Interview mit Schulleiterin Christa Hahn: „Das ist schon eine spezielle Situation“

Bonn · Ab Donnerstag sollen die ersten Schüler wieder in den Schulen sitzen. Christa Hahn, Leiterin der Ludwig-Richter-Schule in Bonn, berichtet über die geplante Wiederöffnung der Grundschule und kommende Herausforderungen.

 Christa Hahn (rechts) bespricht die Lage in der Ludwig-Richter-Schule mit ihrer Vertreterin Isabel Koch.

Christa Hahn (rechts) bespricht die Lage in der Ludwig-Richter-Schule mit ihrer Vertreterin Isabel Koch.

Foto: Benjamin Westhoff

Die Schulen sollen nach dem Willen der Landesregierung schrittweise wieder mit dem Unterricht beginnen. Den Anfang machen am Donnerstag die Abschlussklassen der weiterführenden Schulen. Aber auch die Leitungen der Grundschulen müssen jetzt klären, wie ab 4. Mai Hygienebestimmungen an ihren Einrichtungen eingehalten werden können.

Der Unterricht muss umgeplant werden, die Schüler gehen in kleineren Gruppen in die Klassen. Über die kommenden Herausforderungen hat GA-Redakteur Thomas Leurs mit Grundschulleiterin Christa Hahn gesprochen.

In der vergangenen Woche hat das Land NRW entschieden, dass die Abschlussklassen der Mittleren Reife und die Abiturjahrgänge ab Donnerstag wieder in die Schule gehen können. Für die Grundschüler der vierten Klasse soll es am 4. Mai losgehen. Sehen Sie die Vorbereitungszeit als realistisch an?

Christa Hahn: Ja, das ist realistisch. Die Viertklässler werden wir in kleinere Gruppen auf verschiedene Klassenräume aufteilen und sie in Kleingruppen unterrichten.

Gibt es dafür genug Lehrer an Ihrer Schule?

Hahn: Ja. Es müssen alle Lehrer einspringen, die nicht zur Risikogruppe gehören. Wir müssen die zwei vierten Klassen bei uns auf je zwei Klassen aufteilen und hätten dann vier Gruppen zu betreuen. Und vier Lehrer kann ich stellen.

Was wird gemacht, damit sich die Kinder nicht anstecken? Und wie ist es mit den Pausen? Werden mehr Lehrer als Aufpasser abgestellt?

Hahn: Ich kann mir vorstellen, dass die Pausen nur in kleineren Gruppen zu bewerkstelligen sind und die Lehrer darauf achten, dass die Kinder voneinander Abstand halten. Das ist in der Grundschule natürlich sehr schwierig. Die Kinder haben das Bedürfnis, miteinander zu spielen, und das wird eine sehr große Aufgabe. Da weiß ich noch nicht, wie wir das lösen. Wir müssen schauen, ob die Kinder es tatsächlich schaffen, voneinander entfernt zu bleiben.

Wissen Sie, wie es mit den Schulbussen aussieht? Wie sie dort Abstand halten werden?

Hahn: Da bei uns die Schüler in der näheren Umgebung wohnen, kommt keiner mit dem Bus. Sie kommen entweder zu Fuß oder werden gebracht.

Gibt es bei Ihnen jetzt mehr Desinfektionsmittel beziehungsweise werden die Kinder häufiger angehalten, sich die Hände zu waschen?

Hahn: Das haben wir schon vor den Osterferien gemacht. Da werden wir jetzt aber verstärkt darauf achten. Die Kinder müssen sich vor und nach dem Essen die Hände waschen und wenn sie aus der Pause kommen. Am vergangenen Wochenende fand zusätzlich eine Grundreinigung in der Grundschule statt. Die war eigentlich für die Sommerferien geplant, wir haben sie jetzt aber vorgezogen.

Gibt es in jedem Klassenzimmer ein Waschbecken?

Hahn: Ja, jedes Klassenzimmer hat ein Waschbecken.

Gibt es bei Ihnen Kinder, die zur Risikogruppe zählen und nicht in die Schule gehen dürfen?

Hahn: Nein, die haben wir zum Glück nicht. Wichtig ist jetzt, dass nach den Osterferien wieder die Notbetreuung stattfindet. Ab Montag gibt es bei uns zwei bis drei Kinder, die jeden Tag notbetreut werden, und dazu werden die Lehrer bestellt, die arbeiten dürfen.

Die Schüler konnten ja schon die drei Wochen vor den Osterferien nicht mehr zur Schule gehen und mussten von zu Hause aus unterrichtet werden. Wie groß ist das Lerndefizit der Schüler?

Hahn: Die Kinder haben die Arbeiten, die sie aufbekommen haben, gut gelöst. Die Kollegen werden ab Montag neue Aufgaben stellen, sich zurückgeben lassen und korrigieren. Der größte Teil der Kinder bekommt sie per E-Mail geschickt und ein paar per Post.

Der Unterricht zu Hause funktioniert so weit gut?

