Spielstätten in der Krise Bonner Theater fürchten in der Pandemie um ihre Existenz

Bonn · Kulturschaffende kämpfen während der Pandemie mit einschränkenden Hygienevorschriften der Landesregierung. Die Vorverkaufszahlen sind teils drastisch eingebrochen.

 Die Bonner Kulturschaffenden in Malentes Theaterpalast. Sie stehen angesichts neuer Einschränkungen vor großen Problemen.

Die Bonner Kulturschaffenden in Malentes Theaterpalast. Sie stehen angesichts neuer Einschränkungen vor großen Problemen.

Foto: Thomas Kölsch

Der dramatische Anstieg der Corona-Infektionen im Laufe der vergangenen Woche sowie die Einschränkungen durch Bund und Länder haben vor allem die Kultur schwer getroffen. Die Szene, die schon beim Lockdown im Frühjahr mit zu den größten Verlierern der Krise zählte, wird nun mit neuen Vorgaben konfrontiert, die teils willkürlich wirken und für viele Bühnen existenzbedrohend sind. Im Spiegelzelt der Familie Malente haben sich nun Vertreter zahlreicher Bonner Kultur-Institutionen getroffen, um über die Situation zu sprechen.

Ärger und Enttäuschung sind allen Anwesenden ins Gesicht geschrieben. Zwar hat die NRW-Landesregierung dank einer Intervention der Bonner Stadtverwaltung am vergangenen Samstag eine umstrittene Regelung gekippt, nach der die Theater nur 20 Prozent ihrer Kapazitäten nutzen dürfen, und diese durch einen Mindestabstand von 1,50 Metern zwischen den Haushalten ersetzt. Der Schaden ist jedoch angerichtet.

Selbst Generalintendant Bernhard Helmich macht aus seinem Unmut keinen Hehl: „Bislang bin ich immer davon ausgegangen, dass in den Behörden mit Sachverstand agiert wird, aber seit dem vergangenen Freitag ist dieses Vertrauen zutiefst erschüttert“, sagt er. „Die Einschränkungen, die jetzt auf uns als Theater zukommen, sind empirisch derart unsinnig, dass ich mich frage, auf welcher Seite eigentlich die Aluhüte sitzen.“ Immerhin hätten die Häuser zuletzt alles daran gesetzt, um den Spielbetrieb so sicher wie möglich zu machen und das Publikum davon zu überzeugen, dass ein Besuch wieder problemlos möglich sei. „Das ist uns nach einem sehr mühsamen September auch gelungen. Jetzt aber ist das Publikum wieder so verunsichert, dass wir von vorne anfangen müssen.“

Vorverkaufszahlen sind um mindestens 50 Prozent eingebrochen

Dieses Problem teilen die anderen Veranstalter mit dem städtischen Theater. „Seit der Pressekonferenz von Ministerpräsident Armin Laschet und den Mahnungen von Angela Merkel sind die Vorverkaufszahlen um mindestens 50 Prozent eingebrochen“, erklärt GOP-Direktor Mark Schüler. „Das scheint die Politik aber nicht zu interessieren, ebenso wenig wie die Frage, wie wir jetzt mit bereits verkauften Karten umgehen sollen.“ Tatsächlich fühlen sich die Kulturschaffenden einmal mehr alleingelassen – zumindest auf Landes- und Bundesebene. „Was fehlt, sind positive Signale von der Politik insgesamt“, moniert Pantheon-Chef Rainer Pause. „Bislang ist noch niemand in einem Theater mit Corona infiziert worden, und anstatt dies einmal zu betonen und sowohl uns als auch unserem Publikum Mut zu machen, wird wieder suggeriert, dass man bei uns besonders aufpassen müsse.“

Geradezu entsetzt waren die Kulturschaffenden zudem von der Aussage Laschets, dass die Kultur als „Freizeit und Privatvergnügen“ gelte. „Das trifft mich fast mehr als der finanzielle Schaden“, betont Jürgen Becker von der Brotfabrik. „Diese Worte zeugen von einer fundamentalen Unkenntnis seitens der Politik“, ist auch Elisabeth Einecke-Klövekorn überzeugt. Die Vorsitzende der Theatergemeinde betont, dass Kultur als Mittel zu Demokratiebildung und -bewahrung gerade jetzt keineswegs verzichtbar sei – und es auch gar nicht sein müsse. „Die Hygienekonzepte sind so durchdacht, dass Theater derzeit wahrscheinlich die sichersten Orte der Welt sind“, sagt sie.

Trotz der Einschränkungen wollen die Theater zunächst einmal weitermachen – einzig die Pathologie kann in ihren winzigen Räumen den Betrieb nicht länger aufrechterhalten. „Mich ärgert dabei vor allem, dass wir explizit vom Programm ‚Neustart‘ gefördert worden sind, um die Hygienemaßnahmen umsetzen zu können, und jetzt alles für die Katz’ sein soll“, sagt Theaterleiter Johannes Prill. Wie ernst die Lage aber insgesamt ist, zeigen die Zahlen der Theatergemeinde Bonn: Bei bis zu 60.000 Tickets, die sie pro Jahr an ihre Mitglieder verkauft, rechnet sie im schlimmsten Fall mit einem Einbruch von 90 Prozent.

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