Bach-Untersuchungen Bonner Wissenschaftler ist den städtischen Bächen auf der Spur

Bonn · Der emeritierte Professor Georg Schwedt untersucht die Qualität von Bonner Gewässern. Bei der Erforschung vertieft er sich in historische Karten. Seine Suche ist nicht immer von Erfolg gekrönt.

 Georg Schwedt, der Chemiker, untersucht die Gewässerproben der Bonner Bäche.

Georg Schwedt, der Chemiker, untersucht die Gewässerproben der Bonner Bäche.

Foto: Meike Böschemeyer

Georg Schwedt hat den Dreh’ raus. „Kein Wunder“, lacht der 78-jährige Chemiker und lässt die kleine Flasche vorsichtig an einem langen Seil herab. „Nach mehr als hundert Proben dürfte das kein Problem sein“, schmunzelt er und taucht den Behälter tief hinein in den Rheindorfer Bach, der nach den schweren Gewittern der letzten Tage reichlich Wasser führt. An dieser Stelle – nahe dem Plateau der ehemaligen Wassermühle – pätschelt das Gewässer durch eine idyllische Landschaft: Die Äste der Uferbepflanzung hängen tief herab und bilden ein Blätterdach, die Randbereiche sind dicht bewachsen, auf den Wiesen nebenan wachsen Äpfel und Walnüsse. Dass Bäche aber nicht immer so harmlos dahinfließen, musste die Region im Juli leidvoll erfahren.

Bei Schwedts Untersuchung geht von dem Gewässer keine Gefahr aus. Er zieht das Fläschchen wieder hoch, betrachtet die leicht gefärbte Flüssigkeit und öffnet seinen blauen Analysekoffer. „Na, dann wollen wir einmal genauer hinschauen“, erklärt er und misst in einem ersten Schritt den pH-Wert. „Acht“, sagt er nach einem kurzen Blick auf die Vergleichstabelle. „Das ist in Ordnung.“

Gewässer-Forscher will eine Datenübersicht erstellen

Mehr als hundert Proben hat der emeritierte Professor für Analytische Chemie seit Anfang des Jahres aus den Bonner Bächen entnommen und untersucht. Noch einmal so viele wird er in den nächsten Monaten nehmen. Anhand der dann von ihm ausgewerteten Daten wird er eine komplette Übersicht über den Zustand der Bonner Bäche erstellen.

Als Chemiker schaut er zwar bei der Belastung (beispielsweise durch Nitrat und Phosphat) sowie Umwelteinflüssen und Wasserqualität ganz genau hin, aber: „Ich interessiere mich auch für die Natur sowie die Geschichte und die Siedlungsentwicklung“, erklärt der 78-Jährige. Alle Erlebnisse, Recherchen, Fotos, Untersuchungsergebnisse sowie Hinweise auf die Geologie wird er in einem Buch zusammenfassen. „Es soll Gewässerkunde mit Ökologie, Kultur und Geschichte verbinden”, ergänzt er. Im Herbst kommenden Jahres wird er es veröffentlichen. „Es ist mir wichtig, dass es keine rein wissenschaftliche Abhandlung ist, sondern dass es eine umfassende Dokumentation der Bonner Bäche ist, die sich gut lesen lässt“, so Schwedt.

In Bonn gibt es insgesamt 47 Bäche, die sich im Stadtgebiet über eine Strecke von 105 Kilometern ausdehnen. Allerdings haben sie längst nicht immer nur einen Namen. Mal sind sie nach dem Ort oder dem Dorf benannt, durch das sie gerade fließen, mal sind es historische Bezeichnungen. Zudem wurden sie im Laufe der Jahrhunderte immer wieder umgeleitet. „Das macht meine Arbeit nicht gerade einfach“, sagt der Chemiker, der seit 15 Jahren in Bonn lebt. Um sich besser zurechtzufinden, greift Schwedt daher oftmals auf alte Karten und Bücher zurück oder informiert sich bei lokalen Heimatvereinen.

Dennoch kommt er nicht immer ans Ziel. „Es gibt Bäche, in denen ich noch nie Wasser gesehen habe“, berichtet er. Ein Beispiel dafür ist der Ankerbach, der bei Oberholtorf entspringt, durch Beuel fließt und bei Oberkassel in den Rhein mündet. „Ich kenne die Mündungsstelle ganz genau, aber nur ausgetrocknet“, so Schwedt. Ein anderes Beispiel ist der Olligsbach, der aus dem Kottenforst kommt und zwischen Röttgen und Ückesdorf in den Schlossbach übergeht. „Man sieht anhand der Uferbepflanzung gleich neben dem hinteren Ausgang des Friedhofs Kottenforst den Verlauf des Bachlaufs. Aber Wasser habe ich dort bisher noch nicht entdeckt.“

Manche Bäche sind permanent ausgetrocknet

Daher hofft er für sein Projekt auf Unterstützung: „Es wäre gut, wenn mich Anwohner informieren, sobald diese Bäche Wasser haben, damit ich die entsprechenden Proben nehmen kann“, wünscht er sich und hofft auf Hinweise per Mail (georg.schwedt@t-online.de). „Ich freue mich über jeden Hinweis, damit ich ein vollständiges Bild der Bonner Bäche anfertigen kann“, so der Wissenschaftler.

Bei seiner Arbeit orientiert sich Schwedt immer an einem gleichen Ablauf: „Erst schaue ich mir den Verlauf des Bachbetts an, dann nehme ich eine erste Probe und nach einiger Zeit eine Nachprobe“, erklärt er. Dafür entnimmt er an verschiedenen Stellen sowie zu unterschiedlichen Jahreszeiten mehrmals Wasserproben, die er später zu Hause untersucht. „Allein am Rheindorfer Bach waren es bisher 15 verschiedene“, berichtet er. Bis er allerdings alle Gewässer genau unter die Lupe genommen hat, wird er rund 200 Kilometer gewandert sein, teils über die Stadtgrenzen hinaus.

„Anhand der Analysen erhalte ich im Labor Rückschlüsse auf die Umgebung der Bäche“, so der Chemiker. „In direkter Nachbarschaft zu Schrebergärten ist der Nitratgehalt im Wasser in der Regel höher als dort, wo der Bach durch Wiesen oder reines Waldgebiet fließt.“ Dennoch gibt es keinen Grund zur Sorge. „Bisher waren alle Ergebnisse im grünen Bereich“, beruhigt Georg Schwedt. „Den Bonner Bächen geht es offenbar ganz gut.“

Allerdings ärgert er sich darüber, dass er immer wieder Müll an den Böschungen findet. „So wie hier“, sagt er und deutet auf eine leere Plastikflasche im Gebüsch, die zum Vorschein kommt, als Schwedt eine weitere Probe aus dem Rheindorfer Bach nimmt.

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