Tag der offenen Tür Bonner Müllverbrennungsanlage lässt hinter die Kulissen blicken

Bonn · Wo sparen die Besucher schon Energie ein und wo ist noch Luft nach oben? Wie entstehen aus Müll Strom und Wärme? Und wie fährt sich ein Elektro-Roller? Beim Tag der offenen Tür in der Bonner Müllverbrennungsanlage gab es viel zu entdecken und zu erfahren.

 Wo sparen die Besucher schon Energie ein und wo ist noch Luft nach oben? Die MVA Bonn macht am Tag der offenen Tür einen Check.

Wo sparen die Besucher schon Energie ein und wo ist noch Luft nach oben? Die MVA Bonn macht am Tag der offenen Tür einen Check.

Foto: Stefan Knopp

Julian Mittelstädt musste eine ganze Weile anstehen, um endlich in den Kern der Müllverbrennungsanlage zu gelangen. Denn beim Tag der offenen Tür am Samstag wollten viele Besucher durch die Gänge mit all den Rohren, Anzeigen und der Technik zu dem kleinen dicken Fenster gelangen, hinter dem bei enormer Temperatur der angelieferte Abfall verbrannt wird. Als er endlich drin war, erhielt er eine Privatführung von seinem Schwager, der dort arbeitet.

Der hatte ihm seinen Arbeitsplatz schmackhaft gemacht: ein abwechslungsreicher und interessanter Job, der wichtig ist. „Das hat sich schon spannend angehört“, sagte Mittelstädt. Für seine Tätigkeit als Landwirt könne er von dem Tag der offenen Tür zwar nicht viel mitnehmen, was etwa Energiesparmaßnahmen angeht. Denn zum Beispiel im Saustall müssten bestimmte Bedingungen herrschen, da sei man nur begrenzt flexibel. Er sei in erster Linie gekommen, „um den Horizont zu erweitern“.

Energiesparen ist aktuell ein wichtiges Thema, für das die MVA-Mitarbeiter Bewusstsein schaffen wollten. An einer Station konnte man überprüfen, welche Maßnahmen man selbst schon umsetzt und für welche man sich begeistern lassen könnte: Weniger mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen zum Beispiel, öfters mit ÖPNV oder Fahrrad fahren, vorrangig kalt oder lauwarm duschen, kein Wasser in Flaschen kaufen, sondern das aus der Leitung trinken. Und natürlich weniger Kunststoffmüll verwenden, der schließlich in der MVA landet. Denn bei der Verbrennung wird CO2 freigesetzt, erklärte Florian Joist, Bereichsleiter Produktion und Optimierung der MVA, und den könne man nicht filtern.

Aus CO2 Methanol herstellen

Man rechnet pro Tonne Müll eine Tonne Kohlenstoffdioxid. Die MVA hatte drei Jahre lang mit der Technischen Hochschule Aachen daran geforscht, wie man das CO2 abspalten und mit Zugabe von Wasserstoff in Methanol umwandeln kann, das in der Industrie zur Kunststoffherstellung genutzt werden kann. Die Ergebnisse waren vielversprechend (der GA berichtete). Natürlich müsse auch die Industrie ihren Teil dazu beitragen und weniger Kunststoff als Verpackung nutzen, so Joist. Aber ohne Druck wird da wohl nichts geschehen. „Der Gesetzgeber müsste dafür sorgen, dass das bepreist wird.“

Immerhin wird in Bonn der bei der Verbrennung entstehende heiße Dampf in Energie und Fernwärme umgesetzt. Dafür wird dieser Dampf über die Rohrbrücke auf die andere Seite der Immenburgstraße zum Heizkraftwerk der Bonner Stadtwerke transportiert, über das diverse Haushalte in Bonn mit Wärme und Strom versorgt werden. Das Fernwärmenetz hat laut Rolf Driller vom Kraftwerk inzwischen eine Länge von 110 Kilometern, wird aber weiter ausgebaut. Dafür wird derzeit ein Anbau errichtet, der Anfang 2024 in Betrieb gehen soll.

Momentan wird für die Umwandlung von Dampf in Energie noch Erdgas benötigt. „Demnächst wollen wir aber Wasserstoff beimischen, um mittelfristig weniger Erdgas zu verfeuern“, erklärte Driller. Mit dem Ukrainekrieg habe das nichts zu tun, da die Entscheidung dafür schon vor vier Jahren getroffen worden sei, aber es sei eine glückliche Entscheidung gewesen, da man damit die jetzige Erdgasversorgungssituation auffangen könne.

Zukunftsprojekt für Recycling

Beim Tag der offenen Tür durften natürlich auch bonnorange, die Rhein-Sieg-Abfall-Gesellschaft sowie die SWB-Töchter Returo und Refer nicht fehlen. Die Umweltlernschule richtete sich an Familien, außerdem stellte sich das klimafreundliche Zukunftprojekt bonNova vor, das sich für Recycling starkmacht. Auch das Zentrallager Sachspenden war eingeladen worden, um sein neuestes Projekt vorzustellen: die Wiederverwendung von Altkleidern, die auch beim ZeSaBo anfallen, speziell von Jeans in einem schlechten Zustand. Die werden an das Unternehmen Jeansrecycling.org weitergegeben, das sie schreddert und daraus neue Kleidung näht. Oder Taschen, auf die sie Werbung für das ZeSaBo drucken. Dessen Chef Jan Erik Meyer lobte die Entwicklung in der MVA. „Es ist gut, dass Bonn eine andere Abfallmentalität entwickeln will.“

Diese Mentalität wollen Nina und Bernd Schönbach auch ihren Söhnen vermitteln, deshalb waren sie auch zum Tag der offenen Tür gekommen. Dominik (7) interessierte sich zwar mehr für den Kran, der das Sicherungsseil fürs Kistenstapeln hielt, und Jonas (5) fand besonders die E-Roller gut, die man auf dem Gelände Probefahren konnte. Aber auch über das Thema Müll wollen sie viel wissen, erzählte die Mutter. Etwa, worin Plastik verarbeitet wird. Die Eltern erklären ihnen alles, um die Kinder dafür zu sensibilisieren, und leben ihnen nach Möglichkeit das Konzept der Wiederverwertung vor. „Ich glaube nicht, dass wir diesen Plastikluxus noch lange aufrecht erhalten können.“

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