Einzelhandel kritisiert Verwaltungsaufwand Bonner ändern ihr Kaufverhalten trotz Mehrwertsteuersenkung nicht

Bonn · Seit dem 1. Juli zahlen Verbraucher statt 19 Prozent nur noch 16 Prozent Mehrwertsteuer. Doch die Bonner verändern ihr Kaufverhalten nicht. Jetzt äußert der Einzelhandel Kritik, weil der Verwaltungsaufwand hoch ist.

 Besucher in der Bonner Innenstadt (Archivbild).

Besucher in der Bonner Innenstadt (Archivbild).

Foto: Benjamin Westhoff

Zahlreiche Menschen laufen durch die Innenstadt. Viele tragen volle Einkaufstaschen, betreten damit das nächste Geschäft. In den Schaufenstern prangen groß und deutlich lesbar die Worte: Mehrwertsteuersenkung, alle Preise gesenkt. Seit dem 1. Juli zahlen Verbraucher statt 19 Prozent nur noch 16 Prozent Mehrwertsteuer. Der Hintergrund dieser Senkung: Die Bürger sollen nach dem Corona-Lockdown wieder in die Läden gelockt werden.

Die vollen Innenstädte lassen Vermutungen aufkommen, dass die Senkung der Mehrwertsteuer das bewirkt, was die Politik erreichen wollte. „Die paar Cent, die man spart, merkt man nicht“, sagt jedoch die 29-jährige Jasmin Olzem. Neue Kleidung habe sie sowieso gebraucht. „Die Senkung finde ich eher albern. Viele leben jetzt nach dem Motto: Ich spare mich reich, dabei sind das nur wenige Euro“, sagt auch Vanessa Farhang, die eine Tüte vom Media Markt in der Hand hält. Für den Bonner Einzelhandel ist die Senkung der Mehrwertsteuer zudem ein großer bürokratischer Aufwand. „Die Steuersenkung ist eine nicht ernstzunehmende Aktion. Dem Handel bringt sie Verwaltungskosten“, sagt Jannis Vassiliou, Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes Bonn Rhein-Sieg Euskirchen (EHV). „Besser wäre es, die Lohnsteuer zu senken, damit der Verbraucher mehr freies Geld zur Verfügung hat und die Betriebe weniger Kosten haben“, so Vassiliou. Gabriela Müsseler ist Geschäftsführerin des Familienunternehmens Südstrand an der Friedrichstraße. Die Senkung der Mehrwertsteuer wird bei ihr im Laden an der Kasse abgezogen.

Damit folgt sie der Empfehlung des EHV. „Die Umzeichnung aller Artikel wäre für die Geschäfte ein riesiger Kosten- und Arbeitsaufwand“, so Vassiliou. Für das Kassensystem musste Müsseler jedoch aus eigener Tasche ein Update kaufen. „Für mein Geschäft bringt die Senkung nichts. Die Kunden kaufen deshalb keine zweite Strickjacke“, sagt Müsseler. Bisher bemerke auch der EHV kein gesteigertes Kaufverhalten seitens der Kunden.

Einige große Unternehmen begrüßen das beschlossene Konjunkturpaket. „Die Mehrwertsteuersenkung ist angesichts der schwerwiegenden Auswirkungen der coronabedingten Schließungen ein starkes Signal“, sagt eine Sprecherin des Unternehmens Media Markt Saturn. Die Waren in den Märkten sind zum Großteil mit elektronischen Preisschildern ausgezeichnet. Diese werden nach und nach zentral mit den neuen Preisen bespielt. Müsseler hingegen hätte jedes Preisschild per Hand überkleben müssen. „Dafür hätte ich meinen Laden eine Woche schließen müssen.“

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