicht ungewöhnlich. Im Vorlauf einer Wahl überlegt man, wer soll für den Posten des Ministerpräsidenten kandidieren. Und dann muss eine Entscheidung her. Fraktionsvorsitz und Parteivorsitz auf eine Person zu konzentrieren, um dann mit einem starken Kandidaten in das Rennen zu gehen, halte ich für richtig.

Warum sollten die Bonner Sie wählen?

Möhlenkamp: Bonn und das Land stehen vor großen Herausforderungen. Klimawandel und Digitalisierung verändern unsere Lebens- und Arbeitswelt rasant. Das Land muss hier mehr tun, um Arbeitsplätze und Wohlstand zu sichern. Für mich als Rechtsanwältin für den Mittelstand gehört auch dazu, dass wir die Wirtschaft im Interesse aller stärken. Wir müssen alles dafür tun, dass uns die Transformation gut gelingt. Die Innenstädte dürfen nicht veröden. Mit Raum für gute Ideen und Gründergeist muss Politik die regionale Wirtschaft stärken. Der so erwirtschaftete Wohlstand soll möglichst vielen zugutekommen und nicht einigen wenigen. Dafür will ich mich einsetzen.

Kunze: Mein Motto ist soziale Politik für morgen. Ich möchte gerne in Jugend investieren, weil jetzt genau der richtige Zeitpunkt dafür ist. Ich möchte, dass sich alle Bonn leisten können. Die Mieten und Energiepreise sind zu hoch, und ich glaube, da müssen wir als Politik gegenarbeiten. Wichtig erscheint mir, dass man seine Vorstellungen von Politik auch durchsetzen kann. Inzwischen habe ich einige Jahre Erfahrung als Kommunalpolitiker und die festgestellt, dass man hartnäckig sein muss in der Politik. Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger haben jemanden verdient, der ansprechbar vor Ort ist und der sich auch um ihre Belange kümmert.

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