Neue Anlaufstelle in Bonn Hilfe für Menschen ohne Krankenversicherung

Bonn · Der Verein Anonymer Krankenschein bietet für 5000 Menschen in Bonn ohne gültigen Krankenversicherungsschutz eine neue Anlaufstelle an. Hier sollen sie medizinische Hilfe und Unterstützung in sozialen Fragen erhalten.

 Das Team des Vereins AKS um Johannes Schwerdt (3. v. l.) aus dem Vorstand und Projektkoordinator Noah Peitzmann (6.v.l.) feiert die Eröffnung der neuen Clearingstelle für Menschen ohne Krankenversicherung in der Endenicher Straße 95.

Das Team des Vereins AKS um Johannes Schwerdt (3. v. l.) aus dem Vorstand und Projektkoordinator Noah Peitzmann (6.v.l.) feiert die Eröffnung der neuen Clearingstelle für Menschen ohne Krankenversicherung in der Endenicher Straße 95.

Foto: Sofia Grillo

Etwa 5000 Menschen in Bonn haben keine Krankenversicherung, schätzt die Stadt Bonn. Oft scheitert deshalb die frühzeitige medizinische Versorgung dieser Menschen und kann zu schweren Verläufen und akuten Notfällen führen. Diese Komplikationen könnten bei rechtzeitiger Versorgung möglicherweise vermieden werden. In Bonn soll die fehlende Krankenversicherung künftig keinen Ausschluss mehr von einer Behandlung bedeuten. Der Verein Anonymer Krankenschein (AKS) hat mit finanzieller Unterstützung der Stadt am Dienstag eine Clearingstelle, also einen Anlaufpunkt für Menschen ohne Krankenversicherung, eröffnet. Hierüber sollen sie nicht nur Zugang zur medizinischer Versorgung finden, sondern auch soziale Unterstützung.

Die Gründe, warum es in Deutschland Menschen ohne Krankenversicherungsschutz gibt, sind vielfältig. Oft haben sie beispielsweise keinen Aufenthaltsstatus. Ihnen steht zwar eine medizinische Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu, aber aus Angst vor Abschiebung nehmen sie diese oft nicht in Anspruch. Die Sozialämter sind nämlich dazu verpflichtet, die Ausländerbehörden in Kenntnis zu setzen, wenn sie von Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus erfahren. Auch EU-Bürger besitzen häufig keinen Versicherungsschutz, wenn sie nicht fest angestellt oder nur geringfügig beschäftigt sind.

Auch Privatversicherte können betroffen sein

Hinzu kommen wohnungslose Menschen und unter Umständen auch Privatversicherte, denen ein ausreichender Versicherungsschutz fehlt. Letztere geraten in diese Lage, wenn sie sich die Beiträge nicht mehr leisten können und in Zahlungsverzug geraten.

Bisher haben diese Menschen in Bonn Hilfe bei MediNetz gefunden, einem gemeinnützigen Verein in Bonn, der Menschen ohne Papiere eine medizinische Versorgung zugänglich macht. Aus dem ehrenamtlichen Team von MediNetz hat sich dann 2019 der Verein AKS gegründet, der sich für die Eröffnung einer Clearingstelle für Menschen ohne Krankenversicherung in der Politik stark macht. Das Anliegen: „MediNetz will sich selbst abschaffen“, wie es die Ehrenamtler scherzhaft ausdrückten.

Über einen Bürgerantrag in den Stadtrat

Und das ist ihnen nun gelungen: Mit einem Bürgerantrag war ihr Anliegen in den Stadtrat gekommen, der sich dafür aussprach, eine Clearingstelle für drei Jahre zu finanzieren. Mit den Geldern werden ein Projektkoordinator, eine Verwaltungskraft, zwei Sozialarbeiterinnen und ein Arzt finanziert – und natürlich die medizinischen Behandlungen der Menschen, die in der Anlaufstelle Hilfe finden sollen.

„MediNetz wird seine Sprechstunden noch bis Ende des Jahres parallel zu denen der neuen Clearingstelle anbieten. Wir werden den Menschen das neue Angebot nun erklären müssen und ihnen die Angst nehmen“, sagt Johannes Schwerdt, der dem Vorstand von AKS angehört. Da der fehlende Versicherungsschutz oft auch mit fehlenden Papieren einhergeht, begleitet die hilfesuchenden Menschen immer auch die Sorge „aufzufliegen“, wenn sie sich Unterstützung suchen. Doch die Sorge ist unbegründet – ihre soziale Situation wird wie auch bei MediNetz in der neuen Clearingstelle des Vereins AKS vertraulich behandelt.

Der Arzt Dr. Jörg Pieper wird die Menschen in der Anlaufstelle allgemeinmedizinisch untersuchen. Bei Bedarf kann er den sogenannten anonymen Krankenschein ausstellen, mit dem die Patienten bei einem Facharzt ihrer Wahl behandelt werden können. Die Kosten dafür werden über die Clearingstelle abgerechnet. Doch bevor es zu der ärztlichen Untersuchung kommt, führen die Sozialarbeiterinnen in der Sprechstunde ein Gespräch mit den Besuchern und machen sich ein Bild. Unter Umständen können sie beispielsweise bei den Themen Aufenthaltsstatus oder Antrag auf Pflegegeld helfen. „Ideal wäre es natürlich, wenn die Menschen irgendwann nicht mehr auf uns angewiesen wären, weil sie einen Versicherungsschutz haben“, sagt Schwerdt zum Ziel dieser Arbeit.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Der Party-Professor
Wissenschaftler in Bonn Der Party-Professor
Zum Thema
Aus dem Ressort
Trauriges Verdienst
Kommentar zur erschossenen Bonnerin in Tunesien Trauriges Verdienst