Kirche als Anker im Alltag So läuft die 9. Bonner Kirchennacht unter dem Motto „Nacht der Engel“

Bonn · Vier Bonner erzählen beim Auftakt der 9. Bonner Kirchennacht, was Glaube für sie bedeutet. Dabei gibt es auch einige kritische Töne.

Der lebende Engel „Carismo“ schwebte in St. Marien in Bad Godesberg.

Der lebende Engel „Carismo“ schwebte in St. Marien in Bad Godesberg.

Foto: Meike Böschemeyer

Die Bonner Feuerwehr verband mit der ausgefahrenen Leiter eines großen Leiterwagens symbolisch Himmel und Erde, während dazu Harfenklänge die Menschen vor der Kreuzkirche am Hofgarten verzauberten. Es war der Auftakt zur 9. Bonner Kirchennacht mit dem Motto „Nacht der Engel“, dem sich ein ökumenisches Gebet anschloss.

Mit 159 Angeboten stadtweit an 38 Orten warteten sieben Konfessionen auf: Konzerte, Bilderbuchkino, Jazz, Poetry, Gospel, Begegnung, Tanz, Andacht, Taizé-Gebet, Lesungen, Turmbesteigungen, Mitsing-Konzerte, Stille, Nachtcafés. Das Programm war vielfältig. Von Bad Godesberg-Lannesdorf im Süden bis zur Rumänisch-Orthodoxen Holzkirche in Bonn-Castell, von Röttgen bis Hangelar im Rhein-Sieg-Kreis waren Menschen unterwegs. Auch drei orthodoxe Kirchen, die alt-katholische und eine freikirchliche Gemeinde wirkten mit.

Der GA befragte Christinnen und Christen, was Kirche für sie konkret im Alltag bedeutet, warum viele aus der Kirche austreten und wie sich Kirche verändern muss.

„Kirche als Stabilitätsanker in verschiedenen Lebensphasen“

 	Ingrid Mohr

Ingrid Mohr

Foto: GA/Janos Wagner

Ingrid Mohr ist Mitglied der Lukaskirchengemeinde in Castell. Sie spricht ganz offen: „Für mich ist die Kirche ein Stabilitätsanker in verschiedenen Lebensphasen meines über 80-jährigen Lebens. Sie ist da, wenn irgendwelche Dinge im Leben passieren, wo ich Halt brauche. Und Zuspruch, auch mal vom Pfarrer.“ Das Angebot nutzte die evangelische Christin, als ihre Eltern gestorben waren. Aber auch bei erfreulichen Ereignissen im Leben, wie eine Taufe, sei die Kirche für sie da gewesen. „Ich gehe in die Kirche, wenn mir danach zumute ist. Der Kirchenraum gibt mir Ruhe und Zuversicht.“

Angesichts der zahlreichen Kirchenaustritte macht Mohr eine positive Erfahrung in ihrem persönlichen Umfeld: „Ich bin noch keinem begegnet, der aus der Kirche ausgetreten ist, sodass man mal diskutiert hätte, warum.“ Für Mohr steht fest: „Ich würde aus der Kirche nicht austreten, egal was passiert.“

Mohr hat klare Erwartungen: „Man muss ganz hart dagegen angehen, was da passiert mit Missbrauch in der Kirche. Die Dinge müssen wirklich von Anfang an aufgearbeitet werden.“ Kirche solle nicht oberflächlich bleiben. Die Kirche müsse nach Mohrs Überzeugung auch heute wandlungsfähig sein: „Seit Bestehen der Kirche, seitdem überhaupt die Evangelische Kirche besteht, war in den Jahrhunderten immer etwas aufgearbeitet worden. Es gab immer wieder Erneuerung.“

Mehr Platz für Menschen mit LGBTQ-Hintergrund

 	Ellen Haseke

Ellen Haseke

Foto: GA/Janos Wagner

Die Theologiestudentin Ellen Haseke geht sonntags gerne in die Kirche: „Für mich ist Kirche sehr wertvoll für meinen Alltag. Ich schöpfe Hoffnung, auch in ausweglosen Situationen. Sie gibt mir ein Gefühl des Gestütztseins oder Aufgehobenseins.“ Dazu gehöre für sie auch der Umgang mit ihren Kommilitonen. Auf die Frage, warum so viele Menschen den Kirchen den Rücken kehren, sagt Haseke: „Weil die Kirche sich schlecht präsentiert und auch manchmal den Fokus auf etwas Falsches legt, auf Feinheiten, die niemand wirklich interessieren.“ Ihrer Ansicht nach traue sich Kirche oft zu wenig, konkrete Aussagen zu treffen. Dazu gehöre der Klimaschutz: „Ich finde, da sollte sie sich klarer positionieren, was zu tun wäre.“ Auch was Diversität angehe, wünscht die Studentin sich mehr Klarheit. Sie wünscht sich: „Alte weiße Männer sollten öfter mal aussortiert und dafür andere Leute rekrutiert werden.“ Kirche solle bunt sein und vielfältiger. Mehr Frauen gehören für sie dazu, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit LGBTQ-Hintergrund.

„In unserer Katholischen Kirche ist noch einiges im Argen“

Für den Bad Godesberger Matthias Höhn (65) bedeutet Kirche ein Stück Geborgenheit und Besinnung. „Kirche gibt mir Gemeinschaft mit Menschen im Glauben und auch viel Musik.“ Ein regelmäßiger Kirchgänger ist Höhn nicht. Zu den vielen Kirchenaustritten sagt Höhn: „Das hat natürlich in den letzten Jahren und Jahrzehnten etwas mit Verfehlungen der Kirche zu tun. Gerade die Missbrauchsfälle, durchaus auch in der Evangelischen Kirche, aber hauptsächlich in der Katholischen Kirche, sind ein Problem. Und eine gewisse Bequemlichkeit, auch eine Vereinzelung der Menschen.“ Ebenfalls würden viele aus der Kirche austreten, um sich die Kirchensteuer zu sparen, denkt Höhn.

Ansbert Schmitz ist Katholik. Er singt seit vielen Jahren in der Choralschola am Bonner Münster. Er sagt: „Kirche gibt mir Halt. Sie ist für mich ein gewisser Anker.“ Schmitz besucht Gottesdienste in verschiedenen Gemeinden, er fühlt sich nicht nur einer einzigen Gemeinde zugehörig. „Kirche gibt mir das Gefühl, dass ich nicht alleine bin.“ In Gemeinden könne er mit Menschen ins Gespräch kommen. „In unserer Katholischen Kirche ist noch einiges im Argen. Ich habe Verständnis für Menschen, die sich sehr, sehr aufregen.“ Trotzdem steht für den Katholiken fest, er bleibt in der Kirche: „Da gibt es auch viel Gutes.“ Er wünscht sich von der Amtskirche, dass sie den Gläubigen mehr Freiräume einräumt in der Lebensgestaltung: „Auch in nicht-ehelichen Beziehungen.“

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