Johann Wilhelmy Der "Held von Bonn" rettete 19 Menschen aus dem Rhein

Bonn · Als eine Landungsbrücke im Jahr 1941 einstürzte und 150 Personen in den Rhein fielen, rettete Johann Wilhelmy 19 von ihnen - darunter einen Säugling im Kinderwagen.

 Sohn Hans Wilhelmy mit einem Porträt seines Vaters „Kuhle Hannes“.

Sohn Hans Wilhelmy mit einem Porträt seines Vaters „Kuhle Hannes“.

Foto: Benjamin Westhoff

Der „Kuhle Hannes“ war „ne staatse Kerl“: Hochgewachsen, gut aussehend und obendrein ein begabter Schwimmer. Seine Kopfsprünge vom Geländer der Rheinbrücke in den Fluss waren legendär. In der Altstadt geboren und aufgewachsen, zog es Johann Wilhelmy – so sein richtiger Name – in jeder freien Minute hin zum Rheinufer. Auch am 7. September 1941 schlenderte der Marinesoldat auf Heimaturlaub dort entlang – nicht wissend, dass er diesen Tag sein Leben lang nicht mehr vergessen würde. Denn beim Einsturz einer Landungsbrücke in Höhe der heutigen Beethovenhalle rettete der damals 36-Jährige 19 Menschen vor dem Ertrinken. Selbst eine Frau und deren Säugling in einem Kinderwagen zog der sportliche Altstädter aus dem kalten Wasser.

Allerdings erinnert sich heute – knapp 77 Jahre später – kaum jemand an diese Katastrophe. „Das liegt sicher auch daran, dass es an der damaligen Unglücksstelle noch nicht einmal eine Gedenktafel gibt“, reagiert Sohn Hans Wilhelmy, der 1942 geboren wurde, enttäuscht. „Irgendwann wird niemand mehr in dieser Stadt etwas über das Ereignis und den mutigen Lebensretter wissen.“ Lediglich eine Schulklasse hat sich vor einiger Zeit für das Leben des „Kuhle Hannes“ interessiert. Unter dem Titel „Held von Bonn“ fertigten die Jugendlichen eine Facharbeit an. „Für mich ist mein Großvater wirklich ein Held. Viele verdanken ihm schließlich ihr Leben“, stimmt auch Enkelin Marion Wilhelmy zu.

Am 7. September 1941 unternahmen die Betriebsangehörigen der Firma Dynamit Nobel einen Ausflug. Mit dem Schiff sollte es von Bonn nach Boppard gehen. Mehr als 800 Mitarbeiter wollten an diesem Sonntag gemeinsam eine Bootstour unternehmen. Mit der Straßenbahn angekommen, strömten sie zum Fritz-Schröder-Ufer, denn dort hatte der Ausflugsdampfer „Glück auf“ festgemacht. Schnell begann der Kampf um die besten Plätze an Bord und niemand achtete darauf, dass die Landungsbrücke für maximal 25 Personen ausgelegt war.

Bis zu 60 Todesopfer

Vom Schiff aus versuchte der Kapitän noch die Menschen zu warnen, doch schon bald krachte der Steg mit lautem Getöse zusammen und sank. 150 Personen fielen ins Wasser und kämpften um ihr Leben. Ohne Zögern sprangen zwei Soldaten ins Wasser, wurden allerdings von der Strömung erfasst und starben. Der Bonner Gefreite Johann Wilhelmy ließ sich dennoch nicht einschüchtern und sprang in den Rhein. Immer wieder zog er Ertrinkende hoch und brachte sie ans Ufer. Als er schließlich 19 Menschen gerettet hatte, waren seine Kräfte am Ende. Zudem hatte er Verletzungen und tiefe Kratzwunden, die dadurch entstanden waren, dass sich die Ertrinkenden mit aller Kraft an ihm festgehalten hatten.

Für 27 Menschen kam jedoch jede Hilfe zu spät. Sie ertranken. Allerdings gibt es unterschiedliche Angaben über die tatsächliche Anzahl der Todesopfer. Während bei einer Gedenkfeier bei Dynamit Nobel von 35 Opfern gesprochen wurde, geht man heute davon aus, dass es mehr als 60 gewesen sind. Gut ein Jahr später wurde Wilhelmy für seinen Einsatz geehrt und bekam eine silberne Verdienstmedaille.

„Noch gibt es einige Zeitzeugen, die sich gut an meinen Vater erinnern und über dieses Ereignis Bescheid wissen“, sagt Sohn Hans. „Aber wenn es sie nicht mehr gibt, dann wird sich niemand mehr an die Katastrophe, den selbstlosen Hilfseinsatz der vielen Anwohner und den Mann, der 19 Menschen gerettet hat, erinnern. Für mich ist das traurig“, erklärt er.

Auch wenn Wilhelmy bei diesem Unglück vielen half, einige Jahre später war er selbst Opfer eines schrecklichen Unfalls: Auf der Oxfordstraße wurde er am 11. Dezember 1971 von einem Auto erfasst und tödlich verletzt. Sein Grab befindet sich auf dem Nordfriedhof, seinen Traum, dass daraus vielleicht ein Ehrengrab wird, gibt Sohn Hans nicht auf. „Wie lange ich das Grab noch pflegen kann, weiß ich nicht“, meint Hans Wilhelmy. Schließlich sei er auch schon Mitte 70.

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