GA-Serie "Bonner Perspektiven" Bonner Sportstätten: Zum Weglaufen

Bonn · Sportplätze, Turnhallen und Schwimmbäder sind heruntergekommen, aber für die Sanierung ist kein Geld da. Im Gegenteil: Die Stadt will den Rotstift ansetzen und die Angebote verringern. Entscheidungen werden immer wieder vertagt.

 Dilemma im Sportpark Nord: Hier trainieren Läufer auf einer uralten Tartanbahn.

Dilemma im Sportpark Nord: Hier trainieren Läufer auf einer uralten Tartanbahn.

Foto: Horst Müller

Als Martin Herkt vor drei Jahren seinen Posten als Leiter des Sport- und Bäderamtes antrat, bekam er am ersten Arbeitstag einen Vorgeschmack auf das, was ihn erwartet: Ein Teil der Umkleidekabinen im Beueler Hallenbad stürzte um wie beim Domino-Day.

Was danach kam, war irgendwie typisch: Die alten Kabinen wurden ersetzt - durch alte aus dem Viktoriabad. Drei Jahre später redete Herkt beim "Beueler Treff" Ende August 2015 Klartext: "Es rächt sich jetzt, dass wir die letzten 25 Jahre nichts an den Bädern gemacht haben." Der Mann hat recht: So geht's nicht weiter.

Der "trockene Sport" ist nicht besser dran, der Sanierungsstau drückt, Herkts Amt verwaltet einen Mangel: Geld ist keines da, im Gegenteil: Die Stadt will aus Kostengründen nicht nur Bäder schließen, sondern auch Sportplätze. Sparen statt investieren. In Sitzungen der politischen Gremien der Stadt wird das Hohelied auf den Sport mit seinen Vorzügen gesungen, es heißt Synergien zu schaffen, intelligente Lösungen zu finden und mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen - das haben wir alles schon oft gehört.

Aber im Endeffekt geht's um den Rotstift. Da ändern auch die Träumereien von einem nagelneuen Kombibad für 30 Millionen Euro nichts. Denn was bleibt dann für die restlichen Bäder?

"Sportstadt Bonn" verwaltet sich

Wer will eigentlich in uralten, miefigen Hallen noch Sport treiben oder schwimmen? Die Bonner Bürger, könnte die Antwort lauten. Einige davon, die nicht auf ihre althergebrachten, wohnortnahen Sportstätten verzichten wollen, was nachvollziehbar ist. Die Kehrseite sieht so aus, dass viele andere Bürger nicht mehr kommen.

Sie gehen in moderne Bäder außerhalb Bonns, melden sich in Fitnessstudios oder bei privaten Kursen an. Da kann man kommen, wann man will. Und die Duschen sind auch sauber.

Die "Sportstadt Bonn" verwaltet sich, gestaltet aber nicht. Sie stellt Sportplätze, Hallen und Bäder zur Verfügung, was eigentlich schon eine Menge ist und den Steuerzahler 15 Millionen Euro pro Jahr kostet. Aber die Höhepunkte fehlen. Keine Welt- und Europameisterschaften, die hier ausgetragen werden, wie 1989 die Schwimm-EM im Römerbad. Verschwunden wie der Bonner Sommer, die Konzerte der Museumsmeile, die wichtigsten Ministerien.

Also was läuft da, außer Sporthallenzeiten abzugleichen, die Rasenplätze zu mähen und die Schwimmbäder mit kuriosen Öffnungszeiten zu betreiben? Wo sind die Ideen? Wer sich auf der Homepage der Stadt die "wichtigen Hinweise zu Sportangelegenheiten von A - Z" durchliest, findet alles von Abfallvermeidung bei Sportveranstaltungen bis Zuschüsse.

Unter dem Buchstaben "I" wäre Platz für Internationale Meisterschaften, aber es wird auf den "Immissionsschutz" hingewiesen, wonach nämlich unbeteiligte Personen von Sport-Events nicht gestört werden dürfen.

[kein Linktext vorhanden]So weit ist es gekommen, statt einer WM der Hinweis auf "Winterdienst", statt EM alles zur Entgeltordnung. Um nicht ungerecht zu sein: Die Stadt lässt zumindest ihre Sportler noch kostenlos auf die Sportanlagen. Eine Nutzungsgebühr, die man erheben wollte, verhinderte der Stadtsportbund. Der Stadtrat gab klein bei, nachdem vor drei Jahren 5000 Sportler bei einer Demonstration in strömendem Regen auf die Straße gegangen waren. Das Hauen und Stechen geht seitdem weiter.

