Schauspieler und Straßenkehrer Bonner spielt im Fernsehen oft den Kriminellen

Bonn · Der Bonner Straßenreiniger Sascha Mahlberg stand 172 Mal vor der Kamera. Angefangen hatte alles mit Reality- und Gerichtsshows. Mittlerweile ist er auch im Abendprogramm an der Seite bekannter Kollegen zu sehen.

 Sascha Mahlberg an seinem Arbeitsplatz im Hofgarten und dem Ort, wo er entdeckt wurde.

Sascha Mahlberg an seinem Arbeitsplatz im Hofgarten und dem Ort, wo er entdeckt wurde.

Foto: Stefan Hermes

„Ich wär‘ nicht mein liebster Freund gewesen“, sagt Sascha Mahlberg (45) nachdenklich. Er erinnert sich an Tannenbusch, wo er aufwuchs und die ersten 35 Jahre seines Lebens verbracht hat. „Das prägt“, sagt er heute. Und nach kurzer Pause: „Ich habe Tannenbusch geliebt.“ Dort ist er zur Schule gegangen und von dort ist er ins Heim gekommen. Da war er fünfzehn Jahre alt und das Jugendamt empfahl seinen Eltern, Sascha selbst ins Heim zu geben, dann könnten sie ihn auch selbst wieder herausholen. Nach neun Monaten war er zurück in der Oppelner Straße. „Das Heim hat mir gut getan“, es sei nicht immer alles schlecht, was man darüber hört. Der Zeitpunkt seiner Rückkehr war günstig, denn er lernte kurz darauf die knapp drei Jahre jüngere Tanja kennen. Sie wohnte gegenüber. Man gab sich nächtens Lichtzeichen: Schatz, ich liebe dich!

Gerade musste Mahlberg erneut Lichtzeichen geben. Eine Filmproduktionsfirma ist an seinem und dem Leben seiner Frau und den drei Kindern interessiert. Man stellte die Szene nach, und wenn Mahlberg Pech hat, wird seine Herkunft wieder klischeehaft benutzt, um die Geschichte vom „Ghettokind“ zum Star zu erzählen. Das würde ihm nicht recht sein. Doch sein Einfluss ist gering. Bei den Filmproduzenten, die vorzugsweise die Nachmittagsprogramme von RTL 2 oder SAT 1 bedienen, Reality- und Gerichtsshows produzieren, ist Mahlberg eine gefragte Besetzung. Er ist das, was man einen „Typ“ nennt. „Meist werde ich als Krimineller besetzt. Als Drogenhändler, Zuhälter oder was auch immer“, sagt er, dabei rauche er nicht und trinke auch keinen Alkohol. Er sagt von sich selbst, dass er heute eher zu den Guten gehört. Wer ihn kennenlernt, glaubt es sofort.

Im Hofgarten entdeckt

Obwohl alle Äußerlichkeiten zur Vorsicht mahnen: Ein Mann mit Muskelpaketen; tätowiert am ganze Körper; schwere Silberkette um den Hals und Glasgefunkel am Ohr. Und nicht zu vergessen: Ein bald 40 Zentimeter langer Zopf wächst aus seinem schütteren Haarkranz. Tanja habe immer einen Mann mit Pferdeschwanz gewollt, lacht Mahlberg. „Den Koi habe ich mir als Jugendlicher stechen lassen, das ist der stärkste Fisch, der den Jangtse durchschwimmt und sich dann zum Drachen entwickelt.“

Vielleicht ein Synonym für das Leben Mahlbergs. Inzwischen kommt er dem Drachen nahe. Vom trashigen Nachmittagsprogramm, das er als „Hartz-IV-Gedöns“ bezeichnet, hat er als Darsteller schon ins Abendprogramm gewechselt. Spielte neben Moritz Bleibtreu oder Til Schweiger. Vielleicht gibt es bald eine ernsthafte Dokumentation über seine Familie im Ersten. Man hatte ihn bei den „Profiköchen“ auf RTL 2 gesehen, wo er mit seiner Frau Tanja in „Silberhochzeit bei Familie Mahlberg“ die Hauptrolle spielte. Nicht erfunden. Mahlbergs sind im Dezember bereits 27 Jahre verheiratet.

Nach 172 kleinen und großen Fernsehauftritten träumt Sascha manchmal von Größerem. „Der Semmelrogge oder der Claude Oliver Rudolph sind liebe Menschen“, sagt Mahlberg, „aber ich behaupte, der bessere Schauspieler zu sein.“ Die beiden hätten nur das Glück gehabt, bei „Das Boot“ mitgemacht zu haben. Hätte auch seinen Durchbruch bedeuten können. Man möchte es Mahlberg glauben. Es kommt nichts Überhebliches aus ihm heraus. Im Moment ist er mit sich und der Welt im Reinen. Sein sicherer Beruf als Straßenreiniger in Bonn gefällt ihm. Im Hofgarten, wo er vor dem Zusammentreffen mit dem General-Anzeiger gerade noch die Mülleimer ausleerte, ist er entdeckt worden.

Ohne sein Wissen hatte ihn Tanja vor bald zehn Jahren bei „Morning Star“ (SAT 1) angemeldet. Ein Fernsehteam überraschte ihn daraufhin bei der Arbeit im Hofgarten und fragte, ob er vor der Kamera ein Lied singen würde. Mahlberg trällerte Sinatras „My Way“ und sang sich damit in die Show. Von da an wurde er ständig für die nachmittäglichen, von Fernsehleuten „Bügelfernsehen“ genannten Programme, gebucht. Das hat er hinter sich. Gerade noch hat er wieder Angebote abgelehnt, die ihn nicht weiterbringen. Am liebsten möchte er bekannt werden, um Gutes zu tun. Auch das glaubt man ihm. Dabei wird er leise und seine Augen wässrig. Der Bär von einem Mann sagt mit schwacher Stimme, dass es ihm ein Anliegen sei, Behinderten zu helfen. Woher das ihn so tief bewegende Bedürfnis kommt, verrät er nicht. Aber er möchte berühmt werden, um Menschen zum Spenden bewegen zu können. So, wie er aussieht, könnte ihm das noch gelingen.

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