Eine Stadt steht still Bonn setzt das Kontaktverbot bei mehr als zwei Personen um

Bonn · Auch in Bonn gilt ab sofort ein Kontaktverbot ab drei Personen. Der Krisenstab mit Oberbürgermeister Ashok Sridharan berät an diesem Montag das weitere Vorgehen. Die Zahl der Corona-Fälle steigt auf mehr als 130 an.

 Wie leergefegt: Nicht nur an der Remigiusstraße sind am Wochenende in der Innenstadt kaum Menschen zu sehen.

Wie leergefegt: Nicht nur an der Remigiusstraße sind am Wochenende in der Innenstadt kaum Menschen zu sehen.

Foto: Benjamin Westhoff

Auch in der Bundesstadt gilt ab sofort ein Kontaktverbot ab drei Personen. Das teilte Stadtsprecherin Monika Hörig am Sonntagabend mit. Das Land NRW hat dazu eine Rechtsverordnung erlassen, um die Kontaktbeschränkungen verbindlich zu machen. Ein solche Rechtsverordnung des Landes habe, anders als ein Erlass oder eine Weisung, sofort Rechtskraft und müsse nicht erst durch eine Allgemeinverfügung umgesetzt werden. Oberbürgermeister Ashok Sridharan kündigte für Montag aber zusätzlich eine Allgemeinverfügung an, um die Verbote noch genauer einzugrenzen. Mit Stand von Sonntagnachmittag gab es in Bonn 133 bestätigte Fälle mit Coronavirus-Infektionen.

Wohl auch wegen dieses Anstiegs hatte das Stadtoberhaupt die Bonner bereits am Samstag in einer Twitter-Botschaft auf mögliche härtere Maßnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung von SaRS-CoV-2 eingeschworen: „Zuhausebleiben wegen des Coronavirus funktioniert noch nicht überall. Deshalb werde ich weitere Maßnahmen für Bonn in die Wege leiten“, twitterte Sridharan. Welche Maßnahmen das genau sein könnten, ließ der CDU-Politiker dabei jedoch offen.

Sridharans Ankündigung führte in der Öffentlichkeit zu einigen Irritationen. „Es treffen sich meiner Beobachtung nach immer noch zu viele Menschen in größeren Gruppen“, klärte er am Samstagabend auf GA-Nachfrage auf. Diese Hinweise habe er auch von anderen Seiten erhalten. Details möglicher weiterer Maßnahmen wollte er zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht nennen. „Das werde ich am Montagmorgen in meinem Krisenstab beratschlagen“, kündigte er an.

Nach GA-Informationen könnten in Bonn möglicherweise kommende Woche sämtliche Hotels schließen müssen. Zudem könnte es strengere Regeln beim Einkaufen geben. Unterdessen wurde auch der Botanische Garten in Bonn geschlossen, um eine Verbreitung des Virus zu verlangsamen. Hinweisschilder an den Eingängen weisen auf die geschlossene Einrichtung hin.

Am Sonntagabend schob die Verwaltung dann eine Erklärung nach: Der Freitag und der Samstag hätten gezeigt, dass die Einschränkungen der durch die Stadt Bonn erlassenen Allgemeinverfügungen teilweise immer noch nicht beachtet werden. So habe der Stadtordnungsdienst von Freitagnachmittag 16 Uhr, bis Samstagabend, 18 Uhr, 73 Einsätze in Zusammenhang mit dem Gesundheitsschutz verzeichnet. Unter anderem waren in zwölf Fällen Gaststätten und Restaurants sowie in weiteren 15 Fällen Ladenlokale trotz Verbots geöffnet. Darüber hinaus gab es 40 Meldungen über größere Personengruppen auf Spielplätzen, Sportplätzen oder in anderen öffentlichen Anlagen. Bereits am Donnerstag hatte der Stadtordnungsdienst 113 Einsätze dokumentiert.

Der OB hatte am Sonntag beobachtet, dass der überwiegende Teil der Autos, die zum Beispiel an der Rheinaue parkten, gar nicht in Bonn zugelassen waren. Ein Abstimmungsgespräch mit den Hauptverwaltungsbeamten im Regierungsbezirk Köln werde nun zeigen, welche zusätzlichen Schritte noch nötig nötig sind, so Sridharan.

 Verwaist: Der Spielplatz am Hofgarten ist am Sonntagnachmittag mit Trassierband gesperrt.

Verwaist: Der Spielplatz am Hofgarten ist am Sonntagnachmittag mit Trassierband gesperrt.

Foto: Meike Böschemeyer

Die Verunsicherung der Menschen wegen der Coronavirus-Krise bekommt unterdessen Helmut Glaubitz zurzeit täglich hautnah zu spüren. Glaubitz betreibt die Flora-Apotheke in Poppelsdorf und ist damit eine wichtige Anlaufstelle für die Menschen. Auf ihre vielen Fragen reagiert er mit viel Geduld und Expertenrat. Am Freitag platzte ihm jedoch die Hutschnur. Beim Blick aus dem Fenster der Apotheke beobachtete er Verkehrsaufseher der Stadt Bonn, wie sie in aller Seelenruhe in der Clemens-August-Straße Knöllchen an Fahrzeuge verteilten, in denen offensichtlich keine oder abgelaufene Parkscheine ausgelegt waren. „Da habe ich mich gefragt, was das nun soll“, berichtete er dem GA am Samstag immer noch hörbar erbost am Telefon.