"Ruinen schaffen ohne Waffen"

Der Stadtrat schiebt dem Sportamt den schwarzen Peter zu. Zu unflexibel, kopf- und führungslos, alle Probleme hausgemacht, urteilt die Politik. Einer wie Grünen-Sportsprecher Rolf Beu bringt den Zustand der Infrastruktur auf den Punkt: "Ruinen schaffen ohne Waffen."

Dabei hat der Stadtrat ein gerütteltes Maß an Mitverantwortung. Für die Bäder wurde in den letzten fünf Jahren zum Beispiel kein Geld mehr freigegeben, weil man vor einer Entscheidung über ein Bäderkonzept ein Gutachten und eine Bürgerbefragung starten wollte. Alles passiert, entschieden wurde trotzdem nichts. Und: Wo war der Stadtrat eigentlich in den letzten 25 Jahren, als die Sportstätten zu solchen Ruinen wurden?

Wie viele Sportstätten braucht Bonn? "Dazu gibt es keine pauschalen Empfehlungen", muss Frank-Michael Rall, Sprecher des Landessportbunds NRW, leider antworten. Eine Millionenstadt brauche andere Angebote als eine Stadt mit 100.000 Bewohnern, auf dem Land sei das anders als in der Stadt.

Insofern sei auch die Frage, wie viel Geld für Bäder und Hallen zur Verfügung stehen sollte, nicht zu beantworten. Über die Sportpauschale des Landes könnten Kommunen Gelder für Projekte abrufen, darunter fielen auch Umbauten und Sanierungen im Sportsektor, so Rall.

Aber wo sind sie, die Trendsportarten? Wo werden Jugendlichen Angebote gemacht, die über Fußball, Basketball und Fechten hinausgehen? Wie am Anfang der Jahrtausendwende: Wer erinnert sich noch an die Skaterläufe, die damals in städtischer Regie immer freitags über die B 9 rollten? Teilweise mit mehr als 2000 Leuten - jung und alt, Männlein und Weiblein, Anfänger und Profis.

Das war Trend, das war modern und kostete nichts. Die damalige Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann hatte diese Events in Paris gesehen und es in Bonn auf die Spur gesetzt, allen Widerständen zum Trotz.

Die Stadt, der Stadtrat, ob alt oder neu, hat Porzellan zerschlagen. Ein klarer Kurs? Fehlanzeige. Eine Prioritätenliste für Kunstrasenplätze? Zerredet. Ein Sanierungsprogramm für Bäder? Nur in der Schublade. Einen Kataster- und Entwicklungsplan für Sportstätten möglichst schnell vorlegen? Im jüngsten Sportausschuss wegen "fehlender Dringlichkeit" abgesetzt.

In dieser Sitzung am vorigen Dienstag wusch ausgerechnet eine auswärtige Expertin dem Gremium ungewollt den Kopf: Claudia Heckmann, Geschäftsführerin der Sporthilfe Dortmund, die dort neun Bäder unter Vereinsregie betreibt. Dort war es dadurch möglich, dass kein Bad schließen musste und einige trotz der Haushaltslage saniert wurden. "Es ist wichtig, ein Konzept zu haben und umzusetzen", sagte sie. Und: "Sie werden nie alle zufriedenstellen."

So alt sind die Bonner Sportstätten

Die 55 städtischen Außensportanlagen sind im Schnitt 26 Jahre alt. Drei Viertel davon sind älter als 20 Jahre, zehn sogar älter als 40 Jahre. Stark sanierungsbedürftig sind 15 Anlagen. Es gibt in Bonn 40 Fußballplätze, von denen 18 Tennenbelag haben.

Auf neun Plätzen liegt Naturrasen, auf 13 Kunstrasen - zuletzt wurden die Plätze in Plittersdorf, Oberkassel, Lessenich und derzeit in Beuel-Zentrum umgebaut. Als Nächstes in Planung sind Plätze in Endenich und am Sportpark Nord.

Bei den 127 Sporthallen im Stadtgebiet ist die Lage noch gravierender, ihr Durchschnittsalter beträgt rund 45 Jahre. Eine detaillierte Bestandsaufnahme durch die Stadt hat gezeigt, dass ein Großteil sanierungsbedürftig ist. Laut Stadt gehen pro Jahr etwa 700 Beschwerden über die Sportstätten ein, das sind zwischen drei und vier pro Arbeitstag.

Die neun öffentlichen Schwimmbäder haben ebenfalls schon Jahrzehnte auf dem Buckel. Die Hallenbäder wurden zwischen 1960 und 1970 gebaut, die Freibäder sind unwesentlich jünger, einige wurden zwischenzeitlich modernisiert. Den Sanierungsbedarf aller Bäder beziffert die Stadt auf 41 Millionen Euro.

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