GA-Serie Kinder-Kinder „Der Mensch braucht Religion“

Bonn · In Zeiten sinkender Kirchenmitgliederzahlen und einer scheinbar immer stärker säkularisierten Alltagswelt klingt Professor Carlo Willmanns These offensiv: „Der Mensch braucht Religion“, sagt er, „und Kinder brauchen religiöse Erziehung.“

 Erstkommunion in Sankt Sebastian: „Kinder brauchen religiöse Erziehung“, sagt Carlo Willmann.

Erstkommunion in Sankt Sebastian: „Kinder brauchen religiöse Erziehung“, sagt Carlo Willmann.

Foto: Barbara Frommann

Religion gehört für ihn zum festen Bestandteil des menschlichen Wesens. Dabei macht Willmann keinen Unterschied, ob jemand Christ, Jude, Muslim, Buddhist ist oder einer anderen Religion angehört. Zur Erklärung der Bedeutung der Religion für die Menschen vertritt Willmann einen anthropologischen Ansatz. „Religion hat in erster Linie einen sinnstiftenden Charakter. Sie ist der Ausdruck der tiefen, uns allen bewegenden Frage nach dem Woher und dem Wohin des Menschen, nach dem Warum und Wozu. Diese Fragen stellt sich ja jeder Mensch. Es sind die Grundfragen des menschlichen Lebens, was ja auch mit der Endlichkeit des Lebens zu tun hat.“

Der Sinnfrage des Lebens mit wissenschaftlichen Erklärungen zu begegnen, sei nur punktuell möglich. Wissenschaft bringe zwar großartige Einzelerkenntnisse über den Menschen hervor, könne aber keine verlässliche Auskunft über Wesen und Bestimmung des Menschen geben. „Wenn das den Menschen ausreichen würde, hätten wir doch seit einigen Jahrhunderten keine Religionen mehr auf dieser Welt.“

"Religion stiftet Gemeinschaft"

Und da ist noch etwas, was aus Sicht des Professors für die Religion spricht: „Sie stiftet Gemeinschaft“, sagt Willmann. Das könne ein Verein natürlich auch. „Aber Religion gibt den Menschen ein geistiges Zuhause, das sie woanders nicht finden können.“ Ein Grund, warum auch mittlerweile eher kirchenferne Eltern oftmals ihre Kinder taufen ließen, meint er. Sie selbst erinnerten sich dadurch an das Zugehörigkeitsgefühl, das sie in ihrer Heimatgemeinde als Kinder hatten.

Welchen Beitrag können Eltern, Schule und Kirche leisten? „Es liegt vor allem in der Hand der Eltern: Mit den Kindern das Abendgebet sprechen oder Momente der Besinnung pflegen und auch die Jahresfeste feiern: Solche Rituale schaffen die Basis für eine gute religiöse Entfaltung“, sagt Willmann. Dafür benötigen Familien indes auch Unterstützung: Die Kirche müsse ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen, ihnen spannende Angebote machen, den Glauben mit den Kindern zu leben. Ganz wichtig findet Willmann deshalb die kirchlichen Kindergärten. „Kindergartenarbeit ist eine Kernaufgabe einer Gemeinde.“

Wenig glücklich ist Willmann mit der Entwicklung des Fachs Religion an den Schulen: Alternativ stehe LER – Lebensgestaltung, Ethik und Religionskunde – auf dem Lehrplan. „Auch ein solches Angebot ist sicher begrüßenswert“, sagt der Professor, „aber es ist eben kein Religionsunterricht“. Musikwissenschaft sei schließlich auch keine Musik. „Musik und Religion haben etwas mit dem Gefühlsleben zu tun. Es geht darum, mit Kindern nicht nur über Religion zu sprechen, sondern aus ihr heraus Identifikationsmöglichkeiten anzubieten“, sagt er.

Seine Forderung: „Schulkultur muss sich sensibler für Religionen zeigen. Sie dürfen keine Randerscheinung sein.“ Die Klassenzimmer müssten sich der Religion öffnen, anstatt sie auszusperren. Der Theologe ist überzeugt: Wenn Religion als eine wertvolle, lebensbejahende, freud- und anspruchsvolle Lebenshaltung erfahren werde, die auf Kooperation und nicht auf Konkurrenz ziele, dann werde dies auch der beste Weg sein, junge Menschen gegen religiöse Radikalisierung zu sensibilisieren.

Am Dienstag, 7. Juni, gibt es einen Vortrag mit Professor Carlo Willmann von 19.15 bis 20.45 Uhr im Foyer der Alanus-Hochschule, Campus II, Villestraße 3, in Alfter zum Thema: „Brauchen wir das noch? Zum „Warum“ und „Wie“ einer religiösen Erziehung?“

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