Monika Hegner, die letzte fahrende Händlerin in Bonn Wer ist die Frau hinter dem Bücherkarren auf dem Kaiserplatz?
Bonn · Romane, Weltliteratur und Bildbände: Dies bietet Monika Hegner an ihrem Bücherstand auf dem Kaiserplatz an. Und der ist etwas Besonderes: Der Bücherkarren verweist auf die alte Tradition fahrender Bücherhändler in Bonn, von denen es einst sehr viele gab.
An Regentagen und am Abend wirkt der Holzverschlag auf dem Bonner Kaiserplatz von außen ganz unscheinbar. Doch am Tage öffnet Monika Hegner den Verschlag und zeigt hier Schätze: Bücher über Bücher, Meisterwerke der Weltliteratur, Bildbände der Kunst, Natur oder der Stadt Bonn, oft mit kunstvollen alten Einbänden. Seit 1989 betreibt die 61-Jährige ihren Stand Tag für Tag und folgt dabei der alten Tradition fahrender Händler, die Bücher auf Karren anbieten. Einst gab es viele davon in Bonn.
Hegner ist mit ihrem Bücherkarren heute die letzte Händlerin, die diese Tradition weiterführt. In einem dicken Ordner, der im Verschlag verstaut ist, hütet die Bonnerin die Geschichte ihres kleinen Buchhandels. Hegner hat sie nach und nach anhand von Zeitungsartikeln, Bildbänden und Büchern zusammengetragen. Die älteste Erwähnung eines Bücherkarrens in Deutschland hat Hegner aus dem Jahr 1900 gefunden.
Ältester Hinweis für Bonner Karren aus dem Jahr 1950
Wann es die ersten fahrenden Buchläden in Bonn gab, sei nicht so leicht festzulegen, sagt sie. Der älteste Hinweis, den Hegner in einem Buch gefunden hat, stammt von 1950. Darin wird geschildert, dass Studenten von der Gewerbeaufsicht die Genehmigung erhielten, einen fahrenden Bücherverkaufsstand am Kaiserplatz aufzustellen. Vielleicht ganz in der Nähe von Hegners Bücherkarren? Auch das ist nicht mehr herauszufinden. Doch Hegner weiß, dass es viele fahrende Buchhändler gab, die ihre Stände meist vor Universitätsgebäuden aufgestellt hatten und abends wieder wegfuhren.
Während Hegner in ihrem Ordner blättert, tauchen viele Schwarz-Weiß-Fotografien der Karren in Bonn auf, vor denen – wie auch noch heute – Menschen in die Bücher versunken scheinen. Menschen lesen damals wie heute, stellt die Bücherverkäuferin fest. Und nach wie vor seien die Werke des vergangenen Jahrhunderts am beliebtesten, vor allem jene der Autoren Hermann Hesse oder Jean-Paul Sartre. „Den kleinen Prinzen von Antoine de Saint-Exupéry könnte ich jeden Tag verkaufen“, sagt Hegner. In vergangener Zeit sei das Interesse an Sachbüchern und Bildbänden zu den Themen Natur, Pflanzen und Tiere gestiegen, sagt Hegner. Sie sitzt übrigens stets an einem Tisch neben ihrem befestigten Karren und liest selbst in Sachbüchern oder – wie vor dem Gespräch mit dem General Anzeiger – in Martin Suters „Die dunkle Seite des Mondes“.
Frau erzählt vom Erbauer des Karrens
Hegners Karren stammt aus dem Jahr 1970. Sie kennt nur den Vornamen des Erbauers: Egbert. Eine Frau, auf die Hegner am Karren traf, erzählte Hegner, dass eine Freundin damals mit einem Egbert in einer Beziehung war. Später sendete diese Frau ein Foto des jungen Paares vor dem Bücherkarren per E-Mail zu. Damals war der Stand mehr Karren als befestigter Holzverschlag. Ein Foto von 1979 zeigt dann, dass ein Flachdach dazugekommen war. Der Stand wechselte zweimal den Besitzer, bis ihn 1989 Hegner und ihr Lebensgefährte Joachim Pilz übernahmen. Er hatte zuvor eine Ausbildung im Buchhandel gemacht, Hegner hatte Grafikdesign studiert. Pilz ist inzwischen verstorben. Hegner beschreibt die damalige Entscheidung, den Bücherkarren zu kaufen, als „zufällig“. Beide waren Anfang 30 und betrieben ein kleines Antiquariat in Poppelsdorf, als ihnen der zum Verkauf stehende Stand auf dem Kaiserplatz auffiel. Kurzentschlossen wollten sie es riskieren: Sie gaben ihr gespartes Geld für das neue Projekt. „Es war ein großes Risiko, aber es hat sich gelohnt“, sagt Hegner. Bis vor etwas mehr als zehn Jahren habe es auch noch einen Bücherkarren am Hofgarten und einen weiteren am Kaiserplatz gegeben.
Bücherkarren mit Kultstatus
Inzwischen hat ihr einzig übriggebliebener Karren einen solchen Kultstatus, dass er auch Touristen anzieht. Hegner möchte ihn so lange betreiben, wie es geht. „Inzwischen habe ich das Gefühl, man könnte es mir übel nehmen, wenn ich die Tradition beenden würde. Außerdem lebe ich nach wie vor davon.“
Ihre Arbeit und ihren Alltag beschreibt Hegner zunächst als „gewöhnungsbedürftig“. „Ich bin jeden Tag im Freien und somit jedem Wetter und jedem Menschen ausgesetzt“, sagt sie. Dabei hat sie mal unangenehme, oft aber auch schöne Begegnungen. Daraus seien auch Bekanntschaften entstanden. Und wenn Hegner darüber nachdenkt, was das Schönste an ihrer Arbeit ist, sind es nicht zuletzt die Gespräche mit bekannten und unbekannten Menschen, die sie kennt oder denen sie zum ersten Mal begegnet.
Oft gibt es solche Begegnungen quasi auch in den gebrauchten Büchern: Hegner zeigt Fotos von originellen Widmungen der einstigen Besitzer der Bücher, die sie verkauft: Weitere Geschichten und Schätze aus anderen Zeiten, die der Holzverschlag beherbergt.