GA Podiumsdiskussion Bonner diskutieren über die Zukunft des Verkehrs

Bonn · Vertreter von Politik, Wirtschaft und Stadtgesellschaft haben über die neue Verkehrsführung auf dem Cityring und Auswirkungen der Umweltspuren diskutiert. Sehen Sie hier das Video zur Debatte über den Bonner Verkehr.

Die GA-Podiumsdiskussion im Haus der Bildung am späten Freitagnachmittag hatte gerade begonnen, da waren Oberbürgermeisterin Katja Dörner und CDU-Ratsfraktionschef Guido Déus schon mittendrin in der Debatte. Es ging um die Kappung des Cityrings, die tagelang die Gemüter in der Stadt erhitzt hatte, hatten sich doch kurz danach chaotische Szenen rund um den Cityring abgespielt. Die Lage hat sich zwar inzwischen entspannt, doch Déus ist nach wie vor überzeugt: Die Kappung kam zum völlig falschen Zeitpunkt.

Mit dem Unionspolitiker und der OB diskutierten auf dem Podium Hubertus Hille, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK), Giovanna Leier von Fridays für Future (FFF) und Robert Follmer vom Meinungsforschungsinstitut Infas. Durch die Diskussion führte GA-Lokalchef Andreas Baumann, der sich bei der Gastgeberin und Chefin der Volkshochschule (VHS) Ingrid Schöll für die Kooperation bedankte. Im Saal saßen rund 60 Gäste. Der Live-Übertragung folgten rund 350 Zuschauerinnen und Zuschauer.

 Hubertus Hille (IHK), Robert Follmer (Infas), Guido Déus (CDU), Katja Dörner (Grüne), Giovanna Leier (FFF) und GA-Lokalchef Andreas Baumann (v. l.) diskutierten über die Zukunft der Mobilität in Bonn.

Hubertus Hille (IHK), Robert Follmer (Infas), Guido Déus (CDU), Katja Dörner (Grüne), Giovanna Leier (FFF) und GA-Lokalchef Andreas Baumann (v. l.) diskutierten über die Zukunft der Mobilität in Bonn.

Foto: Benjamin Westhoff

Beide Lager vertreten

Der Applaus im Publikum zeigte: Beide Lager – die Kritiker der aktuellen Verkehrspolitik der Grün-Linke-Ratskoalition und deren Befürworter – waren etwa in gleicher Anzahl vertreten. „Es war schon lange geplant, mehr Raum in der Innenstadt zu schaffen“, erklärte OB Dörner ein Ziel der Verkehrswende. Bonn gehöre zu den wenigen Städten in Deutschland, wo noch unmittelbar vor dem Hauptbahnhof der Verkehr so fließen konnte wie vor der Kappung. „Wir wollen die Innenstadt attraktiver machen“, sagte die OB. Ein Ziel, das durchaus auch die CDU verfolge, konterte Déus.

Auch er sei für die Herausnahme des Verkehrs vor der Universität. Allerdings sei die Kappung erfolgt, während das Koblenzer Tor saniert werde und deshalb im Abschnitt davor die Adenauerallee gesperrt werden musste. „Wir haben keine bessere Aufenthaltsqualität in der City bekommen, sondern nur eine zusätzliche Behinderung des innerstädtischen Leben.“

Dörner verteidigte die Maßnahme zum jetzigen Zeitpunkt, der für die CDU wohl nie der richtige sei. Sie erinnerte an den ersten Testlauf der Kappung des Cityrings noch unter der Ägide der Jamaika-Ratsmehrheit aus CDU, Grünen und FDP vor zwei Jahren, den die CDU damals wieder einkassiert habe. „Wir könnten heute viel weiter sein“, betonte die OB. Und: „Ich bekommen viel Feedback von Menschen, die die Kappung des Cityrings sehr begrüßen.“

Wirtschaft sei gar nicht so Auto-fixiert

Differenzierter sieht IHK-Mann Hille die neue Verkehrsführung: „Es stimmt: Es war anfangs kaum mehr Bewegung auf den Straßen“, erinnerte er an die langen Staus vor dem Rathaus bis hin zum Busbahnhof und von dort weiter entlang Am Hofgarten. „Glücklicherweise hat sich das Problem inzwischen zum Teil gelöst.“ Die Wirtschaft sei gar nicht so Auto-fixiert, wie es oft heiße, betonte er. Aber: Für die Wirtschaft sei vor allem Erreichbarkeit der Stadt – auch mit dem Auto – ein wichtiges Thema. Dies müsse sichergestellt sein.

