Joachim Schürmann wird 90 Der Schöpfer des Bonner Schürmann-Baus

Bonn · Der Kölner Architekt Joachim Schürmann wird 90 Jahre alt. Er steht bis heute hinter seinem Werk, dem Schürmann-Bau, der 497 Millionen Euro teurer wurde als geplant.

 Der Lange Eugen hat Weihnachten 1993 nasse Füsse, die benachbarte Schürmann-Baustelle ist überflutet.

Der Lange Eugen hat Weihnachten 1993 nasse Füsse, die benachbarte Schürmann-Baustelle ist überflutet.

Foto: GA-Archiv

Dramatische Stunden am Rhein: Ausgerechnet zwei Nächte vor Heiligabend 1993 schwillt der Fluss zu mehr als seit 100 Jahren nicht gekannter Höhe an. Ob in Bad Godesberg, Beuel oder Graurheindorf – Tausende Bonner stehen vor feuchten Feiertagen. Nur in der Gronau wähnt man sich in Sicherheit. Die Baustelle für das neue Abgeordnetenhaus sei erst bei einem Rheinpegel von 11,18 Metern gefährdet, ist im General-Anzeiger zu lesen.

Nach den Feiertagen ergibt sich ein völlig anderes Bild. 10,13 Meter Rheinpegel haben gereicht, um eines der teuersten Gebäude der Nachkriegszeit vom Sockel zu heben. Grundwasser ist unter den Fundamenten aufgestiegen und hat diese zeitweise 70 Zentimeter hoch aufschwimmen lassen. Zur Sicherheit haben Bauleute die Keller mit 300.000 Kubikmetern Wasser geflutet. Wohl weil man die soeben gelieferte und noch nicht installierte Lüftungsanlage schützen wollte.

Doch die Aktion kam zu spät. Der Bau hat sich verschoben und ist durchzogen von teils handbreiten Rissen. Am 7. Januar 1994 steht Ulrich Tepper, verantwortlicher Bauleiter von der Bundesbaudirektion, vor einem Desaster: Selbst ein Abriss des 500 Meter langen und 120 Meter breiten Rohbaus sei nicht auszuschließen, sagt er vor Journalisten. Es droht ein Multi-Millionen-Schaden.

Auch der Architekt des Riesenbaus, der sich heute im Schatten von Langem Eugen und Post Tower erstaunlich unauffällig in die Rheinaue einpasst, wurde kalt erwischt: „Die Nachricht des Rhein-Hochwassers hat mich entsetzt. Noch in der Nacht bin ich mit meiner Frau hingefahren. Wir haben die Katastrophe hautnah miterlebt“, erzählt Joachim Schürmann, der am Samstag seinen 90. Geburtstag feiert.

Der in Viersen geboren Schürmann wuchs in Dresden und Darmstadt. Er studierte bis 1949 Architektur an der Technischen Hochschule Darmstadt – und war eher durch Zufall im Rheinland gelandet. „Ich habe mich an sieben oder acht Stellen beworben. Die Kölner haben als erstes zugeschlagen“, sagt er. In sechs Jahrzehnten sei er vom „Immi“ zum Einheimischen geworden. Vor allem die Sanierung von Groß St. Martin und des umgebenden Viertels rechnen ihm die Kölner hoch an. In Bonn zeichnete er für den Bau des Kardinal-Frings-Gymnasiums in Beuel sowie in den 80er Jahren für die Umgestaltung des Friedensplatzes verantwortlich. In Bad Honnef plante er den Rathausneubau.

Doch sein spannendstes Projekt in Bonn – und auch eines der anspruchsvollsten wie teuersten überhaupt - war nach Schürmanns Erinnerungen der Neubau für die Abgeordneten im Bundesviertel. „Allein die Planungen dauerten zwei Jahre“, erinnert er sich. Mit dem Hauptstadtbeschluss machte der Bundestag den Neubau obsolet. Doch erst der Rhein stoppte die Arbeiten. Von einer „Ruine am Rhein“ schrieb der „Spiegel“, der General-Anzeiger titelte später: „Eine Art Titanic der Architekturgeschichte“.

Schürmann selbst ist 1993/94 für die Bauausführung nicht verantwortlich. Trotzdem unterhält er eigens ein Büro in Bonn. „Erst dachte ich, die Baustelle ruht drei Wochen, längstens drei Monate. Dann wurden alle anderen Ingenieure und Bauhandwerker entlassen. Nur wir als Architekten behielten unseren Vertrag für die weitere Planung.“ Die Architekten nutzen die Zwangspause, um sich auf andere Projekte in Bremen, Dresden und Salzburg zu bewerben. „Schon wegen der hohen Kosten stand unser Bonner Büro damals besonders unter Dampf“, erinnert Schürmann sich an viele schlaflose Nächte. Seine Frau und Büropartnerin Margot stirbt damals auf einer Venedig-Reise.

Während der Bund und die drei Baufirmen vor Gericht über die Schuldfrage heftigst aneinander geraten, liegt der Bau brach. Erst vier Jahre später entscheidet sich Bundesbauminister Klaus Töpfer für den Weiterbau. Es folgen Teilabriss und Wiederaufbau. Ab 2003 sendet die Deutsche Welle vom Schürmann-Bau aus in alle Welt. Selbst Hans Daniels, zur Zeit des Rhein-Hochwassers Oberbürgermeister, ist voll des Lobes. „Wir hatten mit der Bundesgartenschau ja die Rheinaue vor dem Zugriff des Bundes gesichert. Was mit dem Post Tower, dem neuen Plenarsaal und der Deutschen Welle an ihrem Rand entstanden ist, hat hohen architektonischen Wert.“

Joachim Schürmann kommt auch 13 Jahre nach der Fertigstellung noch häufig zu Klaus Anhäuser in den Bau. Anhäuser leitet die Gebäudeverwaltung der Deutschen Welle. „Wir kamen aus einem tristen Zweckbau in Köln in dieses lichtdurchflutete Haus“, sagt Anhäuser. Da seien die Rampen und Treppen kaum ins Gewicht gefallen, die die Setzungsschäden ausgleichen mussten. Vor Schürmann, der noch heute äußerliche Umbauten konstruktiv-kritisch begleitet, hat Anhäuser großen Respekt. „Unsere Bauten sind wie unsere Kinder. Die schickt man ja auch nicht einfach in die Wüste, sondern kümmert sich solange um sie, wie man kann“, sagt Schürmann dazu. Bei Führungen zeigt der Architekt seinen Studenten noch gerne die „Falten“, die das Hochwasser am Schürmann-Bau hinterlassen hat. Schließlich hat die Architektur den Jubilar zeitlebens jung gehalten. Gerade erst hat er sich mit seinen Söhnen Felix und Peter auf die Neugestaltung des Kölner Roncalli-Platzes beworben. „Das wäre nochmal ein richtig markantes Ding“, sagt Schürmann. Aber über seinen Geburtstag fährt er erst einmal in Urlaub.

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