Bonner Perspektiven Der Region fehlt ein Profil

BONN · Der Imagefilm der Stadt - "Freude. Joy. Joie. Bonn" -, steht seit fünfeinhalb Jahren auf Youtube. 6400 Menschen haben ihn seither dort angesehen. Nicht gerade ein Blockbuster.

"Unsere Region hat keinen Markenkern"

Jedenfalls nicht so, wie Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis das tun, urteilten vor einigen Wochen Spitzenvertreter der regionalen Wirtschaft. "Unsere Region hat keinen Markenkern", kritisierte Hubertus Hille, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg, die 56.000 Unternehmen vertritt, anlässlich der Vorstellung einer Studie zu Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis als Innovations- und Wissenschaftsregion.

"Bonn wird bis heute überregional nur als ehemalige Bundeshauptstadt wahrgenommen", bedauert IHK-Präsident Wolfgang Grießl. Tatsächlich tut sich die Region seit Jahren schwer, ihre Vorzüge zu vermarkten. An Initiativen hat es nicht gefehlt. So war man eingebunden in eine "Metropolregion Rhein-Ruhr", ein Kunstprodukt, das zwar den politischen Träumen der Düsseldorfer Landesregierung entsprach, nicht aber der Wirklichkeit.

Gemeinsamkeiten: keine. Ab nächstem Jahr soll die "Metropolregion Rheinland" Werbung für den Wirtschaftsstandort zwischen Düsseldorf und Bonn machen. Wie das funktionieren soll, ist allerdings unklar. "Man muss mehr miteinander reden", so der fast schon hilflos klingende Appell der Kölner Regierungspräsidentin Gisela Walsken (SPD).

Sang- und klanglos beerdigt wurde vor fünf Jahren die Standortmarketing GmbH Cologne-Bonn-Business. In ihr hatten die Städte Köln und Bonn sowie mehrere Kreise der Region jahrelang, aber letztlich erfolglos ihre Bemühungen um Investoren gebündelt.

Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis fallen zurück

Rainer Behrend, Autor der von der Bonner IHK in Auftrag gegebenen Studie zur Innovations- und Wissenschaftsregion, urteilt: "Im Gegensatz zu vielen anderen Regionen gibt es hier keine Vision, kein Bild von der Zukunft." Folge: Trotz zahlreicher Bildungs- und Forschungseinrichtungen fielen Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis im bundesweiten Vergleich mit anderen vergleichbaren Wirtschaftsregionen zurück.

Die Studie vergleicht Bonn/ Rhein-Sieg mit 20 Regionen in Deutschland wie Mannheim/Heidelberg, Karlsruhe, Augsburg oder Aachen. Danach ist zwar der Bildungsstand der Bevölkerung in der Region überdurchschnittlich hoch, doch die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bei den Unternehmen, die Zahl der Patente und der vergebenen Innovationskredite liegen unter dem Durchschnitt der anderen Regionen.

Die Bonner Wirtschaftsvertreter fordern ein gezielteres Standortmarketing und eine "strategisch ausgerichtete Ansiedlungspolitik". Grießl: "Wir müssen neue Wachstumsbranchen identifizieren, für welche die Region als Standort besonders interessant sein könnte." Allerdings hatte es dazu auch früher schon Anläufe gegeben, etwa Bonn als Informationstechnik-, Logistik- oder Medizinstandort anzupreisen.

Die Stadt Bonn, der Rhein-Sieg-Kreis und der Kreis Ahrweiler sind mit Forschungseinrichtungen reich gesegnet. Mit der Universität Bonn, sechs Fachhochschulen, fünf Fraunhofer Instituten, drei Max-Planck-Instituten, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem Forschungszentrum Caesar und vielen weiteren Einrichtungen ist die Region "ein führender Standort für Forschung und Wissen in Deutschland und Europa", wie es auf der Internetseite der Wissenschaftsregion heißt.

Nur: Ein klares Profil fehlt auch hier. Zwar sind Hochschulrankings mit Vorsicht zu genießen. Doch es fällt schon auf, dass sich etwa Darmstadt für technische Berufe bundesweit einen Namen gemacht hat, oder die Uni Mannheim seit Langem als Synonym für BWL der Spitzenklasse steht.

Erste Plätze gibt es selten

Dass Bonn eine gute Uni hat, bezweifeln wenige. Welches ihre Kernkompetenzen sind, ob sie überhaupt solche hat, geht zumindest aus den Rankings nicht klar hervor. Mal wird die volkswirtschaftliche Fakultät genannt, mal die Juristen. Erste Plätze gibt es selten.

Werden in Rankings wie dem der "Wirtschaftswoche" Personalverantwortliche in großen Unternehmen gefragt, von welchen Hochschulen sie Bewerber aus Fächern wie BWL, Informatik, Ingenieurwesen oder Elektrotechnik bevorzugen, tauchen Bonn und die Region nicht auf.

Wie es funktionieren könnte, zeigt ein unscheinbares Video auf Youtube, das einen Versuch bei der Physikshow der Uni Bonn aus dem Jahr 2007 wiedergibt. Zu sehen ist ein Aquarium, scheinbar mit Luft gefüllt, auf der ein kleines Alu-Schiffchen wie von Zauberhand zum Schwimmen kommt. Sage und schreibe 2,6 Millionen Zuschauer hat der 31-Sekunden-Streifen erreicht. Reduktion aufs Maximum - das scheint die Botschaft zu sein, die ankommt.

GA-Serie

Unter der Überschrift Bonner Perspektiven greift die Redaktion kurz vor der OB-Wahl Knackpunkte städtischen Lebens auf. In zugespitzten und pointierten Analysen suchen Autoren zusammen mit Experten nach Lösungen für schwierige gesellschaftspolitische Fragen.

  • 17. August: Erinnerungskultur
  • 19. August: Wohnen in Bonn
  • 21. August: Die Marke Bonn
  • 24. August: Bonn und Berlin
  • 26. August: Beethoven im Jahr 2020
  • 28. August: Sport in Breite und Spitze
  • 31. August: Teure Verwaltung
  • 2. September: Die Innenstadt
  • 4. September: Schwieriger ÖPNV
  • 6. September: Teure Sportstätten
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