Feuer in Australien Welche Folgen die Buschbrände für das Ökosystem haben

Bonn · Etwa sieben Millionen Hektar sind in Australien bereits abgebrannt. Wissenschaftlerin Anja Linstädter erklärt die Folgen der Brände für das Ökosystem.

  Ein Känguru hüpft am frühen Morgen durch das von Rauchschwaden vernebelte Buschland. Hunderte Millionen Tiere sind nach vorsichtigen Schätzungen von Wissenschaftlern allein im Bundesstaat New South Wales bei den Buschbränden an der Südostküste getötet worden.

Ein Känguru hüpft am frühen Morgen durch das von Rauchschwaden vernebelte Buschland. Hunderte Millionen Tiere sind nach vorsichtigen Schätzungen von Wissenschaftlern allein im Bundesstaat New South Wales bei den Buschbränden an der Südostküste getötet worden.

Foto: dpa/Lukas Coch

Etwa sieben Millionen Hektar Fläche sollen in Australien bereits niedergebrannt sein. Welche Folgen haben die Brände für die Tier- und Pflanzenwelt?

Anja Linstädter: Die jetzigen Feuer sind in ihrer Hitze und ihrer Größenordnung nicht vergleichbar zu dem, was bisher in Australien passiert ist. Deswegen sind die Folgen immens, insbesondere für die Tierwelt. Laut Schätzungen der australischen Kollegen sind schon mehr als eine Milliarde Tiere getötet worden.

Wie lange wird es dauern, bis sich die Flora in den abgebrannten Gebieten der Insel erholt hat?

Linstädter: Bei den aktuellen Feuern sind vor allem Eukalyptuswälder betroffen. Eukalyptusbäume sind besonders gut an Feuer angepasst. Sie können sogar überleben, wenn mehrere Zentimeter ihrer Rinde verbrannt sind. So hat man nach dem letzten großen Brand in der Nähe von Sydney eine Art grünes Wunder beobachtet, als dort nach wenigen Monaten schon wieder viele der Bäume ausgetrieben haben. Auch wenn dort jetzt alles schwarz und verbrannt ist, heißt das also nicht zwangsläufig, dass alles abgestorben ist. Jedoch kann man das für das jetzige Feuer schlecht einschätzen, da dieses ungewöhnlich heiß ist und vielleicht die Wälder besonders stark schädigt.

Buschfeuer wüten in Australien
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Foto: dpa/Dan Himbrechts

Wie gehen die Ökosysteme mit Feuer um?

Linstädter: Buschfeuer treten schon seit vielen Millionen Jahren in Australien auf. Auch Feuer, das durch den Menschen entsteht, ist nichts Ungewöhnliches: Schon die Aborigines haben Feuer gelegt. Dementsprechend sind viele Pflanzenarten sehr gut an Feuer angepasst. Es gibt zum Beispiel Bäume, da brauchen die Samen einen Hitzeschock, damit sie überhaupt keimen können. Die Ökosysteme sind also grundsätzlich gut vorbereitet und brauchen das Feuer sogar für ihr Funktionieren. Was sich aber in den letzten Jahrhunderten verändert hat, ist, dass menschengemachte Feuer in der falschen, der warmen Jahreszeit dazugekommen sind, und dass der Klimawandel die Temperaturen hochgetrieben hat. Dadurch ist die Vegetation schneller ausgetrocknet und viel feueranfälliger. Und die Feuer werden dann eben auch viel heißer und greifen schneller um sich.

Stürzen die Brände die Welt in eine globale Krise?

Linstädter: Die Feuer haben sicherlich gewisse Auswirkungen auf den globalen Klimawandel. Schon jetzt haben sie etwa halb so viel CO2 in die Atmosphäre entlassen wie die australische Wirtschaft in einem ganzen Jahr. Dadurch wird der Klimawandel weiter beschleunigt. Das ist so eine Art Teufelskreis: Es wird wärmer, dadurch brennt es mehr, dadurch wird mehr Kohlenstoff aus der Biomasse der Bäume freigesetzt, wodurch wiederum der Klimawandel beschleunigt wird. Deshalb ist es umso weniger zu verstehen, dass die australische Regierung vor dem Klimawandel so die Augen verschließt, weil das Land davon momentan so stark betroffen ist. Auch die Gefahr von großen, verheerenden Feuern erhöht sich gerade weltweit. Hier hat der Mensch auf zweierlei Art seine Finger im Spiel. Zum einen trägt er durch den Klimawandel zur Erwärmung und Austrocknung von Wäldern und Savannen bei. Zum anderen bewirkt er, dass sich immer mehr Biomasse in den Ökosystemen aufhäuft. Entweder weil er Feuer aus den Ökosystemen raushält - zum Beispiel weil er sehr nah an den Wäldern lebt. Oder weil er natürliche Prozesse unterbindet, die Biomasse abbauen, wie etwa Beweidung. Dadurch nimmt die Gefahr von Feuern stark zu. Denken Sie nur an die verheerenden Feuer in Kalifornien.

