Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen in Bad Godesberg Der Weltgeschichte auf der Spur

Bonn · Die Osterinsel liegt von Bonn auf den ersten Blick ganz schön weit entfernt. Nachdem Bonner Forscher viele Jahre auf dem Pazifik-Eiland gegraben haben, ist ein beachtlicher Teil des Wissens über die geheimnisvolle Südseekultur indessen im Bad Godesberger Villenviertel versammelt.

 Das Institutsgebäude der Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen in Bad Godesberg.

Das Institutsgebäude der Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen in Bad Godesberg.

Foto: Martin Wein

In der Dürenstraße hat die Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen (KAAK) ihren Sitz, eine Außenstelle des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI).

Von dem weißen Gebäude aus betreiben sieben Archäologinnen und Archäologen und etwa ebenso viele Mitarbeiter im Auftrag des Auswärtigen Amtes Forschungsprojekte in fast aller Welt. „Für die Identität einer Gemeinschaft ist das Wissen um ihre Vergangenheit fundamental“, sagt der Vize-Direktor der Kommission, Jörg Lin-städter.

Nur wenige deutsche Universitäten seien in den von der KAAK betreuten Gegenden mit aktiven Ausgrabungen tätig. Die Arbeit der Kommission sei damit auch eine Anerkennung Deutschlands für außereuropäische Kulturen, so Linstädter.

Was sind die Hauptaufgaben?

Die KAAK leistet mit eigener Feldforschung Grundlagenarbeit in allen Weltgegenden außerhalb Europas und des Mittelmeerraums – vor allem in Südamerika, Ozeanien, Südostasien und Afrika. Das Arbeitsspektrum reicht von akuten Notgrabungen bis zu langfristigen Projekten.

Dabei hat die Konservierung, Dokumentation und Präsentation der Kulturgüter einen hohen Stellenwert. Im Rahmen bilateraler oder internationaler Kooperationen wirken die deutschen Experten auch im „capacity building“ einheimischer Fachleute vor Ort mit.

Warum und für wen ist diese Arbeit wichtig?

„Die Welt des prähistorischen Menschen findet in unseren Schulen nur in der 5. Klasse statt. Was davon im Gedächtnis bleibt, ist oft ein comichaftes Bild von zotteligen Mammuts und befellten Urmenschen“, sagt Linstädter. Die KAAK wirke diesem Klischee entgegen. Überdies zeige die Arbeit Parallelen in der Weltgeschichte auf, etwa zwischen dem antiken Rom und China, die bislang von beiden Seiten kaum gesehen wurden.

„Hier gäbe es noch viel mehr zu tun“, meint der Südostasien-Spezialist Andreas Reinecke. In seiner Weltregion seien vielleicht fünf Kollegen aus Europa tätig, in Deutschland aber 700. Und in vielen Ländern – vor allem in Afrika – fehle es noch gänzlich an eigener professioneller Bodendenkmalpflege und dem Schutz der Kulturgüter.

Wo liegen aktuelle Schwerpunkte?

Ein Projekt widmet sich Bewässerungstechniken auf der Osterinsel. Es tritt dem Mythos entgegen, die dortigen Ureinwohner seien nach der Zerstörung ihrer Umwelt praktisch über Nacht ausgestorben.

Auf der Inselgruppe der Salomonen werden aktuell Steinschlagplätze für Feuersteine untersucht. Die hier gefundenen, erst wenige Jahrhunderte alten Scheibenbeile ähneln europäischen Funden aus der Mittelsteinzeit. Damit kommt die gebräuchliche Praxis ins Wanken, archäologische Funde nur anhand ihres Typs zeitlich einzuordnen.

Viele Funde weltweit sind demnach womöglich jünger als bislang gedacht. Ein im Aufbau befindliches multinationales Forschungsprojekt in Nordafrika soll gerade angesichts der aktuellen Spannungen in der Region den Blick weg von europäischen oder nahöstlichen auf innerafrikanische Einflüsse lenken. Die These: Der Einfluss aus Schwarzafrika auf den Maghreb wurde in der Vergangenheit erheblich unterschätzt.

Warum sitzt die Institution in Bonn?

Die Kommission wurde 1979 zum 150-jährigen Bestehen des DAI vom Auswärtigen Amt gegründet, dem sie noch heute offiziell angehört. Viele außereuropäische Staaten hatten in der Vergangenheit darauf gedrungen, auch eine Zusammenarbeit in der Archäologie zum Teil bilateraler Kulturabkommen zu gewährleisten. Die Institution wurde deshalb am Dienstsitz des Ministeriums in einer Bad Godesberger Villa ansässig. Die rund 15 Mitarbeiter bilden eine Abteilung des DAI mit eigener Satzung und eigenem wissenschaftlichen Beirat.

Wie zufrieden ist man mit dem Standort?

„Wir möchten unbedingt hier bleiben“, sagt Linstädter. Als das Auswärtige Amt nach Berlin zog, habe es Diskussionen gegeben. Aber: „Wir sind hier hervorragend vernetzt mit den Universitäten Bonn und Köln, dem LVR und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe, dem Neandertal-Museum und der Bundeskunsthalle, sodass eine Umsiedlung keinen Sinn machen würde.“ Außerdem sei ja die DAI-Zentrale bereits in der Hauptstadt, so Linstädter.

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