60-jähriges Dienstjubiläum Bonner Rotkreuzschwester versorgte Verwundete im Vietnamkrieg

Bonn · Hedwig Frings hat als Rotkreuzschwester auf dem Hospitalschiff „Helgoland“ vor der Küste Vietnams gearbeitet. Zum Krieg in der Ukraine hat sie eine deutliche Position.

Auf der Helgoland versorgten DRK-Schwestern die im Vietnahmkrieg Verwundeten.

Auf der Helgoland versorgten DRK-Schwestern die im Vietnahmkrieg Verwundeten.

Foto: DRK/Holloway

Die rund 2000 examinierten Pflegekräfte der „Deutsches Rotes Kreuz Schwesternschaft Bonn e. V.“ arbeiten in mehreren Kliniken, unter anderem in der Bonner Uniklinik, in Pflegeheimen, Seniorenzentren, Hospiz-Einrichtungen, ambulant und stationär in elf Städten von Ratingen bis Bonn. Als sich die für langjährige Mitgliedschaft zu Ehrenden trafen, wurden sie von Frauke Hartung, Oberin der DRK-Schwesternschaft, mit den Worten begrüßt: „Es ist schon unglaublich, welch geballte pflegerische Fachkompetenz und welches Engagement aus sechs Jahrzehnten an solch einem Tag versammelt ist“, erinnert sich Pressesprecherin Tamara Häußler.

Und so sehen sich die ordentlichen Mitglieder der Schwesternschaft, die alle qualifizierte, oft hoch spezialisierte Pflegefachkräfte sind. „Sie sind alle sehr stolz darauf, dazuzugehören“, sagt Häußler. „Ich empfinde sie alle als zugewandt und menschlich.“

 Hedwig Frings hat im Laufe ihres Berufes viel gesehen und gelernt. Sie wollte immer Krankenschwester werden. Auch heute würde sie den Beruf wieder wählen.

Hedwig Frings hat im Laufe ihres Berufes viel gesehen und gelernt. Sie wollte immer Krankenschwester werden. Auch heute würde sie den Beruf wieder wählen.

Foto: Sabine Robels

Bereits seit 60 Jahren ist Hedwig Frings dabei. Sie hatte schon ihre Ausbildung bei der Bonner Schwesternschaft gemacht. Und in jungen Jahren trieb sie der Wunsch zu helfen, gepaart mit einer Portion Abenteuerlust, auf die Helgoland, ein sogenanntes Hospitalschiff, das sich an der Küste Vietnams um Verletzte und Kranke kümmerte. Das war 1967. Heute erzählt sie mit einer guten Portion Humor von damals. Es sind die Nebensätze, die erahnen lassen, wie schlimm es wirklich gewesen sein muss. Auch wenn die Albträume nach der Rückkehr „nur“ rund drei Monate anhielten, wusste ihr Sohn, dass es gut sei, doch noch einmal in das längst befriedete Vietnam in Urlaub zu fliegen. Das war 2013. „Er hatte Recht“, sagt Hedwig Frings. Bis dahin habe sie nur grausige Bilder aus Vietnam im Kopf gehabt. Der Urlaub habe ihr gezeigt, wie schön das Land ist und wie freundlich die Menschen dort sind. Und sie erzählt davon, dass sie 1971 noch einmal nach Vietnam auf die Helgoland wollte.

Vietnam mit anderen Augen gesehen

Doch es kam anders. Da sie vorher Erfahrungen als Gemeindeschwester in ihrer Heimatstadt Engelskirchen gesammelt hatte, wurde ihr angetragen, doch nach Nigeria zu gehen. Dort wurde eine ehemalige Lepra-Station in ein Krankenhaus umgewandelt. Heute heißt es Mary Slessor Joint Hospital. „Als ich dort ankam, sollte ich im OP arbeiten, hatte aber keinerlei Erfahrung darin. Ein Arzt übte mit mir heimlich nach Feierabend das Einfädeln von Nähten. Es sollte keiner merken, dass ich das nicht konnte“, sagt sie schmunzelnd. Und gibt zum Besten, wie ein Nigerianer nicht damit klar kam, die damals charakteristische Häubchen der Schwersternuniform in Fasson zu bügeln.

 Einsatz des DRK-Hospitalschiffes Helgoland während des Vietnamkrieges 1966 bis 1972.

Einsatz des DRK-Hospitalschiffes Helgoland während des Vietnamkrieges 1966 bis 1972.

Foto: Manfred Bluhm/DRK

Doch irgendwann wird das Gespräch ernster. Neun Monate war sie erst in Saigon, heute Ho-Chi-Minh-Stadt, und später in Da Nang. Dort hat sie auch den Großangriff auf die Küstenstadt erlebt. „Normalerweise lag unser Schiff am Flussufer. Aber bei Gefahr konnten wir schnell in die Bucht und aufs offene Meer fahren.“ Die Amerikaner hätten sie immer rechtzeitig gewarnt. So erlebten sie den Großangriff auf dem offenen Meer. Der Angriff misslang, das Schiff kehrte zurück und die Helfer versorgten die Verletzen.

Verletzt im Krieg bedeute oft verlorene Arme oder Beine oder schlimme Verbrennungen. „Wir waren als humanitäre Hilfe der Bundesrepublik Deutschland dort, um die zivile Bevölkerung zu behandeln“, erzählt Frings. Vor allem die schwer verletzten Kinder hätten alle auf dem Schiff tief betroffen. „Die Menschen waren ja nicht nur verletzt. Oft lagen sie tagelang im Dschungel, bevor sie zu uns kamen.“ Die Wunden seien dann verdreckt und vereitert gewesen. „So etwas hatte keiner von uns zuvor gesehen.“

Und dann kommt so etwas wie Wut auf, in der sonst so freundlich und ausgeglichenen 80-Jährigen. Es ist der Moment, als Tamara Häußler erzählt, dass die Schwesternschaft jetzt auch wieder Rotkreuzschwestern speziell für den Kriegs- und Katastropheneinsatz weiterbildet. Der erste Kurs sei sofort ausgebucht gewesen. Schnell kommt das Thema Ukraine auf. Und Frings äußert klar und deutlich ihre Meinung: „Wer das erlebt hat, was wir erlebt haben, weiß genau, dass Krieg unnütz und überflüssig ist. Ich finde es ganz furchtbar, dass so viele Menschen so viel Schlimmes erleben müssen.“ Ganz in der Tradition des Deutschen Roten Kreuzes ist Neutralität eines der obersten Gebote. So geht es auch für Hedwig Frings um die verletzten und traumatisierten Menschen auf beiden Seiten der Front.

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