"Der Tod ist dort allgegenwärtig"

Bonn · Simone Ross ist bescheiden geworden. Sie muss eine Weile nachdenken. Dann endlich fällt ihr etwas ein: "Auf frische, duftende Wäsche aus dem Kleiderschrank. Darauf habe ich mich wirklich gefreut."

 Erst wenn das Labor Entwarnung gab, durften die Patienten wieder gehen. Gemeinsam mit seiner Mutter macht sich dieser Junge nach ein paar Tagen auf der Isolierstation auf den Weg zurück in sein Dorf.

Erst wenn das Labor Entwarnung gab, durften die Patienten wieder gehen. Gemeinsam mit seiner Mutter macht sich dieser Junge nach ein paar Tagen auf der Isolierstation auf den Weg zurück in sein Dorf.

Foto: Privat

Die letzten Monate hat die 32-Jährige im tropisch-feuchten Klima von Sierra Leone gearbeitet. Bereits die Witterung in der Hauptstadt Freetown ist für europäische Verhältnisse schwer zu ertragen. Doch Simone Ross trug zusätzlich noch eine komplette Montur aus Schutzanzug, Schürze, Gesichtsmaske, Brille und drei paar Handschuhen übereinander. Denn die Krankenschwester, die elf Jahre in der Bonner Unikinderklinik an der Adenauerallee gearbeitet hat, war für Cap Anamur ein halbes Jahr lang im Kampf gegen Ebola in dem westafrikanischen Land im Einsatz. Jetzt ist sie nach Deutschland zurückgekehrt.

Aber nicht allein die Arbeitsbedingungen waren für die Krankenschwester sehr belastend. "Der Tod ist dort allgegenwärtig. Es ist schwer zu ertragen, dass Kinder sterben, die hier gute Überlebenschancen gehabt hätten", berichtet die 32-Jährige, die sich derzeit von den Strapazen erholt.

In Freetown war sie auf einer Isolierstation tätig. Dort wurden Jugendliche mit Verdachtssymptomen behandelt. Da Ebola hoch ansteckend ist, durfte sie den kleinen Patienten nur komplett geschützt nahekommen. Maximal eine Stunde konnten die Helfer so ausgestattet arbeiten. "Dann mussten wir eine Pause machen", erzählt sie.

Simone Ross gehörte in Freetown zur Ebola Holding Unit. In dieser Abteilung wurden alle Kinder und Jugendliche isoliert, die Symptome zeigten. Penibel genau hielt sich das Team an das WHO-Screening: Kommen zu Fieber drei weitere Symptome hinzu - etwa Bauchschmerzen, Durchfall oder Atembeschwerden - wird isoliert. Alle Verdachtsfälle mussten auf der Isolierstation ausharren, bis die Testergebnisse vorlagen. Gab das Labor Entwarnung, konnten die Kinder entweder zurück nach Hause oder zur weiteren Behandlung in die eigentliche Klinik. Für manch kleinen Patienten war dies allerdings schon zu spät. "Es fiel mir schwer, die hohe Kindersterblichkeit zu akzeptieren." Denn nicht nur Ebola bedroht die Menschen in dem westafrikanischen Land. "Malaria, Lungenentzündung und Durchfallerkrankung enden für viele immer noch tödlich."

Trotzdem will die 32-Jährige diese prägende Erfahrung nicht missen. "Wenn man einmal über den Tellerrand geblickt hat, dann ändert sich auch die Perspektive auf das eigene Dasein", so die Krankenschwester. Man werde dankbar für das Leben, das man bisher geführt hat. Zum Glück hatte sie in Afrika viel zu tun, "ich hatte gar keine Zeit für Heimweh". Deshalb hat sie auch nichts vermisst. "Ich wusste ja, dass mein Einsatz nur für sechs Monate konzipiert war. Das ist eine überschaubare Zeit." Allerdings: "In den nächsten Wochen werde ich ganz bestimmt keinen Reis mehr essen. Davon habe ich erst einmal genug." Derzeit genießt sie Familie und Freunde. "Natürlich freue ich mich über den Weihnachtsmarkt und die Adventszeit. Ich kann es kaum abwarten, wieder einmal zu frieren", lachte sie.

Sicher ist sie sich schon jetzt, dass das nicht ihr letzter humanitärer Einsatz gewesen sein wird. "Ich würde so etwas jederzeit wieder machen. Jetzt kann ich die Strapazen noch gut aushalten." Allerdings gibt es für sie eine Einschränkung: "In ein IS-Gebiet werde ich niemals gehen."

Gemeinsam mit dem Kinderarzt Dr. Werner Strahl berichtet Simone Ross über ihren Einsatz im Kampf gegen Ebola.

Der Vortrag beginnt am Freitag, 11. Dezember, um 18 Uhr im Emil-Molt-Saal der Freien Waldorfschule Sankt Augustin, Graf-Zeppelin-Straße 7. Der Eintritt ist frei.

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