Bonner Verein für Gefährdetenhilfe Kalender spiegelt Gedanken der Obdachlosen wider

Bonn · Der Verein für Gefährdetenhilfe präsentiert neuen Kalender für das kommende Jahr. Diesmal wurden statt Bilder Worte gesammelt.

 Vertreter des VfG stellten in der Buchhandlung von Alfred Böttger (2.v.r.) den neuen Kalender vor, darunter Nelly Grunwald (l.) und Susanne Fredebeul (3.v.l.). Sandro (r.) kam stellvertretend für die Autoren.

Vertreter des VfG stellten in der Buchhandlung von Alfred Böttger (2.v.r.) den neuen Kalender vor, darunter Nelly Grunwald (l.) und Susanne Fredebeul (3.v.l.). Sandro (r.) kam stellvertretend für die Autoren.

Foto: Sabine Robels

„Ich bin ein Optimist, aber auch Realist, also ich erwarte nicht so viel, und jeder Tag ist willkommen“. Es ist ein Kalenderspruch im wahrsten Sinne des Wortes. Es sind die Gedanken von Sandro, und es sind die Worte für das Februar-Blatt im VfG-Kalender 2023.

Sandro erzählt seine Geschichte, stellvertretend für die anderen, die in unserer Gesellschaft irgendwann ganz unten angekommen sind. Manche kämpfen sich gerade wieder hoch. Zu ihnen gehört Sandro. Er ist 53 Jahre alt und war 32 Jahre lang heroinabhängig. Er erzählt, wie ihn seine Sucht in einen anderen Menschen verwandelt hatte: „Es drehte sich alles nur noch um Drogen und darum, das Geld dafür zu beschaffen.“ So habe ihn seine Sucht in die Obdachlosigkeit und in den Kast geführt.

Heute sei er clean, wieder ein Jahr geschafft, das mache ihn glücklich. Er hat eine kleine Wohnung, geht stundenweise arbeiten, macht viel ehrenamtlich. Der gelernte Koch möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben. Also tut er das, was er kann und kocht für andere. Seine beiden Eltern leben noch, auf Sardinien. Dahin zurückzukehren ist für ihn keine Option. Er sei Bonner, hat einen 17-jährigen Sohn, den er oft sieht, der ihm viel Halt gibt: „Er ist ein guter Junge. Ich bin sehr stolz auf ihn und liebe ihn sehr.“

Bescheiden sind nicht nur seine Gedanken, die er für den Kalender aufschrieb. Sven schreibt: „Es ist ein schönes Lebensgefühl, wieder arbeiten zu gehen.“ Und Andre: „Ich freue mich jeden Tag darüber, dass ich noch am Leben bin“. Luciano scheint den Lieblingsspruch der Veranstalter in sieben Worte gefasst zu haben: „Die Menschen in Bonn sind gute Menschen“.

Gedanken und Wünsche

Insgesamt spiegeln die Worte der überwiegend Obdachlosen Gedanken und Wünsche wider, die so oder ähnlich wohl alle Menschen auf der Welt kennen. Manche wünschen sich eine Wohnung, andere Gesundheit oder Kleingeld, wieder andere sind einfach nur froh, dass es den Kindern gut geht.

Susanne Fredebeul vom Verein für Gefährdetenhilfe (VfG) erzählt, dass sie in diesem Jahr ganz bewusst auf Fotos verzichtet haben. Seit 2007 gibt es den Kalender, der längst Kultstatus hat, und es hat immer ein Motto gegeben. In diesem Jahr heißt der Kalender „Auf ein Wort …“ und spiegelt die Gedanken der Menschen auf der Straße wider. Es ist eine Sammlung von Wünschen und Gedanken geworden. „Zu überleben, ist immer wieder Thema“, stellt Nelly Grunwald, Geschäftsführerin beim VfG, fest.

Und beide bedanken sich bei Alfred Böttger, der in der Maximilianstraße 44 eine ungewöhnliche Buchhandlung besitzt. Bestseller hat er kaum, dafür viel Randliteratur. „Die Bestseller sind oft auch sehr gute Bücher“, sagt er. Doch seine Nische sind andere Bücher, viele Philosophische Werke stehen in den Regalen, die bis zur Decke reichen. Dort gibt es auch Raum für Events, für Kunst und eben auch für die Vorstellung des Kalenders „Auf ein Wort…“

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