Wege der Demokratie Bonner sieht Bürgerentscheide als Ergänzung

Bonn · Ob Stuttgart 21, Hamburger Schul- oder Bonner Schwimmbadstreit: Der bürgerliche Gegenpol zum Institutionengefüge aus Räten, Bürgermeistern und Verwaltung wird lauter und schriller. Zu diesem Thema äußert sich der Bonner Politikwissenschaftler Volker Kronenberg.

 Politikwissenschaftler Volker Kronenberg.

Politikwissenschaftler Volker Kronenberg.

Foto: Benjamin Westhoff

Worin liegen die Ursachen – und worin die Lösung? Peter Sloterdijk sprach vor einigen Jahren gar von einer „Bürgerausschaltung“ durch die Eliten und skizzierte die vermeintlich heraufziehende Postdemokratie. In der repräsentativen Demokratie, so sein Standpunkt, würden Bürger in erster Linie als „Lieferanten von Legitimität für Regierungen“ gebraucht, ansonsten aber nur in weitmaschigen Abständen zur Ausübung ihres Wahlrechts eingeladen.

In der Zwischenzeit könnten sie sich vor allem „durch Passivität nützlich machen“. Während Sloterdijk Formen direkter Demokratie und partizipatorischer Innovation als „logischen Ausweg“ aus der Krise ansieht, stellt der Bonner Politikwissenschaftler Volker Kronenberg gerade die politische Repräsentation als demokratiefördernden Eigenwert heraus.

Im Gespräch mit dem GA sagt er: „Volksbegehren und -entscheide sind sinnvolle Ergänzungen, Korrektive parlamentarischer Entscheidungsfindung. Punktuell, auf einen konkreten Sachverhalt bezogen. Grundsätzlich muss man bei diesem Instrument der Willensbildung aber sehen: Wer beteiligt sich tatsächlich? Denn dabei fällt auf, dass es zum einen die Betroffenen sind und zum anderen die Eloquenten, besser Gebildeten und gut Situierten, die sich das auch zutrauen“, verweist Kronenberg indirekt auf das Verfassungsgebot der politischen Gleichberechtigung.

Hinzu komme: Die Beteiligung an direkten Abstimmungen liege in der Regel deutlich unter den Wahlbeteiligungen. So habe etwa die Beteiligung an der Abstimmung über „Stuttgart 21“ deutlich unter jener bei der Landtagswahl gelegen. Gleichwohl sei der Wille der Bürger, sich politische Kompetenzen zuzusprechen, etwas Positives.

„Ich denke aber nicht, dass er zwangsläufig auf das Instrument des Bürgerbegehrens hinauslaufen muss. Denn Politik und Verwaltungen haben die Möglichkeit, die Bürger schon zu einem frühen Zeitpunkt über ein Vorhaben zu informieren, sie dafür zu interessieren, Anregungen aufzugreifen und sie damit für ein Projekt zu gewinnen“, sagt Kronenberg.

Bei der Frage nach der Gestaltung seien die Parteien durchaus entwicklungsfähig: „Inzwischen will jede Partei Mitmachpartei sein“, konstatiert der Hochschullehrer. Neue Kommunikationsformen beförderten den Wunsch nach Mitbestimmung. Doch komplett transparente Politik in Echtzeit und per Klick, bei der alle mitmachen, funktioniere in der Realität nicht, wie man zuletzt bei der Piratenpartei gesehen habe.

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