Möbelstück aus Bonn Schreibtisch kehrt nach langer Reise nach Kessenich zurück

Bonn · Eine erstaunliche Reise hat ein alter Schreibtisch angetreten. Jetzt steht er wieder in seiner alten Heimat in Kessenich.

 Der alte Schreibtisch steht nun wieder in Kessenich.

Der alte Schreibtisch steht nun wieder in Kessenich.

Foto: privat

Kratzer im Holz, Staub in den Ecken und jede Menge Erinnerung an Studium und Berufstätigkeit. Manchmal ist es ganz hilfreich, dass Möbelstücke nicht verraten können, was sie in der Vergangenheit erlebt haben. Der Schreibtisch von Friedrich Berger könnte beispielsweise einiges berichten, wenn er denn reden könnte. Nicht nur aus den vergangenen Jahrzehnten, sondern vor allem auch über die kuriose Geschichte seiner Rückkehr nach Bonn. Nach vielen Jahren, acht Umzügen in drei Städte fand das massive Möbelstück jetzt neue Besitzer genau dort, wo es einst erstanden wurde: In Kessenich.

„Jurastudent sucht Schreibtisch“ lautete die knappe Chiffreanzeige, die Berger 1974 im General-Anzeiger aufgab. „Ich erinnere mich noch wie heute“, erzählt Berger schmunzelnd. Damals erhielt er ein einziges Angebot. Eine Adresse hatte er nicht, nur eine Bonner Telefonnummer. „Ich wollte nach mehrmaligem Klingeln schon auflegen, als sich eine leise und vor allem sehr heisere Stimme meldete. Sie gehörte einem alten Mann aus dem gemütlichen Ortsteil Kessenich“, erzählt der Jurist. Schnell war man sich einig und zur Freude des jungen Studenten gab’s den Schreibtisch sogar kostenlos. „Der alte Mann führte mich mit schlurfendem Schritt zu einem Gartenhäuschen, inmitten einer Obstwiese. Umgeben von Obstkörben und alten Gartengeräten stand, völlig verdreckt und verkratzt, der angebotene Schreibtisch. Die Verhandlung dauerten nicht lange. Ich glaube, der alte Mann war froh, ihn los zu sein“, erinnert sich Berger.

Fortan begleitete ihn das gute Stück. Studium, Examen und schließlich seine Berufstätigkeit, die ihn nach Hilden und Wuppertal führte. Als Berger Anfang des Jahres in Rente ging und die Rückkehr nach Bonn in die Südstadt organisierte, stellte sich schnell die Frage, „was wird mit dem guten Stück?“ Mitnehmen kam nicht in Frage, die Ehefrau wollte das Ungetüm nicht mehr in der neuen Wohnung haben. Ein trauriges Ende auf dem Sperrmüll stand ebenfalls nicht zur Diskussion.

Diesmal sollten die sozialen Medien dabei helfen, dass der Schreibtisch ein neues Zuhause bekam. „Antiker Schreibtisch, geschätzt Zwanziger Jahre, 60 Euro“, lautet das verlockende Angebot auf einer entsprechenden Plattform. Die Annonce wurde zwar oft angeklickt, ein Angebot gab jedoch niemand ab. Erst als der Schreibtisch kostenlos offeriert wurde, kamen die Nachfragen. Was dann geschah, erzählt Berger schmunzelnd im GA-Gespräch: „Am nächsten Abend klingelte in meiner schon ziemlich leeren Wohnung in Hilden zur verabredeten Zeit ein junges Pärchen. Es hatte sich zuerst gemeldet. Der Schreibtisch gefiel ihnen auf Anhieb und auf dem Weg nach draußen fragte ich die beiden: „Und, wo wohnen Sie?“ „In Bonn“, war die überraschende Antwort. Am Ende kam es dann noch überraschender. Ihr Wagen erwies sich als zu klein und Berger bot an, den Schreibtisch am nächsten Mittag anzuliefern. „Wo wohnen Sie denn in Bonn?“, fragte er sie. „In Kessenich!“, sagten die beiden wie aus einem Munde. „Kessenich? Das gibt’s ja wohl nicht“, erwiderte er erstaunt. „Dann kommt der Schreibtisch ja nach fast 50 Jahren nach Hause zurück.“

Dort steht er nun seit ein paar Tagen. Und falls der Schreibtisch doch einmal aus der Vergangenheit plaudert, dann werden die neuen Besitzer erfahren, dass er Urlaubsgrüße, Garantiekarten und Gebrauchsanweisungen aus den vergangenen 47 Jahren genauso beherbergt hat wie die Spiegelreflexkamera, die sich Berger für einen Nepal-Trip 1982 gekauft hat. „Mehrere abgelaufene Reisepässe, die ich wegen der vielen Stempel, auf die ich mal so stolz war, hatte ich auch dort aufbewahrt.“ Und unzählige Kinokarten und Konzerttickets – nebeneinandergelegt, ploppt bei jedem Schnipsel Papier bei Berger noch einmal ein kurzer Erinnerungsfetzen auf. „So schön kann Aufräumen sein“, erinnert er sich wehmütig.

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