Kleidertausch aus dem Koffer Bonnerin schickt Klamotten auf Reisen

Bonn · Michaela Sommershof bringt gebrauchte Kleidung in Bonn in Umlauf. Sie packt zu Hause einen Koffer, den sie dann weitergibt. Jeder nimmt sich etwas und packt etwas Neues dazu.

Michaela Sommershof packt einen Kleidertausch-Koffer. Jeder, der den Koffer erhält, nimmt sich etwas und legt etwas Neues hinein.

Michaela Sommershof packt einen Kleidertausch-Koffer. Jeder, der den Koffer erhält, nimmt sich etwas und legt etwas Neues hinein.

Foto: Sofia Grillo

Michaela Sommershof betritt kaum noch ein Kleidungsgeschäft, und doch ist ihr Kleiderschrank so voll wie nie und wechselt stetig seinen Inhalt. Der Kleiderschrank ist zwar nicht verzaubert, jedoch hat Sommershof eine Zauberformel gefunden, wie sie ihrer Lust an Mode nachgehen kann, ohne die Bekleidungsindustrie mit ihrer meist umweltschädlichen Massenproduktion zu unterstützen. Anstatt sich neue Kleidung zu kaufen, tauscht Sommerhof einfach mit ihren Mitbürgern. Dafür lässt sie einen Kleidungskoffer von Haushalt zu Haushalt wandern, wo sich jeder rausnehmen und reintun kann, was und wie viel er will.

Das Prinzip des Kleidertauschs per Koffer ist simpel: Per E-Mail oder einer Gruppe des sozialen Netzwerks nebenan.de können Bonner Michaela Sommershof kontaktieren. Sie packt einen Koffer mit bis zu 50 Kleidungsstücken der jeweiligen Größe, die sie bei sich zu Hause lagert. Die oder der Kleidertauschende kann sich den Koffer bei Sommershof in Beuel-Pützchen abholen und sich den Inhalt zu Hause gemütlich anschauen und anprobieren. Die Kleidungsstücke, die gefallen, wandern in den Kleiderschrank und eigene aussortierte Kleidung kommt im Gegenzug in den Koffer, der dann wieder bei Sommershof abgegeben wird. Rund drei Mal im Monat gibt die Bonnerin inzwischen einen Kleiderkoffer heraus. Auf die Idee ist sie durch Corona gekommen.

Früher ging es zur Kleidertauschparty

Vor der Pandemie hat Sommershof eine Kleidertausch-Party in Bonn, die von Greenpeace organisiert wurde, besucht: Bei dieser Veranstaltung haben Besucher ihre aussortierte Kleidung mitgebracht, die wie auf einem Flohmarkt ausgehängt wurde und neue Besitzer unter den Besuchern fand. Sommershof war sofort Feuer und Flamme für diese nachhaltige Idee und stieß eine solche Aktion in ihrer Arbeitsstelle, einer großen Bonner Firma, an. Vier Mal organisierte sie einen Kleidertausch-Tag in der Firma, dann kam Corona und mit dem Virus der Lockdown. Veranstaltungen waren undenkbar. In der Weihnachtszeit dachte sich Sommershof eine Alternative aus. Über das Intranet sammelte sie Kleidertausch-Interessenten der Firma in Bonn und Betriebsstätten in ganz Deutschland. In der Adventszeit schickte sie den ersten Kleiderkoffer los, der in Haushalte von Kollegen in Nord-, Ost- und Süddeutschland wanderte, bis er schließlich im Sommer wieder in Bonn ankam. Vom Erfolg dieser Kofferwanderung getrieben, führte Sommershof den Tausch in Bonn über soziale Netzwerke einfach weiter.

„Ich mache das zum einen, weil mir das Tauschen gefällt, aber auch, um aufzuklären. Die Modeindustrie ist für rund zehn Prozent der schädlichen Treibhausgase, die jährlich ausgestoßen werden, verantwortlich. Bis zu 24 Kollektionen kommen in jedem Jahr in Kleidungsdiscountern heraus, die meist in schlechter Qualität und mit viel Chemikalien produziert werden. Oft hält ein billiges T-Shirt nur kurze Zeit und wird dann weggeschmissen“, zählt Sommershof einige Kritikpunkte an der Massenproduktion von Kleidungsstücken auf.

Sie möchte die Menschen dazu anregen, beim Kauf darüber nachzudenken, ob dieser wirklich nötig oder gar überflüssig ist. Denn sie sieht: „Wir sind nicht nur gewöhnt, dass alles immer in Massen da ist, sondern auch jede Menge, noch gute Sachen, wegzuschmeißen.“ Der Tausch verhindert das Wegwerfen und sicher auch den ein oder anderen Einkauf. Häufig schaut Sommershof an sich herunter und stellt fest, dass jedes Kleidungsstück, das sie trägt, aus einer Tauschaktion kommt.

Regelmäßiger Besuch auf Tausch-Märkten

Regelmäßig besucht sie auch die Tausch-Märkte der Bonner Unternehmergemeinschaft Envision21, die einmal monatlich in Bonn stattfinden. Hier werden Kleidung und Gegenstände aller Art untereinander getauscht. Sommershofs Sohn findet hier ständig neues Lieblingsspielzeug, zuletzt ein großes Legoauto, erzählt die 49-Jährige. Und auch sie selbst findet immer wieder praktische Dinge für den Haushalt, wie etwa Tupperware, die nun in ihrer Küche häufig im Einsatz ist. Das Tauschen bereichert nicht nur Kleiderschrank und Haushalt, sondern vereinfacht ihr auch das Aussortieren. „Ich kann mich leicht von Dingen trennen, da ich weiß, dass sie im Wertstoffkreislauf bleiben und ich immer wieder neue schöne Dinge finden kann“, sagt sie.

Wenn es nach ihr ginge, könnte das Tauschen in Bonn noch mehr gefördert werden. Ihre Traumvorstellung ist eine täglich geöffnete Kleidertausch-Zentrale – etwa eine ehrenamtlich geführte Kleiderkammer, in der jeder etwas abgeben und auch neues Gebrauchtes für sich finden kann. In ihrer Firma hat Sommershof inzwischen einen Raum bekommen, in dem sie einen festen Kleidertausch-Ort einrichten kann.

Wer von Michaela Sommershof einen Kleidertausch-Koffer bekommen möchte, kann sich bei ihr unter KleiderkofferBonn@gmx.de melden.

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