Nach Finanzskandal Bonner Münster plant bis zum Advent mit Interims-Stadtdechanten

Bonn · Weder der kommissarische Leiter des Stadtdekanats noch Pfarrverweser haben Ambitionen, das höchste kirchliche Amt in Bonn zu übernehmen. Unterdessen geht die Aufklärung der Finanzaffäre hinter den Kulissen weiter.

Die unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte bringt Licht ins Zahlenwerk, die Pfarrer Bernd Kemmerling und Alfons Adelkamp kümmern sich um die Menschen. Nach Bekanntwerden der Finanzaffäre am Bonner Münster gibt es alle Hände voll zu tun. Bei einer Pressekonferenz im Collegium Albertinum stellte Bistumssprecher Christoph Heckeley am Dienstag gemeinsam mit den Pfarrern, die nach dem Amtsverzicht kommissarisch die Aufgaben von Stadtdechant Wilfried Schumacher übernehmen, Pläne für die Übergangszeit vor.

Manches muss kurzfristig und unbürokratisch geregelt werden. So springt Bistums-Personalchef Mike Kolb an Fronleichnam in Poppelsdorf für Kemmerling ein, der die zentrale Prozession in der Innenstadt leitet. „Die neue Aufgabe kam für mich überraschend“, sagte Kemmerling, der nicht nur Pastor in Ippendorf, Poppelsdorf und auf dem Venusberg ist, sondern auch für die Frauenseelsorge im Dekanat zuständig ist. Als kommissarischer Stadtdechant hat Kemmerling schon viele Gespräche geführt, ein Besuch beim Oberbürgermeister steht noch aus.

Der Pfarrer ist froh, dass er auf ein „bewährtes Team“ zurückgreifen kann. Auch wenn er seine drei Pfarreien „nicht allzu lange strapazieren“ möchte, hat Kemmerling bereits Termine bis zum Advent ausgemacht. Er rechnet offenbar nicht damit, dass vorher ein Nachfolger gefunden ist. Der Neubesetzung des Amts, das für Kemmerling als überzeugten Seelsorger an der Basis nicht infrage kommt, geht ein längeres Anhörungsverfahren voraus.

Adelkamp, Pastor in Endenich, Röttgen und Lengsdorf, übernimmt derzeit als Pfarrverweser die Leitung der Münster-Gemeinde St. Martin. „Meine Mitarbeiter sind guten Mutes. Wir packen jetzt an, um der Menschen willen“, sagte Adelkamp. Es sei aber auch Betroffenheit und Verunsicherung zu spüren. Über die mehr als 1300 Unterzeichner der Petition für Monsignore Schumacher sagte Kemmerling: „Es tut gut, wenn sich Wertschätzung äußert.“ Schumacher habe viele Qualitäten und sei ein guter Prediger, er dürfe nicht „auf eine Causa“ reduziert werden. Kemmerling kündigt auch an, dass es nach den Sommerferien einen Abschied für Schumacher geben werden. Wann und wie, das entscheide dieser selbst.

Wenig neues in der Aufklärung des Finanzskandals

Auch das Erzbistum unterscheidet laut Heckeley „zwischen der Person, die seelsorgerisch wirkte, und der Verantwortung für die Vermögensangelegenheiten“. Dem Vorwurf von Kritikern, dass Schumacher ohne Vorwarnung zum Amtsverzicht gedrängt wurde, widersprach Heckeley. „Er war schon im vergangenen halben Jahr in das Prüfverfahren einbezogen, und es haben mehrere Gespräche stattgefunden.“

Wenig erhellend Neues gibt es unterdessen bei der Aufklärung des eigentlichen Finanzskandals. Wie berichtet, war in der Verantwortung von Stadtdechant Wilfried Schumacher in den Jahren 2009 bis 2014 das rund zwei Millionen Euro umfassende Substanzvermögen der Münstergemeinde durch unzulässige Umschichtungen in den allgemeinen Haushalt der Gemeinde aufgebraucht worden.

Die Prüfung soll auch detaillierte Erkenntnisse darüber erbringen, wie sich das Finanzgebaren der Gemeinde in den Jahren nach 2014 gestaltete. Dieser Zeitraum spielt bei den bisherigen Vorwürfen keine Rolle. Offen ist derzeit außerdem, ob und wie der entstandene Verlust des Substanzvermögens für das Münster ausgeglichen werden kann. Auch dies, so Heckeley, sei Gegenstand der laufenden Prüfungen. Eine Schadenersatzklage gegen verantwortliche Personen sei für das Erzbistum derzeit keine Option. Während das Erzbistum auch von einer Strafanzeige gegen Schumacher oder Mitarbeiter abgesehen hatte, prüft die Bonner Staatsanwaltschaft weiterhin, ob sie von Amts wegen Ermittlungen einleitet. Die Rendantur des Münsters wird bis auf Weiteres stellvertretend geführt; der bisherige Rendant ist weiterhin langfristig krankgeschrieben.

Verwaltungsleiter wird Geschäfte aufnehmen

Zur Aufarbeitung gehört auch, dass Münsterpfarrei und Stadtdekanat vom Erzbistum personell unterstützt werden. So wird am 1. Juni ein Verwaltungsleiter die Geschäfte aufnehmen, bei dem unter anderem die gesamte Personalverantwortung liegen wird. Nicht nur in Bonn, auch in anderen Gemeinden, versucht das Erzbistum derzeit, die Pfarrer auf diese Weise zu entlasten. Am Münster soll überdies ein Betriebswirt den Kirchenvorstand in ökonomischen Fragen beraten. Nicht zuletzt gibt es offenbar positive Signale aus Köln, zur Unterstützung des Stadtdekanats einen Pfarrvikar als zusätzlichen Geistlichen zu entsenden.

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