Ein Thema, das dem Einzelhandel auf den Nägeln brennt, wie Jannis Vassiliou deutlich machte. Der Vorsitzende des Einzelhandelsverbands Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen saß mit im Publikum, Moderator Baumann erteilte ihm kurz das Wort. „Die Geschäftsleute sind mit der Kappung extrem unglücklich, auch die Verbraucher. Staus tragen sicher nicht zur Klimaverbesserung bei.“ Auch löse die Kappung nicht das Problem des Pendlerverkehrs in Bonn.

Zuversichtlich, dass sich die geänderte Verkehrsführung einspielen wird, ist Giovanna Leier: „Ich würde mir mehr Vertrauen in die Bonnerinnen und Bonner wünschen, dass sie sich an die Situation gewöhnen.“ Ohnehin müsse der Fokus aus ihrer Sicht das Augenmerk stärker auf den Radwegen liegen. „Und die sind ausbaufähig“, sagte sie mit kritischem Unterton.

Kommunen würden die Größe der Aufgabe verkennen

Follmer kennt offenbar den Grund: „Es klappt oft nicht mit dem Radwegeausbau, weil viele Kommunen nicht erkennen, wie groß diese Aufgabe ist.“ Das Stichwort für Déus und Dörner, sich noch einmal kurz einen Schlagabtausch zum geplanten Radschnellweg in der Beueler Rheinaue zu liefern, für den unter großem Protest vieler Bürger und auch der CDU 27 Bäume fallen mussten. Sichtlich überrascht wirkte Dörner, als Hille das Wort ergriff und sie dafür lobte, dass sie in der Rheinaue nicht „vor ihrer eigenen Klientel“ eingeknickt sei, sondern den Plan umgesetzt habe. Weitere Themen: der öffentliche Nahverkehr und die Finanzierung. Für Hille ist das eine Aufgabe, die eine Kommune allein nicht lösen kann. „Da gibt es aber noch zu viel Kirchturmdenken. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die verschiedenen Verkehrsverbände zusammenführen können“, sagte er.

Noch ein Reizthema: Die geplanten Umweltspuren auf dem Hermann-Wandersleb-Ring und auf der Oxfordstraße, verbunden mit einer Einspurigkeit für den Autoverkehr. Für Dörner ist die Umweltspur die richtige Variante, den ÖPNV attraktiver zu machen. Doppelt so viele Menschen wie in den Autos seien mit Bus, Bahn und dem Rad unterwegs. „Dann ist es doch nur gerecht, die Verkehrsfläche fifty-fifty aufzuteilen.“

Eine Aussage, die Déus sofort zum Widerspruch reizte: „Wir haben bisher keine Untersuchung, wie eine Einspurigkeit für Autos sich auf diesen Strecken auswirken wird“, sagte er. Seine Befürchtung: Es kommt zu langen Staus und der Autoverkehr suche sich Auswege durch die Wohngebiete rechts und links. GA-Lokalchef Baumann erinnerte an die Handwerker, Pflegekräfte und viele mehr, die mit dem Auto von A nach B müssten und dann ebenfalls im Stau stünden. Dörner ist zuversichtlich: Wenn alle, die könnten, den ÖPNV oder das Rad nutzten, bliebe für die von Baumann angesprochenen Autofahrern genügend Platz auf den Straßen.

Auch Follmer verteidigte die Umweltspuren: „Wir brauchen bessere Verhältnisse für alle, die nicht im Auto sitzen.“ Aber man dürfe den Berufsverkehr nicht vergessen. Wie beim ÖPNV sei auch hier eine stärkere Zusammenarbeit mit der Region dringend nötig. Follmer: „Da ist noch viel Luft nach oben.“ FFF-Mitglied Leier geht noch einen Schritt weiter: „Mittelfristig lautet für mich das Ziel, separate Wege für Radfahrer, Bus und Bahn und für Fußgänger zu schaffen.“

Am Schluss räumte OB Dörner ein, die öffentliche Kommunikation der Stadt zur neuen Verkehrsführung sei nicht gut gelaufen und sagte Besserung zu. Dörner: „Das werden wir in Angriff nehmen.“

Die Podiumsdiskussion als Video ist im Internet verfügbar unter.

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