Klassenarbeiten an Karneval Bonner Schüler mussten an Weiberfastnacht Klausuren schreiben

Bonn · Einige Bonner Schulen haben an Weiberfastnacht bewusst Klausuren angesetzt, um die Schüler dazu zu bringen, am Unterricht teilzunehmen. Kritik kommt von den betroffenen Jugendlichen.

 Ein gewohntes Bild: An Weiberfastnacht gehört das Beueler Rheinufer unterhalb der Brücke den Jugendlichen. Die Schulpflicht hindert daran kaum.

Ein gewohntes Bild: An Weiberfastnacht gehört das Beueler Rheinufer unterhalb der Brücke den Jugendlichen. Die Schulpflicht hindert daran kaum.

Foto: Benjamin Westhoff

Erziehung zu Pflichtbewusstsein – oder einfach nur unmenschliche Quälerei? Die Frage, wie es an einem Tag wie Weiberfastnacht um den Umgang der Schulpflicht steht, kehrt in jedem Jahr so zuverlässig wieder wie die Zeugnisse. Besonders tapfer mussten am Donnerstag all jene Schüler sein, die zu allem Überfluss auch noch eine Klassenarbeit oder Klausur schrieben. Doch so sehr Schüler darüber auch stöhnen: Die Behörden lassen keinen Zweifel daran, dass dies seine Richtigkeit hat.

„Das ist echt Schikane!“, schreibt ein Mitglied einer Chatgruppe, in der gerade Klassenarbeiten am Tannenbusch-Gymnasium thematisiert werden, die dort an Weiberfastnacht angeblich regelmäßig geschrieben werden. Eine Darstellung, der die Schulleitung des Gymnasiums inzwischen widersprochen hat. Im konkreten Fall hat die Empörung offenbar ihren speziellen Hintergrund: In der Gruppe kommunizieren Mitglieder einer Tanzgruppe, für die Schulunterricht an einem karnevalistischen „Großkampftag“ zumindest vormittags die Nichtteilnahme an Auftritten bedeutet.

Doch selbst für eine Bezirksregierung mit Sitz in der Karnevalsmetropole Köln hört die Brauchtumspflege offenbar bei der Schulpflicht auf: In einer Rundverfügung an alle weiterführenden Schulen sowie an Schulämter und Schulträger wiesen sie Ende Januar auf die Prävention von Alkoholmissbrauch hin. Im Kern geht es darin auch um die geordnete Durchführung des Unterrichts. Dem Alkoholmissbrauch entgegenzuwirken, gelinge erfahrungsgemäß am besten, „wenn in der Region möglichst alle Schulen einheitlich vorgehen und bis zum Mittag verpflichtende schulische Veranstaltungen anbieten“. Und weiter heißt es in dem Schreiben der Schulaufsichtsbehörde ausdrücklich: „Ich bitte Sie deshalb, an Weiberfastnacht die Schülerinnen und Schüler nicht vorzeitig aus dem Unterricht oder dem Projekt zu entlassen, um das gemeinsame Ziel, Schülerinnen und Schüler vom Alkoholkonsum abzuhalten, zu erreichen.“

Vorgaben zu Unterrichtsinhalten oder Klausuren gebe es nicht, erläutert Pressesprecher Dirk Schneemann auf Nachfrage. Wie die Schüler zum Unterricht angehalten werden, obliege den Schulen selbst. Das schließt Klassenarbeiten explizit nicht aus. Von der Bonner Stadtverwaltung und von Bonner Schulen gab es zu dem Thema keine offizielle Stellungnahme.

Gleichwohl bleibt es ein offenes Geheimnis, dass gerade an Weiberfastnacht in vielen Schulen in gewohnter Weise eine „rheinische Lösung“ praktiziert wird. Heißt: Nach den ersten Unterrichtsstunden zerfasert der Schultag an den meisten Lehranstalten mehr oder weniger organisiert im karnevalistischen Trubel. Für viele Jugendliche, die am Donnerstagvormittag dem Beueler Rathaussturm beiwohnten, stellte die Schule jedenfalls offenbar kein Hindernis dar.

Erst drei Stunden in die Schule, dann raus in den Straßenkarneval: „Ich habe kein Problem damit, dass Weiberfastnacht Unterricht ist“, meinte etwa der 16-jährige Frederic, der ein Bonner Gymnasium besucht. „An diesem Tag passiert nicht viel. Nach Schulschluss fahren wir dann immer in einer großen Gruppe in die Stadt. Bis wir in Beuel sind, ist der Zug zwar vorbei, aber die Partys in den Kneipen gehen sowieso erst anschließend richtig los. Wir verpassen also nichts.“

Ertappt fühlten sich Melina, Hannah und Vanessa, die sich bereits ab 10 Uhr vor der Sankt-Josef-Kirche in Beuel amüsierten und auf den Zug der Wäscherprinzessin warteten. „Natürlich hätten wir heute Unterricht gehabt“, erzählten die Mädchen. „Aber es ist doch nur einmal Karneval im Jahr. Wir haben uns diesmal frei genommen“, lachten sie. „Wir sind alt genug und können uns selbst eine Entschuldigung schreiben“, ergänzen sie. „Ich glaube, ich hatte Halsschmerzen“, schmunzelte Melina. Karneval ohne Schule, das allerdings geht für den achtjährigen Tom überhaupt nicht. „Ich freue mich, wenn sich alle verkleiden und wir zusammen feiern“, erzählte er. Das Kostüm werde er auch nach Schulschluss nicht ausziehen. „Ich treffe mich gleich noch mit meinem Freund zum Spielen. Natürlich sind wir dann immer noch verkleidet.“ Nils und Lisa haben keine Schule an Weiberfastnacht. Die beiden finden, dass die Schulpflicht an solch einem Tag nicht sein sollte. Für Schüler der Grundschulen sei das in Ordnung, aber nicht für diejenigen, die in der Oberstufe sind.

Nachtrag vom 22. Februar: Aufgrund der Berichterstattung hat sich die Schulleitung des Tannenbusch-Gymnasiums mittlerweile gemeldet. Sie lässt klarstellen, dass die Brauchtumspflege zu Karneval für sie ein hohes Gut darstelle und Klausuren an diesen Tagen nicht gezielt angesetzt würden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort