Kommunalwahl 2020 in Bonn Christoph Manka: „Es ist ein Trauerspiel“

Interview | Bonn · Die GA-Redaktion hat mit den aussichtsreichsten sechs Bonner Oberbürgermeisterkandidaten Interviews nach ganz besonderen Spielregeln geführt - sie saßen auf dem „Heißen Stuhl“. In dieser Folge: Christoph Manka vom Bürger Bund Bonn.

 Christoph Manka beantwortet die Fragen von GA-Redakteur Philipp Königs.

Christoph Manka beantwortet die Fragen von GA-Redakteur Philipp Königs.

Foto: Benjamin Westhoff

Am 13. September wählen die Bonner den neuen Stadtrat, die Bezirksvertretungen – und das neue Stadtoberhaupt. Die Redaktion hat mit den aussichtsreichsten sechs Oberbürgermeister-Kandidaten Interviews nach besonderen Spielregeln geführt (siehe „Gesprächskonzept“ unten), bei denen es auf Faktenkenntnis, Klarheit und rhetorisches Geschick ankam – sie saßen auf dem Heißen Stuhl. Videos aller Gespräche werden auf der GA-Internetseite veröffentlicht. An der Aufnahme mit Christoph Manka vom Bürger Bund Bonn waren Andreas Dyck, Philipp Königs und Christoph Meurer beteiligt.

Bonn will klimaneutral werden und den Autoverkehr reduzieren: Sind Sie für Umweltspuren nur für Bus und Radler auf den großen Ausfallstraßen? Auf welchen?

Christoph Manka: Der Bürger Bund Bonn lehnt diese auf den großen Einfallstraßen ab. (...) Diese ganze Situation würde noch verstärkt werden, und wir sind ja gegen das Verkehrschaos. Und solange wir keinen richtig guten, funktionierenden ÖPNV als solches haben, können wir dem nicht zustimmen. Da  war ja die Trasse in Endenich im Gespräch, wo wir sehen, das funktioniert nicht.

Wie oft nutzen Sie selbst Bus, Bahn oder das Rad?

Manka: Ich nutze das Rad, fahre aber überwiegend mit dem Auto, weil es bei mir am besten passt. Wir müssen von unserer Wohnsituation und Arbeitssituation unser Kind in die Schule bringen, ab und zu an vier Standorten in Bonn arbeiten, insbesondere meine Frau. Und somit passt es nicht, mit Bus und Bahn zu fahren oder das Fahrrad zu benutzen. Leider. Wenn es möglich wäre, würde ich es gerne machen, aber bei uns passt es so leider nicht.

Eine Seilbahn auf den Venusberg: Gute Investition?

Manka: Wir sehen oder ich sehe nicht den Nutzen des Ganzen. Also die Kosten stehen noch nicht klar. Es gibt keine Kosten-Nutzen-Analyse. Ob es überhaupt funktioniert, sinnvoll ist, erschließt sich mir nicht. Und es gibt ganz bestimmt Methoden, um die Versorgung des Venusberges besser zu gestalten und mit dem ÖPNV, normalen Bussen und Bahnen, besser anzupassen.

Zankapfel Cityring: Was halten Sie für die beste Lösung?

Manka: Die beste Lösung wurde vor vielen, vielen Jahren verpasst, indem man die Südüberbauung und das Nordfeld falsch erschlossen hat und da nicht den ZOB gebildet hat oder ausgebaut hat oder darüber nachgedacht hat. Im Endeffekt: Den Cityring hat es schon lange nicht mehr gegeben. Und da muss jetzt eine Lösung gefunden werden, damit das endlich mal funktioniert. Daran müssen wir alle zusammenarbeiten. Aber in dieser Form funktioniert er nicht – egal, ob Autos darüber fahren können oder nicht.

Deutsche Städte bekommen die Möglichkeit, das Anwohnerparken teurer zu machen. Wären Sie dafür?

Manka: Die Menschen müssen natürlich fahren können, wenn sie auf das Auto angewiesen sind. Es kommt immer darauf an, wie viel teurer, und ist das in irgendeiner Relation zu dem Gebotenen. Also prinzipiell: Natürlich, jede Stadt und Kommune braucht Geld, und ich glaube, das ist meistens der Grund dafür.

Wie wollen Sie dafür sorgen, dass Wohnen in Bonn für jeden bezahlbar bleibt?

Manka: Da ist der Bürger Bund ja ein bisschen kontrovers. Wir sind gegen das Wachstum in Bonn, also wir sind ja gegen Nachverdichtung. Dafür sind wir bekannt. Wir sind ja auch gegen die Bebauung des Melbbades. Und deswegen wird es schwierig. Wir müssen gucken, wie wir unsere Stadt gestalten, aber jetzt prinzipiell sagen, wir brauchen auf Teufel komm raus, um für jeden Wohnraum  zu schaffen, dafür haben wir nicht die Möglichkeiten. Wir haben auch nicht die Infrastruktur dafür. Schule, Kitas sind nicht da.

Bei vielen Wohnbauprojekten kommt sofort Gegenwind von Bürgerinitiativen aus der Nachbarschaft. Was sagen Sie denen?

Manka: Denen hören wir zu. Wir sind ja der Verein, der immer an die Bürger herantritt, wenn es um Nachverdichtung geht. Das ist uns auch ganz, ganz wichtig. Wir können nicht nur auf Neubürger für Bonn zählen. Wir müssen auch die Bestandsbürger pflegen und (...) eine lebenswerte Stadt dafür auch erhalten.

Erst Bürgerbegehren, dann Bürgerwerkstatt, jetzt Stillstand: Was soll aus dem Viktoriakarree werden?

Manka: 2019 wurde schon ein gutes Konzept vorgestellt. Es wäre ganz, ganz wichtig, dieses zu entwickeln. Weil, damit könnte man auch das Problem (...) Am Hof und auch Rathausgasse klären und dort vielleicht sogar einen SharedSpace einrichten, wo Busse langsam durchfahren und damit auch erweitern. Es ist ganz ganz wichtig, das Viktoriakarree zu gestalten, damit auch die Tiefgaragenausfahrt passt und dieses alles zusammen. Das sollte man immer als Ganzes sehen.

Der Schuldenberg der Stadt beträgt bald zwei Milliarden Euro: Wo kann Bonn sparen?

Manka: Wir müssen, glaube ich, jegliche Ausgaben, insbesondere die freiwilligen Ausgaben an vielen, vielen Stellen kontrollieren. Da ist natürlich ein großer Posten im Kulturbereich:  Oper (...). Aber jegliche kleine Maßnahme muss man noch einmal überprüfen. Ich wäre nur gegen Kürzungen, insbesondere bei Kindern, Schulen und Sachen, die für Eltern und uns ganz ganz wichtig sind.

Schließen Sie eine Erhöhung von Grund- oder Gewerbesteuer aus, wenn Sie OB sind?

Manka: Absolut, weil ich glaube, das ist der falsche Weg, da zusätzlich zu belasten. Wir haben schon sehr viel Abwanderung von Gewerbe ins Umland, unter der wir leiden. Das muss unbedingt vermieden werden, und auch die Bedingungen in Industriegebieten müssen deutlich verbessert werden. In dieser Situation mit Steuererhöhungen zu kommen, wäre sehr kontraproduktiv.

Ist die Integration von Flüchtlingen seit 2015 gelungen?

Manka: Muss ich sagen: Das kann ich so nicht beantworten. Dazu habe ich keine Daten. Aber ich bin ein großer Fan von Sprache. Mir ist wichtig, dass wir da alles tun, um bereits in der frühkindlichen Erziehung die Sprache zu fördern und so die Integration über Schulen und Kindergärten zu schaffen. Daran muss gearbeitet werden und da muss, wie eben schon gesagt, investiert werden.

Die Corona-Krise zeigt, wie rückständig die Digital-Ausstattung der städtischen Schulen ist. Was wollen Sie tun?

Manka: Alles nach Möglichkeit. Wir müssen gucken, wie wir die Schulen sanieren. Auch die Erich-Kästner-Schule meines Sohnes war ein Grund, warum ich in die Politik gegangen bin. Weil es wirklich traurig ist, was dort vorliegt. Daran müssen wir arbeiten – mit Breitbandausbau zum Beispiel und  Whiteboards anschaffen. In der Erich-Kästner-Schule ist ein Whiteboard im Musikraum. Wir leben im Jahr 2020. Es ist schade, und es regt mich wirklich auf, das zu sehen. Da werde ich wirklich emotional in diesem Moment.

Auf Termine im Dienstleistungszentrum müssen die Bonner immer noch wochenlang warten, wenn sie Pech haben. Was läuft da seit Jahren falsch?

Manka: Ich meine, es wurde vorher sehr viel angekündigt vom jetzigen OB. Die Zentralisierung war, glaube ich, auch ein riesiges Problem: Dass wir erst in der Peripherie und den unteren Bezirken die Bürgerdienste runtergefahren haben. Somit alle dorthin mussten, weil es nicht geklappt hat. Das war der größte Fehler, der gemacht wurde. Und der muss jetzt auch korrigiert werden.

Nicht nur bei der Sanierung der Beethovenhalle wirkt das Städtische Gebäudemanagement überfordert: Soll die Stadt auf öffentlich-private Partnerschaft setzen, also Generalunternehmer, die schlüsselfertig bauen, oder sogar ganz auf Investoren?

Manka: Auf Investoren auf keinen Fall. Die ganzen Probleme sehen wir jetzt wieder auf dem Bahnhofsvorplatz. Sachen, die den Bürgern im Endeffekt nicht gefallen. Wir müssen dort eine Regelung finden. Das Gebäudemanagement wurde ja jetzt umstrukturiert. Da müssen wir gucken, wie die Ergebnisse mit dem neuen Führenden sind. Wenn das nicht ist, müssen wir komplett das Konzept überdenken. Aber ganz bestimmt nicht an Investoren.

Wie bewerten Sie das optische Erscheinungsbild von Straßen und Plätzen der Stadt?

Manka: Jeder, der, glaube ich, mit offenen Augen durch Bonn geht, kann das selber beantworten: Wir haben Dreck. Wir haben nicht gepflegte Grünflächen. Wir haben keine Ausweichmöglichkeiten für Jugendliche, um draußen zu verbleiben, was wir jetzt auch sehen an der Poppelsdorfer Allee. Es ist ein Trauerspiel. Grün wird zwar propagiert hier und auch angesagt, aber ich sehe kein Grün hier, ich sehe Grau und Beton. Das ist für mich unmöglich. Okay, Grün gibt es ab und zu auf den Gehwegen, wo es zwischen den Gehwegplatten rauswächst.

Befürworten Sie mehr Videoüberwachung an Straßen und Plätzen? Wenn ja, wo?

Manka: Das ist immer eine heikle Sache mit der Privatsphäre. Prinzipiell wir (...) unterstützen jetzt auch die Initiative Bodycams für die Ordnungsdienste in Bonn. Allgemeine Überwachung wäre ganz bestimmt sinnvoll, insbesondere entlang des Rheins, wo viele Plätze nicht einsichtig sind und da auch viele Gefahrenpunkte sind. Und natürlich eine bessere Beleuchtung erstmal wäre ganz, ganz wegweisend, um da weiterzukommen.

Die nächste Folge der Reihe erscheint am Dienstag mit SPD-Kandidatin Lissi von Bülow.

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