„Die Leute müssen nun alle im Homeoffice arbeiten, deshalb parken hier in Poppelsdorf und auch in der Südstadt doch tagsüber viel mehr Autos als sonst.“ Auch sein Fahrer, der in einer Anwohnerparkzone in der Südstadt wohne, habe bereits drei Knöllchen erhalten. Glaubitz fragt sich, ob das angemessen ist: „Ich denke, wir haben zurzeit andere Probleme. Die Leute parken ja nicht behindernd, warum müssen da noch Knöllchen verteilt werden?“

Günter Dick, Leiter der städtischen Bürgerdienste und damit auch des Ordnungsdienstes, kann den Unmut von Apotheker Glaubitz voll und ganz nachvollziehen. Zum geschilderten Fall könne er zwar nichts sagen, aber generell wolle er jetzt dafür sorgen, dass seine Verkehrsaufseher „mit Augenmaß“ vorgehen. „Dort, wo die Verkehrssicherheit gefährdet ist, werden wir nach wie vor Parkverstöße ahnden“, stellte er klar. Allerdings sehe er, dass der Parkdruck nun deutlich erhöht sei, deshalb solle zurzeit das Opportunitätsprinzip gelten.

Heißt: Dort, wo niemand behindert wird, also vor allem Rettungsfahrzeuge und der öffentliche Nahverkehr, solle im Moment in der Regel kein Strafzettel ausgestellt werden. Dick warnt aber davor, das „schamlos“ auszunutzen. Auf keinen Fall würden Stadt und Polizei auf Tempokontrollen in Bonn verzichten können.

Dick habe selbst beobachtet, dass manche Raser die derzeit recht ruhigen Verkehrsverhältnisse ausnutzten und mit hohem Tempo durch die Stadt fahren. Hinsichtlich der zu erwartenden strengeren Ausgangsbeschränkungen und deren Kontrolle teilte Dick mit, die Stadt wolle ihre Ordnungskräfte mit weiteren Kräften aus der Verwaltung verstärken. So sollen Verkehrsaufseher und Mitarbeiter des Vollstreckungsdienstes nach entsprechender Einweisung mit auf die Straßen geschickt werden. Am Donnerstag waren laut Dick 25 Mitarbeiter im Streifendienst, zwölf Mitarbeiter der Wache GABI, vier bis acht Mitarbeiter des Verkehrsaußendienstes unterwegs sowie die Leitstelle des Stadtordnungsdienstes mit zehn Beschäftigten besetzt.

„Es sind weniger Kontrollen in der Parkraumüberwachung erforderlich, da weniger Pendler und Geschäftskunden in die Stadt kommen“, sagte Stadtsprecherin Monika Hörig. Deshalb gäbe es weniger Falschparker. Auch die Ruhestörungen seien zurückgegangen, „da sich weniger Menschen im Freien aufhalten, auch wenn es leider noch immer zu viele Unvernünftige gibt, die sich in größeren Personenansammlungen draußen treffen“. Stattdessen würde nun deutlich stärker kontrolliert, ob betroffene Gastronomiebetriebe und Geschäfte tatsächlich geschlossen haben und ob größere Personenansammlungen im öffentlichen Raum aufgelöst werden müssten.

Grundsätzlich ist die Stadt zuständig, wenn Ausgangssperren oder andere Maßnahmen verhängt werden, wie Polizeisprecher Michael Beyer erläuterte. „Die Polizei kommt aber beispielsweise hinzu, wenn Strafanzeigen gefertigt werden oder im Rahmen der Amtshilfe. Zudem sind die Polizisten für die Kontrolle des rollenden Verkehrs zuständig.“

Anders als man vielleicht vermutet hat der städtische Ordnungsdienst weitreichende Möglichkeiten. „Der Stadtordnungsdienst hat das Recht, Personen zu kontrollieren, Personalien festzustellen und bei Bedarf Platzverweise zu erteilen“, erklärte Stadtsprecherin Hörig. Wer nicht einsichtig sei und eine mögliche Ausgangssperre bewusst missachte, müsse mit einer Strafanzeige rechnen. Kontrolliert würden insbesondere Fußgänger. „Und geprüft, ob ein berechtigter Grund vorliegt, die eigene Wohnung zu verlassen“, sagt Hörig. Das könne beispielsweise ein notwendiger Arztbesuch sein.

Gegen die Isolation und als Ausdruck eines Gemeinschaftsgefühls hat sich am Sonntag neben vielen Privatleuten auch das Beethoven-Haus mit der Europa-Hymne an einer bundesweiten Aktion beteiligt. Um 18 Uhr spielte Jazzfest-Intendant Peter Materna am Fenster auf dem Saxofon die „Ode an die Freude“, während Mitarbeiter von verschiedenen Zimmern aus mitsangen.

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