Studentenwohnheim Brigitte Göckler ist seit 38 Jahren Hausverwalterin
BONN · "Mutti" kennt sich aus. In allen Lebenslagen. "Halte durch, das hat hier jeder schon einmal durchgemacht", tröstet sie den Chemiestudenten, der zerknirscht zur Türe kommt und davon ausgeht, dass er gerade eine wichtige Klausur in den Sand gesetzt hat.
"Warte erst einmal ab, jetzt kannst du eh nichts ändern." "Mutti", das ist Brigitte Göckler, und "ihre Kinder", das sind die 145 Studenten, die im Wohnheim Am Bleichgraben in Endenich leben. Seit rund 38 Jahren ist Brigitte Göckler dort Hausverwalterin - und nebenbei Seelentherapeutin, Psychologin sowie Expertin bei Liebeskummer und Prüfungsängsten.
"Ich bin hier für viele ein Mutterersatz", lacht sie. "Aber das bin ich gerne." Obwohl eigentlich nur die Abnahme und Übergabe der Wohnheimplätze sowie die Beaufsichtigung von Handwerkern zu ihren Aufgaben gehört, ist Brigitte Göckler kompetente Ansprechpartnerin in allen Fragen. "Gerade die jungen Bewohner, die heute oft erst 18 Jahre alt sind, suchen immer wieder meinen Rat und meine Hilfe", erzählt sie.
Dabei hat sie in den vergangenen Jahren Tausende Studenten begleitet, mit einigen pflegt sie über die Examenszeit hinaus eine innige Freundschaft. "Viele schreiben mir Weihnachten oder zum Geburtstag. Ich freue mich immer, wenn ich erfahre, was aus “meinen Kindern„ geworden ist", zieht sie zufrieden Bilanz.
"Sie ist die Perle des Hauses", lobt Steffen Urban, siebtes Semester Physik. Und Jura-Student Markus Laschinski fügt hinzu: "Selbst im Urlaub ist sie für Notfälle erreichbar." Allerdings ist Brigitte Göckler nicht nur in der Ferienzeit die letzte Rettung für manchen.
"Ich wohne gleich nebenan. Das wissen die Studenten. Wenn einer seinen Schlüssel vergessen hat, klingelt er mich auch schon mal nachts aus dem Bett." Trotzdem gibt es für sie keinen schöneren Arbeitsplatz. "Ich bin ganz traurig, wenn ich daran denke, dass ich wohl bald in den Ruhestand gehen muss", sagt die 64-jährige gebürtige Poppelsdorferin.
Damit Brigitte Göckler immer weiß, was ihre Schützlinge bewegt, geht sie hin und wieder zu den Festen in der Kellerbar. "In dieser Atmosphäre öffnen sich auch diejenigen, die mich sonst nicht ansprechen. Ist das Eis gebrochen, sehen sie in mir die Vertrauensperson, der sie auch ihr Herz ausschütten können." Und bei Herzensangelegenheiten hilft sie immer gerne nach. "Offenbar wird mein Rat von den Studenten nicht nur geschätzt, sondern auch umgesetzt", sagt sie. Denn während ihrer Dienstzeit gab es schon ein paar Hochzeiten im Haus.
In 38 Jahren in diesem Job hat sie bemerkt, wie sich das Leben ihrer Schützlinge verändert hat. "Das Studium ist stressig geworden. Früher hatten sie mehr Zeit, damals gab es regelmäßig Flurfeten und Küchenpartys."
Allerdings kann sich die Hausverwalterin auch an einen dramatischen Tag in ihrem Job als Verwalterin erinnern. Damals, im November 1988, berichteten deutschlandweit alle Sender und Zeitungen über einen vereitelten Gasanschlag in "ihrem" Haus. Ein psychisch kranker Bewohner hatte für viel Aufregung gesorgt. "Aber zum Glück ist nichts Schlimmeres passiert", erzählt Brigitte Göckler.
Eines bedauert sie: "Heute schicken mir die meisten schnell eine E-Mail, wenn etwas repariert oder geregelt werden muss. Ich habe es lieber, wenn Studenten direkt zu mir kommen. Denn in einem Gespräch kann man viel schneller Vertrauen aufbauen und erfährt nebenbei auch, wo der Schuh drückt. Aber das werde ich wohl nicht ändern können."
Alexander Bojanowsky weiß, was er an Brigitte Göckler hat: "Wenn jemand seinem Beruf mit solch einer Hingabe nachgeht, dann hat das eine positive Auswirkung auf die Atmosphäre des Wohnheims", lobt der Geschäftsführer des Studentenwerks Bonn. "Die Gemeinschaft macht das Wohnen hier einzigartig", ergänzt Biologie-Studentin Kristin Mösbauer. Diese Vertrautheit ist das Verdienst von Brigitte Göckler.
