Jugendamt zahlt verspätet Bonner Tagesmütter warten auf ihr Geld

Bonn · Das Bonner Jugendamt ist mit den Beiträgen, die es an die Tagesmütter zahlt, in Verspätung. Grund dafür sollen technische Probleme sein. Einige Tagesmütter sehen ihre Existenz bedroht.

 Tagesmutter Peggy Schröder ärgert sich über die Verzögerung – vor allem, weil die Stadt nicht zum ersten Mal zu spät überweist.

Tagesmutter Peggy Schröder ärgert sich über die Verzögerung – vor allem, weil die Stadt nicht zum ersten Mal zu spät überweist.

Foto: Benjamin Westhoff

Peggy Schröder ist sauer. Seit Montag gewöhnt die Tagesmutter drei neue Kleinkinder an ihren Alltag in der Tagespflege. Dazu kommt ein viertes Kind im zweiten Jahr zu ihr. Wie immer Anfang August eigentlich. Und wie schon in den vergangenen Jahren hat Schröder auch in diesem Jahr vom Jugendamt die Beiträge für die neuen Kinder nicht rechtzeitig erhalten. Bis Montagabend war noch nichts auf dem Konto. „Die für mich zuständige Sachbearbeiterin ist bis zum 10. August in Urlaub. Vorher wird wohl nichts mehr kommen“, sagt Schröder. Nicht einmal eine Eingangsbestätigung für die Anträge.

Die Tagesmutter vom Hardtberg ist kein Einzelfall. Auf eine Anfrage des GA in der Chat-Gruppe der rund 300 Bonner Tageseltern meldeten sich binnen Stunden ein Dutzend Betroffene. Corinna Helwig aus Auerberg fehlt das Geld für ihre beiden Tageskinder. „Ich habe noch keinen Cent auf meinem Konto“, berichtet auch Kristina Hotter aus Friesdorf, die mit fünf Tageskindern 31 Stunden pro Woche im Wald verbringt. Claudia Laux wartet auf zwei Verlängerungsbescheide und hat damit Ausstände von 1500 Euro.

Tagespflegestätten droht die Existenz

„Für uns ist die Situation doppelt belastend, da wir beide davon leben“, berichtet Dany Hallerbach. Mit ihrem Mann Frank Spitzkat betreibt sie eine Großtagespflege für neun Kleinkinder. Zwar seien alle Bescheide eingetroffen, aber noch kein Geld. Auch nicht der Zuschuss zur Miete für die angemeldeten Räume. Ihre Existenz ist damit in Gefahr.

Um Versorgungslücken in der Betreuung von Kindern unter drei Jahren zu schließen und alternative Betreuungsformen anzubieten, hat sich in den vergangenen Jahren das System der Tageseltern etabliert. Die Eltern schließen zwar mit den Betreuern einen privatrechtlichen Vertrag. Abgerechnet wird aber über die Stadt, die von den Eltern Beiträge je nach Einkommen, Alter der Kinder und Betreuungszeit einzieht und mit Landeszuschüssen weiterreicht. Zwar können Tageseltern Kinder im ganzen Jahr aufnehmen. Wie im Kindergarten beginnt die Betreuung aber fast immer im August.

Die meisten Förderanträge landen damit im Juni und Juli beim Jugendamt. „Deshalb kann man doch nicht gerade dann die Mitarbeiter ohne Vertretung in Urlaub schicken“, ärgert sich Peggy Schröder. Zwei von fünf Mitarbeiterinnen hätten frei, eine dritte sei krank. Das sei lediglich „eine Momentaufnahme der vergangenen Woche“, widerspricht Markus Schmitz vom Presseamt. Durch ein technisches Problem seien die Leistungen für die Bestandskinder erst am 3. August auf den Konten gelandet. Die Stadt bitte dafür um Entschuldigung. Die 400 Neuanträge hätten auch aufgrund einer erst am 26. Juni verabschiedeten neuen Satzung noch nicht abgearbeitet werden können. Man arbeite – auch mit Überstunden – „mit Hochdruck“ daran.

„Wertschätzung sieht trotzdem anders aus“, sagt Schröder. Viele Betroffene seien alleinerziehend oder hätten finanzielle Pflichten etwa durch Mieten. Man fühle sich nicht so ernst genommen wie städtische Einrichtungen. „Ich bin kein Sozialdienst“, ärgert sich Antonia Hoogevorst aus Beuel. Auch sie wartet auf Bescheide für drei neue Tageskinder. Das Jugendamt wirke sehr unorganisiert. Die Kommunikation mit den Verantwortlichen sei schwierig. Einigen Tagesmüttern sei kurzerhand nahegelegt worden, die Eltern doch um Vorleistung zu bitten, bis die Stadt ihrer Zahlungsverpflichtung nachkomme.

Um Zusatzangebote müssen sich Eltern selbst kümmern

Petra Sahler arbeitet seit 21 Jahren als Tagesmutter. Bei neun Kindern in Betreuung hat sie für zwei ihr Geld für den August inzwischen erhalten. „Das geht jetzt das dritte Jahr in Folge“, erklärt Sahler. Und das Geld sei nicht alles. Die Stadt habe ohne Rücksprache mit den Betroffenen auch die Satzung geändert. Alles werde nun über einen Kamm geschoren. Bislang ließ Sahler jede Woche eine Musikpädagogin kommen.

Andere Tageseltern hoben sich mit professionellem Kinderturnen hervor oder boten Bio-Verpflegung an. Die Zusatzkosten wurden direkt mit den Eltern abgerechnet. Sahler berichtet: „Das alles ist jetzt verboten. Alle Kinder müssen absolut gleich behandelt werden“. Eltern, die ihr Kind zusätzlich fördern wollten, müssten sich nach Betreuungsschluss am Nachmittag nun selbst darum kümmern. Für einen Verpflegungssatz von 4,50 Euro am Tag seien Frühstück, Mittagessen und zwei Snacks in Bio-Qualität jedenfalls nicht zu haben.

Und noch ein Punkt stößt den Tageseltern sauer auf: Dass sie nicht Teil des Bonner Kita-Netzes sind. „Unsere Betreuung wirkt wie ein Angebot zweiter Klasse“, sagt Petra Sahler. Wie sie haben auch andere Tagesmütter in den Monaten des Lockdowns erlebt, wie Kindergärten mit freien Plätzen Pflegekinder kurzfristig abwarben, obwohl doch eine längere Bindung für den Erfolg der Betreuung stets hervorgehoben werde. „Aber als Not am Mann war, mussten wir einspringen“, berichtet Schröder. Auch bei ihr standen Menschen in Schlüsselberufen morgens vor der Tür, um ihr Kind kurzfristig abzugeben. Schröder sagt: „Das ist für das Kind nicht schön und für Mutter und Pflegemutter auch nicht. Aber natürlich haben wir in dieser Notlage geholfen.“

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