Umfrage unter Anwohnern Pläne für Bonner Bundesviertel wecken gemischte Gefühle

Bonn · Das Bundesviertel in Bonn soll ausgebaut werden. Bis zu 120 Meter hohe Neubauten sind vorgesehen. Angestellte und Pendler sehen den Plänen zwiegespalten entgegen.

Der Rahmenplan sieht mehr Hochhäuser am Rand und grüne "Mitten" für das Bundesviertel vor.

Der Rahmenplan sieht mehr Hochhäuser am Rand und grüne "Mitten" für das Bundesviertel vor.

Foto: Stefan Hermes

Als "urbane Mitte" mit einem Mix aus Arbeiten und Wohnen, belebten Plätzen, einigem Grün, vielfältigen Wegeverbindungen und nutzbaren Dachterrassen stellt sich das Hannoveraner Planungsbüro Cityförster die Zukunft des Bundesviertels vor. In der Rahmenplanung, die dem Stadtrat Anfang November von der Verwaltung vorgelegt wird, sind Neubauten bis zu 120 Metern Höhe vorgesehen. Es ist zu befürchten, dass sich Bonn mit dem Angebot neuer Büroflächen auch mehr Verkehrsprobleme einhandelt. Schon jetzt stehen die Pendler in täglichen Staus. In einer Zufallsbefragung ermittelte der GA vor Ort die Stimmungslage bei Anwohnern und den im Bundesviertel arbeitenden Menschen.

"Das Viertel hat ja nur gewonnen", sagte der pensionierte Arzt Wolfgang Büttner, der seit 17 Jahren in einem der letzten Wohnhäuser in der Winston-Churchill-Straße lebt. Er würde keinesfalls mehr von dort wegziehen. Die Klagen, dass es dort keine Infrastruktur gebe, kann er nur eingeschränkt nachvollziehen: "Ich bin mit der U-Bahn in vier Minuten am Bonner Markt", so Büttner, "für solche Infrastruktur würde uns jeder Berliner die Füße küssen." Das sei eine sterbende Ecke, hätten nach dem Wegzug der Regierung viele gesagt. "Heute beneiden sie uns um die gepflegte Gegend." Und wer nicht gerade "mit dem Auto bis vors Bett fahren" wolle, fände auch immer einen Parkplatz.

 Wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten wirkt der Blockhaus-Imbiss vor dem WCCB.

Wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten wirkt der Blockhaus-Imbiss vor dem WCCB.

Foto: Stefan Hermes

Keine bezahlbaren Wohnungen für Normalverdiener

Patrick Andree arbeitet bei DHL in derselben Straße und hat als Pendler zwar einen Parkplatz, in der firmeneigenen Tiefgarage aber einen anderen Blick auf die Situation im Bundesviertel: "Hier kann sich kein Normalverdiener mehr eine Zweizimmerwohnung leisten." Man sei gezwungen, zu pendeln und stehe dann Stunden im Stau. Auch dafür trage die Stadt Verantwortung. Bevor die Stadt über neue Bebauungen nachdenke, solle sie in Kultur, Infrastruktur und eine familienfreundliche Stadt investieren. Da liege vieles im Argen.

Die Bewältigung eines weiter steigenden Verkehrsaufkommens wird zur großen Aufgabe der Stadtplaner.

Die Bewältigung eines weiter steigenden Verkehrsaufkommens wird zur großen Aufgabe der Stadtplaner.

Foto: Stefan Hermes

"Ich finde den Rahmenplan für das Bundesviertel sehr gut", sagt ein namentlich nicht genannt werden wollender Banker. Ein zukünftiges Verkehrsproblem könne er dabei nicht erkennen, "weil wir eine gut funktionierende U-Bahn haben." Er ist der Überzeugung, "wenn eine Stadt die Möglichkeit zu wachsen hat, muss sie das auch tun." Auch Adan Can, der bereits zu Bonner Hauptstadtzeiten mit dem Taxi im Regierungsviertel unterwegs war, hat keine Einwände gegen mehr Büroflächen. Doch die Verkehrspolitik der Stadt müsse sich ändern. Keiner seiner Kollegen habe Verständnis für die neue Verkehrsführung auf der Kaiserstraße, wo die Taxen die Busspur nicht befahren dürfen. So etwas dürfe im Bundesviertel nicht passieren. "Meine Idealvorstellung ist, nur einmal in der Woche an meinen Arbeitsplatz zu kommen und ansonsten im Homeoffice zu arbeiten", wäre Daniel Bauerdicks Ausweg aus dem Verkehrsdilemma. Doch noch gibt ihm die Postbank keine Möglichkeit dazu. So plant er weiterhin täglich eine Stunde für seine Autofahrt von Köln nach Bonn. Dagegen erreicht seine Kollegin Katharina Dziubinski ihren Arbeitsplatz in wenigen Minuten von Kessenich aus mit dem Fahrrad. Und falls der Ausbau des Bundesviertels ihre Lebensqualität beeinträchtigen würde, sei sie flexibel. Man könne Bonn ja auch wieder verlassen. Auch Caspar Jürgens kommt täglich mit dem Rad aus dem Villenviertel zu seinem Arbeitsplatz. Er befürchtet durch eine zukünftige Bebauung und Verdichtung des Bundesviertels einen negativen Einfluss auf die klimatischen Bedingungen. Zudem kann er auch für die Zukunft keine Verbesserungen für den Radverkehr in den "Low-Budget-Lösungen" der Stadt sehen, wenn lediglich Fahrradwege auf die Fahrbahnen gemalt würden. "Man muss für eine Verbesserung des Verkehrsraums auch Geld in die Hand nehmen und nicht nur Farbe und Pinsel." Die Stadt male jedoch nur auf der Oberfläche rum, so Jürgens.

"Je mehr Wohnungen angeboten werden, desto besser", sagt Abdi Jama. Der Restaurantmanager von Vapiano kommt täglich per Bus und U-Bahn vom Heiderhof in die Ollenhauerstraße. Er sucht noch eine Wohnung in der Nähe und hofft auf die Mietpreisbremse, die beim Ausbau mit neuen Wohnungen zum Zuge kommen müsste. "Es ist ja positiv, wenn die Menschen zukünftig näher an ihrer Arbeitsstelle wohnen können", meint Sabine ten Hagen-Knauer zu einem weiteren Ausbau des Viertels. Sie versorgte sich gerade im "Frische-Fuchs" am Landgraben mit einem Mittagssnack. Wie die meisten im Bundesviertel arbeitenden Menschen, hat auch ten Hagen ansonsten eine große Auswahl an Kantinen, die sie nutzen kann. Doch ansonsten gibt es außer Bäckereifilialen, die sich auf die Außer-Haus-Verpflegung eingestellt haben, nur wenige Alternativen.

Auch die Tage von dem über lange Zeit florierenden Blockhaus-Imbiss am Platz der Vereinten Nationen sind gezählt: "Mit dem bevorstehenden Aufbau des Bundesbüdchens müssen wir hier verschwinden", sagt Hansi Werner, der seit zehn Jahren zusammen mit dem Büdchenbesitzer Jürgen Rausch den Imbiss mit gut bürgerlicher Küche vis-à-vis des Marriott-Hotels betreibt. "Seitdem hier die Arbeiter die Baustellen verlassen haben", sagt er, sei nicht mehr viel los. Aber vielleicht käme der Betrieb ja mit dem Bundesbüdchen zurück.

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