Interview mit Oberbürgermeister Sridharan „Der Klimawandel ist eine akute Gefahr für die Städte“

Bonn · Vom 26. bis 28. Juni findet zum zehnten Mal die ICLEI „Resilient Cities Konferenz“ statt. Seit 2018 ist der Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan Präsident des Verbands. Im Interview spricht er über die Herausforderungen des Klimawandels.

Rund 400 Teilnehmer aus Städten, Regionen, Wissenschaft, Entwicklungspolitik, Finanzbranche und Wirtschaft werden drei Tage lang im Gustav-Stresemann-Institut die Folgen des Klimawandels, Lösungen für die Anpassungsfähigkeit urbaner Räume und Möglichkeiten besserer Zusammenarbeit erörtern.

Dabei werden auch vorbildliche Beispiele aus Städten und Regionen einem Praxischeck unterzogen. Zur zehnten Ausgabe erwartet Bonn hochrangige Teilnehmer. Die Stadt wird während der Konferenz Exkursionen im Bereich Hochwasserschutz und –Management anbieten und ihr „Zures“-Projekt vorstellen, bei dem es um die Verknüpfung von Planung und Klimaveränderungen geht. Erstmalig wird eine gemeinsame Debatte zur Zusammenarbeit der Ebenen für Klimaschutz im Rahmen der Klimaverhandlungen stattfinden. Mit Konferenz-Präsident Sridharan sprach Helge Matthiesen.

Warum schließen sich Städte weltweit zusammen, um für den Klimaschutz aktiv zu werden?

Sridharan: Zukunftssicherung ist eine ureigene Aufgabe der Städte. Die Auswirkungen des Klimawandels sind eine akute Gefahr für die Städte, ihre Infrastrukturen und vor allem die Menschen, die in ihnen leben. Das merken wir überall in der Welt – beim Zyklon Idai in Afrika ebenso wie beim Mehlemer Bach. Städte haben eine Schlüsselposition – durch ihre Nähe zu den Menschen, aber auch, weil sich hier Wirtschafts- und Innovationskraft konzentrieren. Deshalb haben sich Städte und ihre Netzwerke weltweit zusammengeschlossen, um gemeinsam den Klimaschutz voranzubringen. ICLEI hat dabei eine koordinierende Rolle übernommen.

Was können Städte konkret in Sachen Klimaschutz bewirken?

Sridharan: Das Spektrum reicht von der Stadtplanung über die Bewirtschaftung der eigenen Liegenschaften, die Energieversorgung und die Mobilität bis hin zur Bündelung klimapolitischer Interessen in Städtenetzwerken. Die nötige Struktur hat Bonn mit der Leitstelle Klimaschutz in der Stadtverwaltung geschaffen. In der Folge des Beschlusses „Masterplan Energiewende und Klimaschutz Bonn“ und mit dem Integrierten Klimaschutzkonzept haben wir die Entwicklung eines aktiven Klimaschutzes seit Mitte der 90er Jahre fortgesetzt. Die bisherige Bilanz: Von 1990 bis 2014 sind die CO2-Emissionen pro Kopf in Bonn um 22 Prozent zurückgegangen.

Nutzen die staatlichen Ebenen die Potenziale der Städte überhaupt?

Sridharan: Jenseits der tradierten Aufgabenverteilung gibt es mehr und mehr neue Arten der Zusammenarbeit. Städte, Bundesländer und Bundesebene arbeiten zusammen, wenn es um neue Strategien und Programme geht. Gemeinsam mit dem Klimasekretariat werden wir am 26. Juni zum ersten Mal eine Debatte zwischen Vertragsstaaten, Städten und Regionen zu mehr Zusammenarbeit im Klimaschutz im Rahmen der Verhandlungen führen. Diese Debatte wird hoffentlich der Auftakt einer neuen Koalition, die für ambitionierteren Klimaschutz steht.

Was kann Bonn von Quito oder Lima lernen?

Sridharan: Bonn kann von fast allen Städten etwas lernen – und umgekehrt. Quito hat zum Beispiel eine breite öffentliche Diskussion zum Klimaschutz angestoßen und es geschafft, die Zusammenarbeit mit der ecuadorianischen Regierung zu intensivieren. Deshalb stellen wir während der „Resilient Cities Konferenz“ zum Beispiel Ergebnisse aus der Beteiligung an einem wissenschaftlichen Projekt zur Klimafolgenanpassung vor und diskutieren die Übertragbarkeit gemeinsam mit anderen Städten.

Wird nicht zu viel geredet und zu wenig konkret getan?

Sridharan: Ja und nein. Es wird sicher noch immer zu wenig getan, um unter 1,5 Grad globaler Erderwärmung zu bleiben. Aber es ist gut, dass geredet wird – denn so bleiben Klimawandel und Klimaschutz im Bewusstsein der Menschen. Je häufiger Klima Thema ist, desto mehr passiert auch wirklich.

Und das Handeln?

Sridharan: Was getan wird, hängt von vielen Rahmenbedingungen ab. Und eine Stadt ist leider kein flexibles Sharing-Bike, sondern immer noch ein dicker Lastwagen mit großem Wendekreis. Um im Bild zu bleiben: Wir arbeiten gerade daran, den Lastwagen auf E-Mobilität umzustellen und seinen Wendekreis durch Digitalisierung und neue, leichtgängigere Arbeitsstrukturen zu verkleinern. Digitalisierung ist deshalb weit bedeutsamer als von vielen vermutet – sie wird uns in den nächsten Jahren helfen, innovative und klimafreundliche Lösungen für unsere Stadt in vielen Bereichen zu finden.

Wo geht es ihnen selbst nicht schnell genug?

Sridharan: Gefühlt zu langsam geht es vor allem in investitionsintensiven Bereichen. Und in solchen, in denen größere Kooperationen oder Verbünde bewegt werden müssen. Bei der Fahrradinfrastruktur zum Beispiel sind auch private oder Landesbauten betroffen – wie Brücken zum Beispiel. Beim Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur sind VRS und Deutsche Bahn wichtige Mitentscheider und auch Mitfinanzierer. Und schließlich die unangenehme Wahrheit, wie Al Gore zu sagen pflegt: Klimaschutz funktioniert nur dann wirklich, wenn alle Menschen mitkommen. Wenn wir alle unsere Bequemlichkeit in Frage stellen und Entscheidungen neu und anders treffen. Das lernen bei uns in Bonn die Grundschulkinder – der Klimaführerschein wird in diesem Monat wieder verliehen, und wir werden dann 10 800 kleine Klimaaktivisten in Bonn haben. Und von denen können wir lernen – ebenso übrigens von Fridays For Future, die ich zur Resilient Cities Konferenz eingeladen habe.

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