Wie geht es für die Tiere weiter, die die Brände bislang überlebt haben? Gibt es eine Überlebenschance trotz der mangelnden Nahrung und dem abgebrannten Lebensraum?

Linstädter: Das hängt sehr stark von den Tierarten ab. Für die Koalabären wird es schwierig, die Zeit zu überstehen, bis die Eukalyptusbäume wieder austreiben, da sie sich ja wesentlich von Eukalyptus ernähren. Ich denke aber, dass die Bären, wenn sie jetzt vom Menschen eingesammelt und gepflegt werden, sogar eine relativ gute Überlebenschance haben, bis der Eukalyptus vielleicht schon in einigen Monaten wieder austreibt. Für andere Tierarten, wie zum Beispiel Insekten- oder Fleischfresser, wird das sehr viel bitterer, weil einfach deren Nahrungsgrundlage weggebrochen ist. Da wird es deutlich länger dauern, bis sich die Populationen erholt haben. Ein australischer Kollege sagt, es kann bis zu 40 Jahre dauern, bis die betroffenen Ökosysteme in Australien wieder komplett regeneriert ist. Ich schätze mal, bis das Ganze wieder aussieht wie ein Wald, kann es nur ein bis zwei Jahre brauchen. Bis aber die gesamten Nahrungsnetze wieder da sind, kann es Jahrzehnte dauern.

Wie können sich die Tiere vor dem Feuer schützen?

Linstädter: Die Tierarten, die in den betroffenen Ökosystemen leben, wurden schon seit Millionen Jahren immer wieder mit Buschfeuern konfrontiert. Sie haben ganz spezifische Warnsysteme. Sie warnen sich zum Beispiel untereinander durch Rufe. Die Tiere, die gut riechen können, nehmen auch den Rauch war. Das Hauptproblem bei diesen Feuern ist, dass sie eben wahnsinnig schnell und heiß sind und deswegen auch diese natürlichen Mechanismen nicht mehr so gut greifen. .

Welche Tierart ist durch das Feuer besonders gefährdet?

Linstädter: Alles, was schnell rennen oder fliegen kann, kann sich aus der Gefahr befreien. Koalabären zum Beispiel haben ein Problem, weil sie einfach zu langsam sind. Sie flüchten meist in die obersten Baumwipfel – die aktuellen Feuer sind aber so heiß, dass die Bären auch dort nicht sicher sind. Bei Insekten ist es schwierig, weil häufig ein Feuerwind entsteht und sie durch ihre Leichtigkeit zurück ins Feuer gezogen werden. Die meisten Tiere überleben nur dann, wenn sie durch Zufall in ein Gebiet kommen, so eine Art Insel, das weniger stark abgebrannt ist und sie sich dahin retten können. Es ist nie so, dass so ein Feuer alles flächendeckend lahmlegt. Es gibt immer wieder nicht vorhersehbare Flecken, die weniger stark verbrannt sind – und das sind die Rettungsinseln für viele Tiere. Von da aus kann dann eine Wiederbesiedlung stattfinden. Das ist auch die große Hoffnung meiner australischen Kollegen. Ihre Sorge ist allerdings, dass die neuen Brände so heiß und schlimm sind, dass diese Inseln nicht mehr im gleichen Umfang enstehen wie früher.

Welche Folgen haben die Brände für die Wissenschaft?

Linstädter: Das Ziel der Forscher ist, Ökosysteme zu verstehen. Wenn diese weg sind, ist das natürlich für die Forschung kurzfristig fatal. Aber die Folgen der Brände sind für die Menschen und die Ökosysteme in den betroffenen Gebieten noch viel schlimmer. Unwiederbringlich können dort bestimmte Tierarten verloren gehen. Das Schlimmste an der Geschichte ist eigentlich, dass dieser riesengroße Schatz an Beuteltieren, den es eigentlich nur in Australien gibt, bedroht ist.

Die Abholzung im Amazonas ist auf Rekordstand. Im Vergleich zu den Bränden in Australien, was ist verheerender für das Klima?

Linstädter: Die Abholzung in Brasilien ist tausendmal verheerender für den Klimawandel und die Ökosysteme, weil die Ökosysteme dort nicht an Feuer angepasst sind. In den tropischen Regenwäldern ist der Kohlenstoff seit Millionen Jahren in der Biomasse gespeichert. Wenn er dort durch die Feuer verloren geht, steigt er in die Luft. Insgesamt ist in den australischen Wäldern durch die vermehrten Brände weniger Kohlenstoff zu finden, da die Brände dort eben Teil des Ökosystems sind.

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