Reaktion auf Anschlag in Berlin Bonner Polizei rüstet auf Weihnachtsmarkt auf

Bonn · Mit der deutlich sichtbaren Präsenz bewaffneter Einsatzkräfte rund um den Weihnachtsmarkt in der Bonner Innenstadt und den Nikolausmarkt in Bad Godesberg wollen Polizei und städtisches Ordnungsamt nun das Sicherheitsgefühl der Besucher stärken.

Nach mehrstündiger Lagebesprechung am Dienstagvormittag entschieden sich die Verantwortlichen zu diesem Schritt. Die Zufahrten zum Martinsplatz neben dem Münster, zu Poststraße und Friedensplatz wurden mit Einsatzfahrzeugen und Autos der Schausteller blockiert, an anderen Stellen wurden die versenkbaren Poller dauerhaft hochgefahren. Der Lieferverkehr soll aber vormittags bis 12 Uhr auch weiterhin passieren können, erklärte Klaus Kapellner, Leiter des Polizeireviers Innenstadt, am Nachmittag auf einer improvisierten Pressekonferenz auf dem Martinsplatz.

Sichtbarstes Zeichen für die veränderte Lage: Die je nach Tageszeit 16 bis 20 Doppelstreifen der Polizei werden um acht zusätzliche Beamte ergänzt. Vor allem zur Eigensicherung seien die Polizisten jetzt mit schweren Schutzwesten und Maschinenpistolen ausgerüstet worden, betonte Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa.

"Die Menschen schauen uns jetzt ganz anders an", berichtet einer der Polizisten über seine ersten Dienststunden am Münsterplatz. Angst verspürt er nicht. "Das ist ja eine sehr abstrakte Gefahr." Tatsächlich lägen der Polizei keinerlei Hinweise auf konkrete Gefahren für den Bonner Weihnachtsmarkt vor, betonte Polizeichefin Brohl-Sowa. Der Markt sei allein aufgrund seiner Größe und Anziehungskraft als besonders schützenswert bewertet worden.

Für Schausteller Hubert Markmann, der unter anderem die Glühweinpyramide auf dem Münsterplatz betreibt, ist die Bedrohung weitaus persönlicher. "Mein Freund Max Müller stand mit einer Bratwurstbude an der Gedächtniskirche", berichtet Markmann sichtlich betroffen. "Der Laster ist direkt hindurchgefahren - nur 70 Zentimeter von seiner Frau entfernt." Noch am Abend telefonierte der Bonner mehrfach mit seinem Kollegen. Nur durch einen glücklichen Zufall habe der nicht selbst zu den Opfern gehört. Er war zum Zeitpunkt des Anschlags an einem Nachbarstand. Seine Bude aber zerbarst in Tausende Teile. Trotzdem müsse es in Bonn nun irgendwie weitergehen: "Sonst haben die Täter gewonnen."

"So etwas Schreckliches kann doch überall passieren"

Ähnlich äußerte sich auch Oberbürgermeister Ashok Sridharan: "Wir dürfen uns den Advent und die Vorfreude auf Weihnachten nicht nehmen lassen", sagte er. Er habe sich auf dem Weihnachtsmarkt stets sicher gefühlt und werde ihn auch in den kommenden Tagen besuchen. In einem Schreiben an Berlins Regierenden Bürgermeister Michael Müller hatte Sridharan bereits am Morgen den Berlinern die Anteilnahme und Solidarität der Stadt Bonn übermittelt. Gemeinsam mit Brohl-Sowa, Stadtdechant Wilfried Schumacher, Superintendent Eckart Wüster und zahlreichen Marktbesuchern nahm er am Abend, 24 Stunden nach dem Anschlag in Berlin, vor dem Münster an einer Schweigeminute teil. Die 2,4 Tonnen schwere Glocke der Stadtpatrone rief die Teilnehmer zum Innehalten mit dem Friedenslicht aus Bethlehem auf. "Es geht darum, auf das Licht zu schauen, nicht auf die Dunkelheit. Gebt denen nicht eure Angst", forderte Schumacher.

Auch Familie Eisbusch lässt sich von den Ereignissen nicht abschrecken. "Wir sind Schausteller mit Leib und Seele. So etwas Schreckliches kann doch überall passieren", sagte Günter Eisbusch und füllte weiter seine frisch gebrannten Mandeln ab. "Natürlich kann man das nicht ignorieren, aber wir können uns jetzt auch nicht verkriechen", meinte sein Vater Hans-Jürgen.

Ähnlich sehen es Sarah van Niekerk und ihr aus Polen stammender Freund Lukasz Flakus. Vom Weihnachtseinkauf hatten sie für einen Glühwein Station gemacht. "Wir sind überzeugt, dass das nicht zweimal passiert. Man sollte sich seine Freude nicht nehmen lassen", finden sie.

"Was sollen wir jetzt tun?"

Ein mulmiges Gefühl hat Mandy Barber an ihrem Schokoladenstand schon. "Aber was sollen wir jetzt tun? Seit heute wird der Weihnachtsmarkt ja von noch mehr Polizisten bewacht. Aber man denkt natürlich immer an das Unglück." Mitleid habe sie vor allem mit den Kollegen vor Ort.

Bernd Dreyer will sich auf keinen Fall einschüchtern lassen. "Ich habe jetzt keine größere Angst vor Attentaten", erklärte er an seinem Stand für Blechspielzeug. "Auch im Straßenverkehr sterben Tag für Tag viele Menschen. Deshalb kann ich mich doch nicht zu Hause verschanzen", meint er. "Ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen".

An eine allgegenwärtige Bedrohung hat sich Kathrin Breidbach längst gewöhnt. "Im vergangenen Jahr war es Paris, jetzt ist es Berlin", meinte sie an ihrem Stand für Lichtobjekte. Allerdings fühle sie sich seit Dienstagmorgen schon sicherer. "Jetzt sind viel mehr Polizisten und Mitarbeiter des Ordnungsamtes unterwegs. Nein, ich bin kein ängstlicher Mensch. Was passiert, das passiert", sagt sie.

Henriette Paulus hätte hingegen am Dienstag lieber etwas anderes unternommen. "Etwas, wo nicht so viele Menschen unterwegs sind", erklärte die Bornheimerin. Dabei habe sie sich auf diesen Ausflug mit Enkeltochter Lara lange gefreut. "Wir wollten zum Karussell und Zuckerwatte essen. Aber ehrlich gesagt wäre ich lieber zu Hause geblieben."

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