Neue Stadtführung Wie Spione in Bonn zu Hauptstadtzeiten gearbeitet haben

Bonn · Bonn war in seiner Zeit als Hauptstadt ein Ort, an dem sich Spione tummelten. Walter Siebold hat eine neue Stadtführung zu diesem Thema entwickelt - mit tragischen und unglaublichen Geschichten.

 Walter Siebold bietet bald eine Stadtführung zu Spionageaktvitäten in Bonn zu Haupstadtzeiten an.

Walter Siebold bietet bald eine Stadtführung zu Spionageaktvitäten in Bonn zu Haupstadtzeiten an.

Astor, dessen Klarname nicht bekannt ist, war ein sogenannter Romeo-Agent für das Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Sein Auftrag: Grete, die in Bonn Sekretärin von Bundeskanzler Konrad Adenauer, verführen. Solche Geschichten über Spionageaktivitäten in Bonn zu Hauptstadtzeiten, erzählt Walter Siebold von Stadtführungen im Rheinland bei seiner neuen Tour, die wahrscheinlich im Oktober startet.

Astor war im zweiten Weltkrieg ein deutscher Pilot, wurde über der Sowjetunion abgeschossen und kam in Kriegsgefangenschaft. Dort schulte ihn die Sowjetunion politisch, er wurde Kommunist und bebann für die Stasi zu arbeiten. Die arrangierte, dass Astor und Grete sich in einer Kurstätte in Süddeutschland kennenlernten. Anschließend richtete sich Astor in Köln ein und besucht Grete immer wieder in Bonn. „Astor sollte Grete für die Stasi verführen und anwerben“, erzählt Siebold. Verantwortlich für die Auslandsspionage in der Stasi war die Hauptabteilung Aufklärung (HVA). Die setzte laut Siebold besonders auf die Anwerbung weiblicher Spitzel, zum Beispiel Sekretärinnen und Mitarbeiterinnen, die Zugang zu geheimen und brisanten Informationen hatten. Diesem Mittel bedienten sich zwar auch andere Geheimdienste, doch die HVA perfektionierte es in Bonn, sagt der Stadtführer.

Astor schenkte Grete Schmuck und Antiquitäten und die Frau verliebte sich offenbar in ihn. „Zu diesem Zeitpunkt musste Astor seine wahre Gesinnung offenbaren. Er stellte sich als Agent des KGB vor und Grete erklärte sich aus Liebe zu ihm bereit, für die Stasi zu arbeiten“, berichtet Siebold. Die HVA stufte Grete, die inzwischen den Decknamen Gudrun erhalten hatte, als Spitzenquelle ein. Als Astor erkrankte und starb, kündigte Grete im Bundeskanzleramt und beendete die Zusammenarbeit mit der Stasi.

„Das war tragisch damals. Die Stasi nutzte menschliche Schwächen aus und instrumentalisierte sie dann für ihre Zwecke“, erzählt Siebold. Die Geschichte von Astor und Grete ist eine von vielen, die er in seiner zweistündigen Spionageführung ab dem 1. Oktober erzählen wird. Er kommt selbst aus der ehemaligen DDR und wohnt inzwischen seit 30 Jahren in Bonn. Die Spionagetour ist bewusst weniger verspielt als die interaktive Spionageführung von Stattreisen. „Das ist eine super Führung, die die machen, aber ich wollte eine rein informative Führung machen“, sagt Siebold.

Die Führung beginnt vor dem Museum Koenig. Weitere Stationen sind beispielsweise das Haus der Geschichte, das Bundeskanzleramt, das Konrad-Adenauer-Denkmal, die Villa Hammerschmidt, das Auswärtige Amt und das historische Rathaus. Die Tour kostet 15 Euro pro Person und ist buchbar über die Website www.stadtfuehrungen-rheinland.de. Dort gibt es weitere Führungen, wie Brauhaus- und Kneipentouren, eine kulinarische Führung, eine Beethovenführung und eine Führung zur Geschichte der Demokratie in Bonn.

Spionagetour von Stattreisen ist interaktiv

Die Spionagetour von Stattreisen ist im Gegensatz zu der von Walter Siebold sehr interaktiv. Die Teilnehmenden bewegen sich mit der Bahn durch Bonn und erleben die Aufregung des Lebens als Spion. „Wir engagieren für die Führungen immer Schauspieler, sodass die Leute sehr nah dran sind“, sagt Norbert Volpert von Stattreisen. Die Führung wurde mehrfach ausgezeichnet und ist online buchbar unter www.stattreisen-bonn.de. Von Stattreisen stammt auch die bekannte Nachtwächter-Tour. Neu im Angbeot ist die Stadtführung „1001 leerstehende Wohnung“, bei der die Teilnehmenden markante leerstehende Wohnungen in Bonn kennenlernen.

Rainer Selmann bietet seit 2004 ebenfalls Stadtführungen in Bonn an. In fast allen Ortsteilen macht er sogenannte Stadtspaziergänge. „Ich mache keine klassischen Stadtführungen, wo nur ich erzähle. Ich erzähle viele Anekdoten und möchte mit den Leuten ins Gespräch kommen“, sagt Selmann, der sich selbst als Berufsspaziergänger bezeichnet. „Ich bin begeistert von Geschichte“, sagt er. Seine Führungen sind zwischen zwei und zweieinhalb Stunden lang und kosten zehn Euro pro Person. Das genaue Angebot kann man auf seiner Internetseite sehen unter www.kultnews.de.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Die „Bat Boys“ räumen auf
Nachwuchs-Baseballer der Bonn Capitals haben vielfältige Aufgaben Die „Bat Boys“ räumen auf
Aus dem Ressort