Jagd nach besonderen „Vögeln“ Warum es einen Bonner Pfarrer immer wieder zu Flughäfen zieht

Bonn · Was tut man nicht alles für ein gutes Foto? Der Bonner Pfarrer Jörg Harth steht dafür auch mal nachts um vier Uhr auf, harrt in praller Sonne oder bei Minusgraden aus - Hauptsache, er kann wieder einen besonderen „Vogel“ ablichten.

 Ein Flugzeug hebt am Flughafen Köln/Bonn ab. (Archivfoto)

Ein Flugzeug hebt am Flughafen Köln/Bonn ab. (Archivfoto)

Foto: Oliver Berg/Archiv

Ein strahlend blauer Sonntagmorgen, kein Wölkchen am Himmel zu sehen. Pfarrer Jörg Harth checkt seine App - es könnte ein guter Tag für ihn werden. Und so springt der 54-Jährige auch schon mal nach der Sonntagsmesse in sein Auto und fährt zum Köln/Bonner Flughafen. Harth ist begeisterter „Planespotter“ und fotografiert in seiner Freizeit gerne Flugzeuge aller Art.

Einen Reiz beim Planespotten mache die Vielfalt der Flugzeugbemalung aus, verrät der Seelsorger. Besonders kreativ mit Flugzeugbemalungen sind nach Harths Beobachtung Chinesen und Japaner. Beliebt seien auch Retrobemalungen zum Jubiläum einer Fluggesellschaft. „Manche Exemplare gibt es weltweit nur einmal“, erzählt der Bonner mit leuchtenden Augen. Deshalb ist es für ihn ein Highlight, wenn er so einen Flieger einmal selbst vor die Linse bekommt.

Wann und wo so ein begehrtes Fotomotiv einschwebt, lässt sich heute bequem über Insider-Apps wie „Flightradar24“ verfolgen. Dann müssen nur noch das Wetter und der Sonnenstand mitspielen. Schließlich kann man nicht überall an einem Flughafen einfach fotografieren und sind auch Besucherterrassen bei Gegenlicht kein guter Standort. Manchmal seien auch etwas Kreativität und Abenteuerlust gefragt, um ein gutes Bild zu machen: So sei er mit einem Freund einmal am Brüsseler Flughafen von Polizisten mit Gewehren verjagt worden, erinnert sich Harth schmunzelnd.

Über so manches Motiv seiner Sammlung könnte er eine Geschichte erzählen. Inzwischen zählen dazu rund 15.000 Dias und noch weit mehr digitale Aufnahmen. 1978 hat er das erste Mal mit seinem Opa die Aussichtsterrasse am Düsseldorfer Flughafen und später in Frankfurt besucht. Seitdem faszinieren den Seelsorger Flugzeuge, verfolgt er ihre Flugrouten, fotografiert und archiviert er sie.

Planespotter am Flughafen Köln/Bonn: Exotische Motive

Manche haben durchaus einen Bezug zum Himmel und zum Glauben, erklärt der Pfarrer. Der Name der israelischen Fluggesellschaft „El Al“ etwa bedeutet „nach oben, zu Gott hin“. Maschinen der saudi-arabischen Fluggesellschaft ziert die Staatsflagge mit dem muslimischen Glaubensbekenntnis. Die irische Fluggesellschaft Aer Lingus hat einige ihrer Flieger nach Heiligen benannt. Die spanische Iberia schmückte einmal Flieger mit einem Pilgermotiv vom Jakobsweg, Egyptair dekorierte mit dem Himmelsgott Horus, und Aeromexico verewigte die Gottheit Quetzalcoatl auf ihrem Flugzeug.

Der Pfarrer schätzt an seinem Hobby, dass er dabei gut von der Gemeindearbeit abschalten kann. „Man muss sich auf etwas Anderes konzentrieren; es ist eine Liebe zum Detail nötig, damit man die Unterschiede an den Flugzeugen überhaupt wahrnehmen kann.“ Eigentlich sei Planespotten eine verrückte Freizeitbeschäftigung. Flugzeuge zu fotografieren hat für Harth etwas von „auf die Jagd gehen, auf der Lauer liegen, das Opfer erlegen, nach Hause bringen und dokumentieren“. Eigentlich sei es „wie Briefmarkensammeln - nur draußen“.

Jörg Harth vor seinem gewöhnlichen Arbeitsplatz, der Kirche Sankt Rochus.

Jörg Harth vor seinem gewöhnlichen Arbeitsplatz, der Kirche Sankt Rochus.

Foto: Stefan Knopp

Parallelen zu Christi Himmelfahrt

Auch wenn er beim Planespotten auf ganz andere Gedanken kommen möchte - der Theologe kann mit einem Augenzwinkern durchaus Bezüge zu Christi Himmelfahrt sehen. „Auch Flugzeuge sind da, um weg zu sein; sie sind nur eine begrenzte Zeit auf der Erde und haben nichts Bleibendes.“ Bei allem Festhaltenwollen - sowohl Planespotter als auch die Jünger machen die Erfahrung, dass sich das begehrte Gegenüber letztlich in den Himmel entzieht.

Bei beidem gebe es zudem einen Rest an Unverfügbarkeit. So landen Flugzeuge im Schatten einer Wolke oder kommen ausgerechnet an der Landebahn an, wo man gerade nicht steht: „Man hat es nicht in den Händen; es ist immer auch ein Glücksspiel.“ Zugleich gebe es auch das Unerwartete wie ungewöhnliche Privatflugzeuge, Regierungsmaschinen oder Flieger von Staatsgästen, die nicht im regulären Flugplan auftauchen. Oder auch verpasste Chancen, weil Flugzeuge umbemalt oder verschrottet werden. „Das alles erinnert mich an die großen Lebensthemen.“

Seine Leidenschaft für Flugzeuge teilt Harth mit seinen zwei Patensöhnen und einem niederländischen Spotterkollegen, mit dem er seit über 30 Jahren in Kontakt und schon bis Japan gereist ist. Seine Urlaubsziele wählt Harth so aus, „dass sie sich auch fliegerisch irgendwie lohnen“. In diesem Jahr besucht er die griechische Insel Skiathos. Die verfügt über eine nur 1.628 Meter kurze Landebahn; Maschinen fliegen in wenigen Metern Höhe über die Köpfe der Schaulustigen - „eine der abenteuerlichsten Pisten überhaupt“. Und damit ein guter Ort, um sich mit der Kamera wieder auf die Lauer zu legen.

(kna)
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