Nach Finanzskandal Bonner Münstergemeinde schreibt schwarze Null - nach drastischen Sparmaßnahmen

Bonn · Der Münsterladen ist geschlossen, das Veranstaltungszentrum Münstercarré Geschichte. Um die Bonner Innenstadtgemeinde finanziell wieder auf Kurs zu bringen, waren einschneidende Schritte nötig.

 Stadtdechant Wolfgang Picken in der frisch sanierten Münsterbasilika.

Stadtdechant Wolfgang Picken in der frisch sanierten Münsterbasilika.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Münster-Kirchengemeinde St. Martin hat ihre Finanzkrise überwunden; sie schreibt aktuell eine „schwarze Null“. Stadtdechant Wolfgang Picken und Verwaltungsleiter Peter Fischer haben jetzt die Bilanzen für die Jahre 2018 bis 2020 vorgestellt, aus denen sich die positive Entwicklung ablesen lässt, die bis heute anhält. Es sind aber auch deutliche Einschnitte zu sehen.

„Wir haben Personal abgebaut und defizitäre Unternehmen wie das Münstercarré und den Münsterladen geschlossen, sodass keine Defizite mehr auszugleichen sind“, berichtet Picken. Zudem hat das Stadtdekanat einen Teil der Liegenschaften übernommen, darunter auch der Kreuzgang. Die kleine Innenstadtgemeinde St. Martin bleibt zwar Besitzerin, die Betriebskosten für die stadtweite Arbeit des Dekanats trägt aber das Erzbistum Köln. Gemeindeverband und Kirchengemeinde sind stärker getrennt als früher, die Kirchengemeinde zahlt nicht mehr alle Rechnungen vorab.

Folgen des Finanzskandal 2018

Nach dem Finanzskandal von 2018 und dem Rücktritt von Stadtdechant Wilfried Schumacher stand die Gemeinde St. Martin knapp vor der Zahlungsunfähigkeit. Im Jahr 2020 konnte Fischer einen operativen Gewinn von 6400 Euro verbuchen und das Betriebsergebnis aus dem laufenden Geschäft der Gemeinde gegenüber 2018 um rund 172 000 Euro steigern. Nicht nur die Einsparungen beim Personal schlagen zu Buche, sondern auch die bei Energiekosten und Bewirtung.

Wie berichtet, war Substanzvermögen der Münstergemeinde verwendet worden, um Löcher im laufenden Haushalt zu stopfen. Das Erzbistum machte Schumacher dafür verantwortlich und drängte ihn zum Amtsverzicht. 2019 einigten sich beide Parteien, auf eine gerichtliche Klärung zu verzichten. Der Ex-Stadtdechant zahlte als „persönlichen Beitrag“ einen nicht näher bezifferten fünfstelligen Betrag.

Aufbau einer aktiven Gemeinde

Drei Jahre später ist die Basilika frisch saniert und ein neuer Kirchenvorstand gewählt. Picken hat auch die Ausrichtung des Münsters geändert. Statt „Stadtpastoral mit niederschwelligem Angebot für jeden“ will er die Münsterpfarrei als aktive Gemeinde stärken. „Es ist ein schönes Zeichen, dass es die Bereitschaft der Leute gibt, mitzumachen und auch Verantwortung für wirtschaftliche Angelegenheiten zu übernehmen“, so Picken über den neuen Kirchenvorstand.

„Ich wusste, auf was ich mich einlasse, und finde es auf den ersten Blick sehr gut machbar“, sagt Simone Fuß aus dem Kirchenvorstand, der gerade seine Arbeit aufgenommen hat. Sie kam durch ihr Kommunionkind zum Münster und beschloss nach dem Aufruf zur Kirchenvorstandswahl, sich zu engagieren.

Münsterfinanzen auf dem Prüfstand

Akute Finanzprobleme hat die Gemeinde St. Martin nicht mehr, die Einnahmen decken die Kosten. „Wir sind aber noch nicht in der Situation, dass wir einfach das Erledigte weiterführen können“, sagte Picken. Spareffekte müssten genutzt und neue Finanzquellen gesucht werden. Dazu mahnen auch die vier Experten, die Ende März die Münsterfinanzen auf Plausibilität untersucht hatten. Beteiligt waren Staatsrechtler Professor Josef Isensee, Unternehmer Winfried Kill, Reinhard Schneider, Vorsitzender der Dr. Hans Riegel Stiftung, und Wirtschaftsprüfer Professor Hubertus Baumhoff.

Ursachen für künftige Kostenrisiken könnten steigende Personal- und Energiekosten ebenso sein wie reduzierte Kirchensteuerzuweisungen, so die Experten. Ohne zusätzliche strukturelle Maßnahmen haben sie „erhebliche Bedenken, ob in Zukunft ein solides Kostenmanagement möglich ist“.

Große Spendenbereitschaft der Bonner

Die Bonner sind durchaus bereit, Geld im Münster zu lassen. „Seit der Wiedereröffnung sehen wir einen deutlichen Anstieg bei Kollekten und Opferkerzen“, berichtet Verwaltungschef Fischer. Auch der Münster-Bauverein hat viel dazu beigetragen, dass die Gemeinde trotz finanzieller Schieflage die Generalsanierung stemmen konnte. Den Eigenanteil von zehn Prozent der Gesamtkosten, rund zwei Millionen Euro, kann der Bauverein gemeinsam mit der Münster-Stiftung aufbringen.

Der Bauverein hat bereits rund 1,4 Millionen Euro überwiesen, am Ende werden es rund 1,7 Millionen sein. „Ich finde es bemerkenswert, dass das Herz so vieler Menschen am Münster hängt“, sagte Ulrich Lipperheide, geschäftsführender Vorstand des Münster-Bauvereins. Alleine durch die symbolischen Stein-Patenschaften seien 293 000 Euro zusammengekommen. „Die Sanierung des Münsters war letztlich für den gemeindlichen Haushalt kostenneutral“, sagt Picken über die große Unterstützung.

Neue Anlaufstelle im ehemaligen Münsterladen

Im ehemaligen Münsterladen an der Gerhard-von-Are-Straße wird noch umgebaut. Hier soll tagsüber die Caritas eine Anlaufstelle für Hilfesuchende bieten, abends übernimmt die Stadtjugendseelsorge die Räume. Der Stadtdechant, der als Dechant in Bad Godesberg bereits die Anlaufstellen Suppenhimmel und Lotsenpunkt geschaffen hatte, sagt auch mit Blick auf die Bonner Innenstadt: „Kirche muss am Zentrum ihrer Präsenz auch eine soziale Präsenz haben.“

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