18. Oktober 1944 Bonner Historiker erinnert an Angriff der britischen Luftwaffe

BONN · Am 18. Oktober 1944 wurde die Stadt das Ziel eines Flächenbombardements durch die britische Luftwaffe. Hunderte Menschen kamen ums Leben. Über die Hintergründe dieses schwarzen Tages der Stadtgeschichte sprach Vera Dudik mit Historiker Horst-Pierre Bothien.

Am 18. Oktober soll der Himmel über Bonn leicht bewölkt sein, wie es auch vor 69 Jahren vorausgesagt war. Warum wurde die Altstadt wegen dieses Wetterberichtes von 128 britischen Bombern in Schutt und Asche gelegt?
Horst-Pierre Bothien: Es war ein strategisches Bombardement der Engländer. Sie wollten ein neues Navigations- und Bombenleitsystem ausprobieren und hofften auf wolkigen Himmel, damit kein Sichtkontakt zu den Zielen am Boden besteht. Um die Auswirkungen des Systems zu dokumentieren, brauchte man eine Stadt, die relativ unbeschädigt geblieben war. Am 18. Oktober 1944 wurde Bonn erstmals großflächig bombardiert, zuvor ist die Stadt im Luftkrieg eher glimpflich davongekommen.

Wie lief der Angriff ab?
Bothien: Die Bomber flogen gegen 11 Uhr über die Eifel ein und in einem Korridor von Südosten nach Nordwesten über die Stadt. Die Wettervorhersagen waren besser als angenommen, es war ein relativ sonniger Tag. Der Test des Ortungssystems war damit im Grunde obsolet, die Briten konnten nun aber gezielt schwere Spreng- und Brandbomben auf die Altstadt werfen.

Besonders getroffen wurden die Bahnhofsgegend und das Gebiet neben der Rheinbrücke. Auch das Rathaus, die Universität und das Münster wurden beschädigt. Rund 60 Prozent der Altstadt sind beim Angriff zerstört worden.

Wie viele Opfer gab es?
Bothien: 300 Menschen sind umgekommen, etwa 1000 wurden verletzt. Von den Opferzahlen war das nicht der schlimmste Angriff, der kam dann um die Jahreswende 1944/1945. Aber das Symbolische, die völlige Zerstörung der bis dahin unbeschädigten Innenstadt, das hat den 18. Oktober im Bewusstsein der Bevölkerung weiter transportiert, bis heute. Wenn wir hier an Kriegszerstörung denken, dann haben wir dieses Datum im Kopf.

[kein Linktext vorhanden]Konnte man vorab Menschen evakuieren?
Bothien: Nein, dazu kam alles zu überraschend. Das Bunkersystem war in Bonn zwischen 1939 und 1941 relativ gut ausgebaut worden, viele Leute konnten sich dorthin flüchten, das schon. Zwar wurden auch einige Kinder aufs Land verschickt. Trotzdem hatten viele Bonner bis zum 18. Oktober nach wie vor die Hoffnung, die Stadt bliebe verschont.

Bonn war Lazarettstadt, solche Städte sollten nicht bombardiert werden. Und als Beethovenstadt mit einer besonderen Kultur, für die die Engländer ein Faible hatten, dachte man sich: Wir kommen da schon irgendwie durch. Vielleicht spielte es wirklich eine Rolle, dass Bonn eine relativ kleine Stadt ohne große Industrie war und diesen Nimbus der Rheinromantik hatte. Aber dann kam eben diese neue Ortungstechnologie, die ausprobiert werden sollte.

Inwiefern sind die Geschehnisse vom 18. Oktober 1944 im Stadtbild von heute präsent?
Bothien: Haben wir denn überhaupt ein zentrales Mahnmal für den 18. Oktober? Nein, haben wir nicht. Wenn man sich auf den Markt stellt, sieht man das Alte Rathaus und daneben die Gebäude, die aus den 60er und 70er Jahren stammen. Aber das merkt man nur, wenn man sich bewusst macht, dass es vor dem Krieg anders aussah.

Es gibt ein kleineres Kriegsmahnmal bei der Rheinbrücke, sehr versteckt. Wer davon nichts weiß, findet es nicht. Mich hat immer bewegt, dass man in Berlin die Gedächtniskirche so belassen hat, wie sie am Kriegsende war. So ein Monument haben wir nicht. In den Köpfen der älteren Menschen in Bonn ist der 18. Oktober sicher bis heute ein entscheidender Tag. Insofern könnte man sich überlegen, ob ein Mahnmal dafür nicht sinnvoll wäre.

Zur Person

Horst-Pierre Bothien erforscht seit 22 Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Stadtmuseum Bonn die Geschichte der Stadt. Geboren wurde er 1955, nach dem Geschichtsstudium arbeitete er vier Jahre bei der Bonner Gedenkstätte, bevor er 1991 ins Stadtmuseum wechselte.

Arbeitsschwerpunkt Bothiens ist das 20. Jahrhundert. Er beschäftigt sich unter anderem mit der nationalsozialistischen Vergangenheit der Stadt, aber auch mit den Studentenprotesten 1968 und dem Ersten Weltkrieg. Zum Thema des 18. Oktober hat der Historiker mit Erhard Stang das Buch "Bonn im Bombenhagel" veröffentlicht.

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