Hahn: Es ist für die Eltern natürlich eine extreme Belastung, neben dem Job auch mit ihren Kindern zu arbeiten. Das machen ja normalerweise wir Lehrer. Und den Kindern fehlen natürlich die sozialen Kontakte und das gemeinsame Lernen. Das ist schon eine spezielle Situation. Da sehe ich vor allem die Eltern herausgefordert.

Wenn die ersten Schüler wieder zur Schule gehen, können dann auch gleich alle Fächer wieder unterrichtet werden?

Hahn: Wenn die Kinder sukzessive, also erstmal nur für ein paar Stunden, in die Schule kommen, weil sie über den Tag verteilt werden, dann würden erstmal die Hauptfächer – Mathe, Deutsch, Englisch – unterrichtet werden. Ansonsten müssen später natürlich alle Fächer wieder unterrichtet werden.

Wie ist es mit dem Fach Sport?

Hahn: Die Turnhallen sind gesperrt. Wir können dort zurzeit keinen Sport machen. Auch das Schwimmbad ist zu. Wir müssen noch schauen, wie das in Zukunft weitergeht. Ansonsten haben die wenigen Kinder, die wir in der Notbetreuung haben, Bewegung auf dem Schulhof.

Ist das ganze Verfahren nicht suboptimal?

Hahn: Ja, natürlich. Ich fände es gut, wenn die Kinder wieder in den Unterricht kommen könnten. Aber die ganz Kleinen von der ersten bis dritten Klasse sind nicht in der Lage, die entsprechenden Hygienemaßnahmen einzuhalten. Von daher ist es eine kluge Entscheidung, dass ab dem 4. Mai erstmal nur die Viertklässler kommen. Bei ihnen kann man eher garantieren, dass die Abstandsregeln eingehalten werden. Bei Erst- und Zweitklässlern ist das noch nicht möglich. Außerdem ist unsere Schule auch räumlich begrenzt. Jede Klasse ist voll besetzt mit bis zu 27 Kindern. Wenn jetzt alle Schüler wiederkämen, könnten wir die Abstandsregeln gar nicht einhalten. Wir haben nur acht Räume. Wir könnten die Kinder nicht in kleine Gruppen aufteilen.

Dann könnten im Prinzip erst alle Kinder wieder unterrichtet werden, wenn die Corona-Pandemie komplett vorbei ist?

Hahn: Im Prinzip, ja.

Eine Frage zu den vierten Klassen. Wenn es um die Zulassung für die weiterführenden Schulen geht, wird das zu einem Problem mit den Benotungen und Empfehlungen führen?

Hahn: Die Empfehlungen sind schon zum Halbjahr ausgesprochen worden, und die Schüler bereits bei den weiterführenden Schulen angemeldet. Sie bekommen jetzt zwar noch ein Abschlusszeugnis, aber das ist nicht relevant für die neue Schule, in die sie gehen werden. Sie müssen das vierte Schuljahr nur noch bestehen. Das wird für meine Kollegen natürlich schwierig. Ich weiß noch nicht, wie sie das zweite Halbjahr nun bewerten sollen. Für die vierten Klassen, die ab dem 4. Mai anfangen, können die Kollegen das zweite Halbjahr bewerten.

Kriegen Sie auch Feedback von den Eltern, wie das mit dem Lernen daheim funktioniert?

Hahn: Ja, meine Kollegen schreiben die Eltern an. Eine Idee meiner Konrektorin war, einen Fragebogen an die Eltern zu schicken, wie es klappt und ob die Aufgaben zu bewältigen waren oder ob sie andere Aufgaben brauchen.

Haben Sie Lehrer in der Risiko-Gruppe?

Hahn: Bei uns gibt es drei Kollegen, die zu dieser Gruppe gehören. Der Rest des Kollegiums kann aber arbeiten.

Gibt es für den Notfall auch einen Springer-Pool, wenn es wirklich an Lehrern mangelt?

Hahn: Das gibt es nur in der Grundschule in einem ganz begrenzten Rahmen. Das Schulamt Bonn stellt derzeit sieben Personen als sogenannte Pool-Kräfte zur Verfügung, falls Lehrer fehlen. Aber da zurzeit kein normaler Unterricht stattfindet, müsste jede Schule eigentlich noch genügend Personal haben.

Was wird für die lernschwächeren Schüler getan?

Hahn: Da müssen wir mal schauen. Wir haben große Sorgen bezüglich der Kinder, die zu Hause mit ihren Eltern kein Deutsch sprechen. Es gibt ja auch Kinder, bei denen die Eltern gar nicht helfen können. Da müssen wir sehen, wie wir das auffangen. Wir haben etwa kleinere, individuelle Lerngruppen, bei denen die Lehrkräfte nochmal speziell schulen und unterstützen werden.

Was wird in den kommenden Wochen die größte Herausforderung sein?

Hahn: Die schwachen Kinder aufzufangen, die von zu Hause keine Unterstützung haben, um sie weiterzubringen. Das sind auch oftmals Kinder, die über keine E-Mail-Adresse oder keinen Internetanschluss verfügen. Ihnen können wir nur telefonisch helfen. Das ist oftmals sehr schwierig.

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