"Tea after Twelve" Bonner Start-up ist bestes Webmagazin 2015

BONN · Es erinnert an die Geschichte von David gegen Goliath, wenn das junge Online-Magazin "Tea after Twelve" die Jury der Digital Communication Awards überzeugt und dabei Projekte von internationalen Konzernen wie Vodafone, KLM und dem Deutschen Anwaltsverein überflügelt.

 Die Gründerinnen: Sarah Klein und Eva-Maria Verfürth haben sich als Kolleginnen bei InWEnt kennengelernt.

Die Gründerinnen: Sarah Klein und Eva-Maria Verfürth haben sich als Kolleginnen bei InWEnt kennengelernt.

Foto: Privat

Das englischsprachige Projekt, das aus dem Stand eine Leserschaft in 170 Ländern erreicht hat und in seiner Facebook-Community weit mehr als 100.000 Fans vereint, ist als bestes Webmagazin 2015 ausgezeichnet worden.

Erst vor einem Jahr haben die 37-jährige Bonnerin Sarah Klein und die 34-jährige Kölnerin Eva-Maria Verfürth, die sich als Kolleginnen bei InWEnt kennengelernt hatten, das Magazin gegründet. Drei Ausgaben später lobte die Jury unter anderem die große internationale Reichweite von "Tea after Twelve". Kein Wunder, hatten doch mehr als 100 Autoren aus über 60 Ländern mitgewirkt.

Die internationale Ausrichtung hatten die Gründerinnen schon aus ihrer gemeinsamen Zeit in der Entwicklungszusammenarbeit im Gepäck, wo sie für ihren Arbeitgeber ein Webmagazin entwickelt hatten. Und gerade ihre eigenen Erfahrungen hatten ihnen vor Augen geführt, was sie anders machen wollten. "Wir waren die Krisenrhetorik der Medien leid, die ständig über Krieg und Skandale berichten, ohne dem Leser auch nur einen Hauch einer Problemlösung zu präsentieren."

Ihr Gegenentwurf: lösungsorientiert, international und mit einer Themensetzung, die vor allem die Leser bestimmen. "Sonst redet einem keiner rein", sagt Klein. Der Preis dafür: Beide Frauen haben gekündigt und sich Teilzeitjobs gesucht, die Raum für ihr eigenes Projekt lassen.

Klar, dass sie auch den Namen mit Bedacht gewählt haben. Er bezieht sich auf das deutsche Sprichwort "es ist 5 vor 12", das als Unterton die Nachrichten bestimme. Das sollte bei den Geschichten von "Tea after Twelve" anders sein. "Wir haben schon so viele 5-vor-12-Momente überlebt, und bisher ist die Welt nicht untergegangen. Es ist an der Zeit, bei einer gemütlichen Tasse Tee über Lösungen nachzudenken. Und diese bieten wir", so ihr Credo. "Eben weg von der ganzen Krisenrhetorik", sagt Sarah Klein. Es sei zu einfach, Kolumbien einzig und allein mit Drogen in Verbindung zu bringen oder Afrika nur in Bezug zu Aids und Ebola zu setzen.

Entsprechend stellt das Magazin vor allem Ideen und Projekte vor, die etwas bewegen, oder Menschen, die etwas verändern. "Lösungsbasierte Erzählweise" nennen Verfürth und Klein das. Und mobilisierten für die Umsetzung Kreative, Forscher, Journalisten und Querdenker von allen Kontinenten. Oft Kontakte aus der Entwicklungszusammenarbeit.

Aber nicht nur bei den Autoren ist "Tea after Twelve" anders unterwegs, sondern auch bei der Auswahl des Stoffs. Die Themen werden per Crowdsourcing ermittelt: Jeder Leser kann Ideen einreichen oder Artikel schreiben. 80 Prozent der Beiträge entstehen so. Auch optisch beschreitet das Magazin neue Wege: Das Design ist grafisch an Printmagazine angelehnt. Ziel der Gründerinnen: "Ein Coffee-Table-Book im Internet, das zum Schmökern einlädt." Einfach schön - und nicht, wie Klein sagt, mit einer Optik, bei der "alles hüpft und springt", wie sonst so oft im Internet.

Der Erfolg scheint dem Duo recht zu geben. "Wir waren schon ziemlich überrascht, was an Resonanz kam", sagt Klein. Inzwischen formt sich auch ein Bild der typischen Nutzer auf der Welt: gebildet, weil englische Sprachkenntnisse vorhanden sind, zwischen 25 und 45 Jahre alt, je zur Hälfte Frauen und Männer, oft aus der Kreativbranche oder mit gesellschaftlichen Veränderungen beschäftigt.

Neben den beiden Gründerinnen arbeiten eine professionelle Übersetzerin, ein Programmierer - selbstverständlich gegen Geld - und Alice Kohn als dritte Frau auf der kreativen Seite am Magazin mit. Wann allerdings Klein und Verfürth auf ihre Halbtagsjobs verzichten können, um vom Erlös des für Nutzer kostenlosen Magazins zu leben, steht noch in den Sternen. Erste Kooperationspartner und Sponsoren gibt es. Aber erst zahlen wir unsere Autoren in aller Welt", sagt Sarah Klein. Für sie steht fest: Das war zwar ein finanzieller Rückschritt, aber unseren persönlichen Zielen sind wir einen Schritt näher gekommen."

Mehr Informationen auf www.tea-after-twelve.com

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