Schüsse im Bürgerkrieg Bonnerin kehrt aus Hilfseinsatz im Jemen zurück

Bonn · In Jemen wütet seit Jahren ein blutiger Bürgerkrieg. Jennifer Bose war dort für Care im Nothilfe-Einsatz und ist jetzt nach Bonn zurückgekehrt.

 „Humanitäre Hilfe ist ein großes Pflaster, aber die Wunden werden auf Dauer damit nicht verschlossen“, sagt Jennifer Bose.

„Humanitäre Hilfe ist ein großes Pflaster, aber die Wunden werden auf Dauer damit nicht verschlossen“, sagt Jennifer Bose.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Bilder in dem vom Bürgerkrieg gezeichneten Jemen haben sich in ihrem Gedächtnis eingebrannt. Wird Jennifer Bose diese Eindrücke jemals wieder vergessen? „Ich weiß es nicht“, sagt die 31-Jährige. „Jetzt bin ich erst einmal froh, wieder zurück in Bonn zu sein. In einer ganz anderen Welt.“

Einen Monat lang war die junge Mitarbeiterin des Bonner Care-Nothilfe-Teams in Jemen im Einsatz und ist nun wieder zu Hause. „Hier werde ich jetzt alle Erfahrungen und Erlebnisse aufarbeiten. Ich habe gelernt, mir einen Panzer aufzubauen, um nicht alles nahe an mich heranzulassen. Ich kann nur Hoffnung schenken, wenn ich selbst hoffnungsvoll nach vorne blicke.“ Würde sie sich von den einzelnen Schicksalen mitreißen lassen, dann könne sie diese Zuversicht nicht vermitteln.

Innerhalb weniger Tage war die 31-Jährige einsatzbereit

Seit zwei Jahren lebt Bose in Bonn. Am Hofgarten hat sie mit ihrem Partner eine Wohnung gefunden und fühlt sich wohl. „Ich freue mich wieder auf ein halbwegs normales Leben. Auf mein Bett, auf eine warme Dusche. Die Nähe zur Stadt und zum Rhein werde ich jetzt erst einmal genießen.“ Auch wenn sie bei ihrem humanitären Einsatz in der Nähe der Stadt Aden mit Elend, Tod, Hunger und Trostlosigkeit konfrontiert wurde, blickt Bose voller Freude und Zuversicht in ihre eigene Zukunft. „Ich werde im nächsten Monat heiraten“, erzählt sie und strahlt.

Wie immer musste es auch für den Einsatz im Jemen schnell gehen. Innerhalb weniger Tage war die 31-Jährige einsatzbereit. „Ich sitze in meiner Wohnung immer auf gepackten Koffern. Ich habe alle notwendigen Impfungen und bin gut organisiert.“ Muss sie auch. Denn humanitäre Helfer bekommen längst nicht immer Zugang in die jeweiligen Krisenregionen. „In Jemen ist es besonders schwierig. Selbst das Auswärtige Amt sowie die EU können nicht einfach einreisen“, weiß sie. Doch diesmal konnte sie wenigstens in Ruhe packen. Anders als bei ihrem Hilfseinsatz in Mosambik, als der Zyklon „Idai“ im März große Verwüstungen anrichtete und Hunderte Menschen starben. „Damals musste ich sofort zum Flughafen und konnte mir gerade noch ein paar Müsliriegel als Notfallversorgung für unterwegs kaufen“, erinnert sich die junge Frau, die in Siegen und London Kommunikation und Internationale Beziehungen studiert hat.

Der Einsatz in Jemen hat nachhaltigen Eindruck hinterlassen. „Ich hatte durchaus Angst. Daher habe ich mich täglich verschleiert, um nicht als Mitarbeiterin einer internationalen Organisation erkannt zu werden.“ Die Nächte waren kaum zu ertragen. „Ich kann mich nicht daran gewöhnen, stundenlang Schüsse zu hören. Ich habe sehr oft Panik bekommen, weil ich die Situation nicht einordnen konnte.“ Entsetzt haben sie die vielen Kindern in ihrem Flüchtlingscamp. „Für sie war diese Bedrohung schon fast alltäglich. Sie konnten sogar genau sagen, aus welchem Waffentyp gerade gefeuert wurde.“

Obwohl sie sich allmählich wieder in ihren gewohnten Alltag eingelebt hat, sind die Erinnerung an einzelne Schicksale noch präsent. Etwa das der 17-jährigen Thaibah. Das junge Mädchen hatte die Schafe der Familien gehütet und war auf dem Heimweg auf eine Miene getreten. Ein Bein wurde zerfetzt, das andere medizinisch nicht behandelt. Mit der Folge, dass Thaibah nicht mehr gehen kann und nur noch auf dem Boden sitzt.

„Zwei Tage vor dem Unglück lernte Thaibah ihren zukünftigen Mann kennen. Nach dem Unfall wollte der natürlich nichts mehr von der jungen Frau wissen“, erzählt Bose. Auch die Geschichten der vielen Frauen lassen sie nicht mehr los. „Sexuelle Gewalt ist allgegenwärtig. Ich hoffe, dass durch unsere Arbeit vor Ort auch die Frauenrechte gestärkt werden.“ Trotz aller Zuversicht weiß Jennifer Bose nur allzu gut: „Humanitäre Hilfe ist ein großes Pflaster, aber die Wunden werden auf Dauer damit nicht verschlossen.“

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